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Johann Joachim Winckelmanns Wirken auf Schloss Nöthnitz und in Dresden

Klaus-Werner Haupt

Nach rastlosen Jahren findet Johann Joachim Winckelmann auf dem nahe Dresden gelegenen Schloss Nöthnitz eine Anstellung als Bibliothekar. Die bünausche Bibliothek und die Kunstsammlungen der nahen Residenzstadt ermöglichen Kontakte mit namhaften Gelehrten. In ihrem Kreise erwirbt der Dreißigjährige das Rüstzeug für seine wissenschaftliche Karriere. Sein epochales Werk „Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“ (1755) lenkt den Blick auf die Kunstsammlungen Augusts III. und ebnet den Weg nach Rom.

Winckelmanns Briefe, von denen mehr als fünfzig aus den sächsischen Jahren überliefert sind, lassen seinen Karrieresprung, aber auch seine persönlichen Nöte vor unseren Augen lebendig werden. Zwei Gastbeiträge über die jüngere Geschichte des Schlosses und die Visionen der Freunde Schloss Nöthnitz e. V. runden den Jubiläumsband ab.

Die Heilige Brücke

Die Heilige Brücke

Dr. Jürgen Friedel

 Zwillinge. Gemälde von William-Adolphe Bouguereau 1815
Zwillinge. Gemälde von William-Adolphe Bouguereau 1815

Wenn wir in Leipzig von der Käthe-Kollwitz-Straße stadtauswärts rechts in die Moschelesstraße einbiegen, müssen wir die Elster überqueren, ehe wir zum Komplex der Sport-Fakultäten gelangen. Die Heilige Brücke ermöglicht es uns. Warum heißt sie so?

Ein Leipziger Kaufmannsehepaar des 14. Jahrhunderts war lange kinderlos geblieben. Man betete, hoffte und bat, wollte das ersehnte Kind gar dem Kloster weihen. Schließlich kam das freudige Ereignis - Zwillinge. Maria und Katharina wurden sie genannt. Die Mutter verstarb bald darauf.

Die Schwestern wuchsen heran zu klugen, schönen und lebensfrohen Mädchen. Welches sollte der Vater, dem Versprechen seiner Frau folgend, ins Kloster geben? Er entschied sich für Maria, die ruhigere von beiden. Katharina aber schickte er nach Altenburg zu Verwandten. Zu sehr hätte sie ihn an die unglückliche Maria erinnert, die nun im Kloster der Georgennonnen leben musste.

Nach fünf Jahren sahen sich die Mädchen erstmals wieder. Da empfand Maria schmerzlich, was man ihr alles genommen hatte. Das Klosterleben kannte nicht mehr Spiel, Tanz und Fröhlichsein. Die strengen Regeln ließen nicht Raum für das Genießen der schönen Leipziger Auennatur. Dicht am Klostergarten vorbei floss die Pleiße. Die Nonnenmühlgasse erinnert noch heute daran.Oft fuhr ein junger Bürgersohn mit seinem Kahn vorüber. Er sang dabei die schönen Lieder, die Maria mit ihrer Schwester so oft gern gesungen hatte. Bald entdeckte der junge Mann das einsame Mädchen, das ihm andächtig lauschte. Sie wechselten ein paar Worte miteinander, beim nächsten Mal ein paar mehr und so fort, immer in Gefahr, entdeckt zu werden, was für Maria schwere Strafe zur Folge gehabt hätte. Als sie sich ihrer Liebe sicher waren, wurde der Entschluss gefaßt. Der junge Mann entführte seine Geliebte aus dem Kloster. Beim Torwart des nahen Kuhturms brachte er sie heimlich unter. Was folgte? Große Aufregung! Wenn das Schule machte! Eine größere Schande konnte einem Kloster gar nicht zugefügt werden. Die Äbtissin erbat die Hilfe des Propstes vom Thomaskloster, und man setzte alles in Bewegung, um die Entflohene zu finden und zu strafen.

Ein Zufall half. Etwa zur gleichen Zeit wie Maria aus dem Kloster war Katharina mit ihrem Geliebten aus Altenburg geflohen, um nicht einen Mann nehmen zu müssen, den ihr die Verwandten bestimmt hatten. Der so Verstoßende sann auf Rache. Er erfuhr von Marias Flucht, kundschaftete das Versteck Katharinas aus und teilte dem Propst des Thomasklosters mit, dort sei die entflohene Nonne Maria.

Die Strafe der Nonne, Zeichnung von Otto Knille, Historienmaler (1832 -1898 )
Die Strafe der Nonne, Zeichnung von Otto Knille, Historienmaler (1832 -1898 )

Man ergriff Katharina, schleppte sie vor den Propst und die Äbtissin. Hier erst erfuhr Katharina vom Schicksal der Schwester. Sie nahm alles auf sich und wurde auch nicht durchschaut, zu groß war die Ähnlichkeit der Zwillingsschwestern. Das Urteil, vom Zorn der Äbtissin diktiert, lautete: Todesstrafe. Wenige Tage später: In stiller Nacht bewegt sich ein gespenstiger Zug zum Klostertore hinaus über die Pleiße und die Wiesen hin zur Elster. Verschleierte Nonnen, gewappnete Klosterknechte führen in ihrer Mitte Katharina, der die Hände gefesselt sind. Auf der Elsterbrücke fesselt man ihr noch die Füße und beschwert sie mit einem Stein. Unter Verwünschungen und Gebeten stößt man die treue Schwester in den Fluss, lebend ins Grab.

Trotz Heimlichkeit und Stille der nächtlichen Greueltat geht die Kunde bald davon um. Und auch Maria in ihrem Versteck im Kuhturm erfährt, was geschehen ist. Zerrissen ist ihr fortan das Glück der Liebe. Abend für Abend eilt sie zur Brücke und betet für die Schwester, die sich für sie geopfert hatte.

Das Leid nahm ihr immer mehr die Lebenskräfte, und eines Tages fand man sie tot bei der Brücke.

Nun wurde immer lauter über die Klosteruntat gezürnt, und die Schwesternliebe wurde gepriesen. Wie von Heiligen sprach man von Maria und Katharina. So war man bald gezwungen, beiden ein ehrbares Begräbnis zuzugestehen.

Wisst Ihr, was das ist? Nun durfte ihre letzte Ruhestätte auf dem Gottesacker, dem Friedhof sein, wo sonst Selbstmörder und „Gottlose" nicht geduldet wurden.

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