Wohlgesonnene Mitbürger sagen über Leipziger, sie seien kommunikativ. Weniger positiv Denkende meinen, sie seien redseelig. Wird einem Leipziger Bürger eine Frage gestellt, antwortet dieser mit einer Geschichte, die mit vielen Abschweifungen ausgeschmückt ist. Er unterbricht sich mehrfach mit dem Satz: "Awwr das woll´ch gar nich sahn ..." Dieser exotische Zungenschlag der Leipziger hatte bereits den jungen Goethe, der drei Jahre in Leipzig studierte, beeindruckt: "Man sollte kaum glauben, daß sie B, P, D und T überhaupt für verschiedene Buchstaben halten, denn sie sprechen nur immer von einem weichen und einem harten D und scheinen dadurch stillschweigend anzudeuten, daß P und T gar nicht existieren. Aus einem solchen Munde klingt dann Pein wie Bein, Paß wie Baß und Teckel wie Deckel...", so durfte es der Sekretär Eckermann aufschreiben. Jawohl, Herr Gemeinrat von Goethe, unser Alphabet ist kürzer, weil es im Leipziger Dialekt wenige stimmhafte Konsonanten gibt und einige Vokale ganz verschwinden. Als Lene Voigt im Jahre 1925 mit zwei Veröffentlichungen, "Säk´sche Balladen" und "Säk´sche Glassiger", Furore macht, schrieb ein Kritiker der "Neuen Leipziger Nachrichten": "Da ist ja wieder einmal die sächsische Seele schön durchgegangen ... Wem Schiller und Goethe bisher nicht viel geben konnten, versuche es ruhig mal mit Lene Voigts Parodien." Hans Reimann, ein Leipziger Schriftsteller und Kabarettist der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts, gab für das laute Lesen dieser Lektüre wichtige therapeutische Hinweise: " Den Unterkiefer sanft vorgeschoben, lasse man die mysteriösen Vokabeln aus pseudosächsischer Gusche tropfen!"