Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Stadt Leipzig von 200 000 auf 500 000 Einwohner im Jahre 1905 an. Sie platze aus allen Nähten und brauchte dringend ein neues Rathaus. Das Leipziger Bürgertum beauftragte den Architekten Hugo Licht, ein Rathaus zu bauen, das nachhaltig Eindruck macht und den Rathäusern in Berlin und Hamburg nicht nachstand. Auf den Grundmauern der geschleiften Pleißenburg errichtet, wirkt der monumentale Bau durch den eklektizistischen Baustil mit Elementen aus der Spätrenaissance, aus dem Barock und Jugendstil märchenhaft. Und doch erinnert das Bauwerk an die mittelaltrige Zwingburg, wo im Juli 1519 die Leipziger Disputation zwischen Martin Luther und dem Herausforderer Dr. Johannes Eck stattfand. Luther vertrat, zusammen mit Melanchthon, furchtlos seine reformatorische Meinung.
Hat sich der Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler 1937 bei seinem Rücktritt als Protest auf das Schleifen des Mendelssohn-Denkmals durch Nationalsozialisten daran erinnert? Er ging seinen schweren Weg in den Widerstand gegen die Nationalsozialisten und wurde dafür 1945 hingerichtet.
Haben sich die demonstrierenden Leipziger Bürger im Herbst 1989 an diese heldenhaft mutigen Männer erinnert?
Goerdelers Mahnmal befindet sich unter den Fenstern des Oberbürgermeisters an der Südwestseite des Rathauses, auf dessen Brüstung in halber Höhe fünf Figuren stehen, darunter sind sechs Flachreliefs zu sehen, die die wichtigsten Attribute der Stadt wiedergeben: die Buchdruckerkunst, die Justiz, die Wissenschaft, die Musik und das Handwerk und den Handel.
Mit dem später angebauten Stadthaus stehen dem Rathaus 10 000 m² Bürofläche und 600 Räume zur Verfügung und damit genügt es auch heutigen Raumanforderungen.
Im Oktober 1905, 100 Jahre nach Schillers Tod geweiht, finden wir auf den Sockeln mit den Löwen im Eingangsbereich Zitate aus dem „Tell". Kaum zu lesen auf der rechten Seite:
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen.