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Kennst du Gotthold Ephraim Lessing?
vorgestellt von Jürgen Krätzer

Jürgen Krätzer eröffnet uns eine neue Sicht auf den Autor. Lessing entpuppt sich als schulverdrossener Aufrührer, als Student in „schlechter Gesellschaft" und als leidenschaftlicher Glücksspieler, der sich von Job zu Job hangelt. Bewusst stellte er sich gegen die damaligen Erwartungen und prangerte die Scheuklappen der Gesellschaft an. Krätzer zeigt dies anhand unkonventioneller Fabeln und Gedichte, seiner Kritiken und Briefe. Zugleich setzt er sich mit Lessings neuartiger Theatertheorie und den aufklärerischen Werten in seinen Dramen auseinander. Dabei gelingt es ihm aufzuzeigen, wie relevant und modern deren Themen noch heute sind.

 Prinzessin Annas Hochzeit in Leipzig

Prinzessin Annas Hochzeit in Leipzig

Hans-Joachim Böttcher

Anna von Sachsen. Porträt  von Jaques Le Boucq (1520-1573).
Anna von Sachsen. Porträt von Jaques Le Boucq (1520-1573).

 

Es war im August 1561, als in Leipzig eine der glanzvollsten Hochzeiten in der Geschichte der Stadt gefeiert wurde. Dabei gingen Anna Prinzessin von Sachsen Herzogin zu Sachsen, Tochter des 1553 verstorbenen Kurfürsten Moritz von Sachsen, und Wilhelm Prinz von Oranien Graf von Nassau den Bund der Ehe ein. Zur Teilnahme reisten nicht nur der kurfürstliche Hof und die offiziellen Gäste mit 5647 Pferde an, sondern auch sehr viele Neugierige. So kam es, dass sich zeitweise bis zu 15000 Fremde in der Stadt aufhielten, die nur etwa 13000 Einwohner hatte. Die Unterbringung von Mensch und Tier, die Festessen der Hochzeitsgäste, aber auch die Verpflegung der übrigen Fremden war für die Leipziger ein riesiges Geschäft. Davon abgesehen, bekamen sie aber auch noch etwas zu sehen, wovon sie noch ihren Enkeln erzählen konnten. Denn Kurfürst August, der für seine Nichte die Hochzeit ausrichtete, ließ es sich nicht nehmen ein Fest zu feiern, von dem man im ganzen Reich sprechen sollte. Über die Kindheit und den Tod der Braut lesen Sie weiter http://www.sachsen-lese.de/index.php?article_id=358&clang=0.

Wilhelm von Oranien, Graf von Nassau-ca. 1555.Porträt von Anthonis Mor (1519-1575).
Wilhelm von Oranien, Graf von Nassau-ca. 1555.Porträt von Anthonis Mor (1519-1575).

Der aus den Niederlanden nach Leipzig anreisende Prinz Wilhelm mit seinem Gefolge traf am Sonntag, den 24. August im Weichbild der Stadt ein. Kurfürst August von Sachsen, Kurfürst Joachim von Brandenburg und viele andere Fürsten sowie Grafen unter Führung von zwei Heertrommlern und 24 Trompetern zogen ihnen entgegen. Zwischen Rickmersdorf und Lindenau trafen die beiden Kolonnen aufeinander, begrüßten sich und zogen nun vereinigt als ein Zug mit mehreren tausend Pferden in die Stadt ein, wobei die Pauker und Trompeter auf beide Parteien verteilt wurden:

Die bliesen, daß im Feld erschall,

Daß man sie höret überall,

Die Heerpauk ging gewaltig drein,

Daß man sie fern konnt hören fein."

Durch das Ranstädter Tor in Leipzig einziehend, war der Reiterzug so umfangreich, berichtete ein Augenzeuge:

„Daß schier die Gassen waren zu eng.

Die Pferd, die fraßen ihre Zaum,

Daß an ihrn Mäulern hing der Schaum,

Gingen die quer und auch die krumm,

Thäten auch tapfer große Sprung,

Sie sprangen also ungeheur,

Daß an den Steinen sprung das Feuer."

Dabei liefen etwa 200 kurfürstliche Trabanten, in den Farben Schwarz und Gelb gekleidet, mit Partisanen (hellebardenähnliche Spieße!) beidseitig neben den Fürsten her. Die Gassen standen voller Menschen und alle Fenster waren mit Zuschauern besetzt, die ihre Arbeit liegen gelassen hatten, um sich das einmalige Ereignis nicht entgehen zu lassen.

 Marktplatz und Altes Rathaus Leipzig 1845
Marktplatz und Altes Rathaus Leipzig 1845

Auf dem Markt stieg die Gesellschaft von ihren Pferden. Prinz Wilhelm wurde ins Rathaus geführt, wo ihn Kurfürstin Anna mit seiner aufgeregten gleichnamigen Braut und beider Hofdamen im Treppenhaus erwarteten. Nach der Begrüßung ließ man den Gästen eine kurze Zeit der Ruhe. Danach fand im Obergeschoss in der großen Ratsstube vor nur wenigen Zeugen in aller Heimlichkeit eine wichtige Handlung statt. Zugegen waren das Brautpaar, Kurfürst August und Gemahlin, die beiden kurfürstlichen Räte Hans von Ponickau sowie Dr. Ulrich Mordeisen, Annas Hofmeisterin Sophie von Miltitz, der Bruder des Bräutigams, Johann Graf von Nassau und Wilhelms Hofmeister Heinrich von Wildberg. Den Anwesenden las Mordeisen den Vertrag vom April hinsichtlich des zukünftig zu gewährenden religiösen Lebens der evangelischen Prinzessin Anna vor, den Prinz Wilhelm abgelehnt hatte zu unterschreiben. Darauf fragte er ihn, ob er die Bestimmung erfüllen wolle. Der antwortete darauf: „Gnädiger Kurfürst, ich erinnere mich wohl dieses Schreibens, und alle diese Punkte, die Doktor Mordeisen verlesen hat, waren darin enthalten. Ich verspreche Euer Gnaden hiermit, daß ich das alles halten will, wie es einem Fürsten gebührt." Mit diesen Worten gab der offiziell dem katholischen Glauben zugehörige Prinz Kurfürst August die Hand. Auch ohne Unterschrift unter der Erklärung waren alle mit der gefundenen diplomatischen Kompromisslösung zufrieden. Nun konnte die Trauung beginnen.

Nikolaikirche zu Leipzig 2008
Nikolaikirche zu Leipzig 2008

Nachmittag um fünf Uhr betrat der Hochzeitszug den großen Saal des Rathauses. Der Superintendent und Pfarrer der Nikolaikirche Dr. Pfeffinger vollzog die Eheschließung. Er legte die Hände von Anna sowie Wilhelm ineinander und sprach den Segen üuuml;ber sie. Unmittelbar darauf fand in demselben Saal die Zeremonie des Beilagers statt. Braut und Bräutigam nahmen dabei auf einem prächtigen Bett, bedeckt von einer Decke, Platz. Dabei wurden an diese von den Gästen Ermahnungen über ihr zukünftiges gegenseitiges Verhalten in der Ehe ausgesprochen. Besonders wandte sich der Markgraf zu Küstrin an den Bräutigam und legte ihm ans Herz seine junge Gattin stets zu lieben und sie unbehindert bei ihrem evangelischen Bekenntnis bleiben zu lassen. Nach einer Pause riefen die Trompeter zu Tisch, wo man sich bei gutem Essen, Trinken sowie Musik bis spät in die Nacht die Zeit vertrieb. Erst danach konnte das Brautpaar sich zur Ruhe begeben. Dieses war für die Zeit der Hochzeit, genau wie der kurfürstliche Hof im Rathaus einquartiert. Die hochgestellten Gäste brachte man in Gasthöfe und zum Teil bei Adels- sowie vornehmen Bürgerfamilien unter.

Am folgenden Morgen hatte entsprechend der Sitte der Zeit der erste gemeinsame Kirchgang der Neuvermählten stattzufinden. Die dafür in Frage kommende Nikolaikirche war vom städtischen Rat noch schnell, aber doch relativ umfangreich und aufwendig hergerichtet und natürlich ausgeschmückt worden. Es war also alles auf das Beste vorbereitet. So konnte die ganze Hochzeitsgesellschaft, von der Bevölkerung bestaunt am Montag, den 25. August, in einer feierlichen Prozession früh vom Rathaus in die Kirche ziehen. Zur Seite des Bräutigams gingen Kurfürst August und Kurfürst Joachim. Danach folgten vor der Braut, die ebenfalls von zwei Fürsten geführt wurde, „zwölf ehrliche alte Mann", das waren 4 Grafen, 4 Freiherrn und 4 vom niederen Adel mit großen brennenden Kerzen in den Händen. Der Braut folgten die Frauen und Jungfrauen.

Die Predigt hielt wieder der vom Kurfürsten geschätzte Pfeffinger, indem er über die Heiligkeit und Unauflöslichkeit des Ehestandes sprach. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von der extra dazu angereisten kurfürstlichen Kantorei aus Dresden. In dem gedichteten Bericht heißt es so darüber:

„In der Kirchen wohl auf dem Chor

Des Fürsten Cantorei do war,

Sangen mit ganz fröhlicher Stimm,

Lobten Gott und auch dankten ihm.

Es laut‘ lieblich, wohl und auch fein,

Mit Instrumenten blies man drein,

Das gab so ein lieblichen Ton,

All Menschen freuten sich davon.

Der Organist schlug auch darein,

Dasselb laut‘ auch lieblich und fein."

Ratsstube, die bei Festen genutzt wurde, im Alten Rathaus zu Leipzig.
Ratsstube, die bei Festen genutzt wurde, im Alten Rathaus zu Leipzig.

Nach Beendigung des Gottesdienstes zog die Prozession, so wie sie gekommen war, zum Rathaus zurück. Hier fand nun das eigentliche Hochzeitsmahl statt. Nach dem Sprechen des Tischgebetes speisten an fünf mit schwarzem Samt bedeckten runden Tischen, auf schwarzsamtenen Stühlen sitzend, die Fürsten und Herren mit dem Brautpaar. Andere hochrangige Gäste aßen in benachbarten Räumen.
Nach der Beendigung des über mehrere Stunden verlaufenden Mahls begannen die Lustbarkeiten auf der Stechbahn vor dem Rathaus.

„Do sah man manchen tapfern Mann

Ritterlich stechen auf der Bahn,

Auch über die Planke man stach,

Manch Ritter do sein Spieß zerbrach."

Derjenige Teilnehmer, der die meisten Turnierlanzen brach, zog in die „Ehrenburg" ein; einem Tempelchen, das neben der Stechbahn stand. Als Erster durfte es der Markgraf Hans Georg betreten, dem aber bald diese Ehre durch Kurfürst August genommen wurde. Als er hier einzog, geleiteten ihn acht als kleine Mohren verkleidete Knaben zum Tempel.

Auch an den folgenden Tagen, insgesamt waren es sieben, gingen die Schmausereien und Lustbarkeiten auf der Stechbahn weiter. Nach dem Lanzenstechen folgte ein Ringstechen mit Maskerade. Je drei Ritter mit gleicher Bekleidung, auf die Bahn geführt von einer zu Fuß gehenden ähnlich angezogenen Schar, ritten und stachen nach dem Ring. Die erste dieser Gruppen erschien als Bergleute verkleidet, vor denen mehrere Begleiter mit einem Grubenlicht in der Hand hergingen, die zudem noch ein Bergmannslied sangen. Die nächste Gruppe war als Landsknechte kostümiert. In deren Begleitung befanden sich Hühner tragende Weiber, die mit Männern tanzten, während die Ritter nach dem Ring stachen. Dieser Gruppe folgte eine, die als Hasen auftraten, danach kamen Mönche und sodann Bauern. Die Klosterbrüder sangen geistliche Lieder, worauf die ihnen folgenden Bauern den Gesang „Ketterle vom Hahn" anstimmten. Dadurch machten sie die Mönche beim Singen irre, so dass die genötigt wurden ihren Gesang zu beenden.

Kurfürst August von Sachsen (1526-1586). Gemälde von Lucas Cranach dem Jüngeren.
Kurfürst August von Sachsen (1526-1586). Gemälde von Lucas Cranach dem Jüngeren.

Den katholisch Gläubigen unter den Gästen, wie den Vertreter von König Philipp von Spanien und einigen der von Prinz Wilhelm eingeladenen Gästen, wird dieser Scherz nicht gerade zugesagt haben. Und auch nicht einer Gruppe, die als Kardinäle mit breiten Hüten auf den Helmen erschien. Religiös-politisch völlig harmlos waren da doch die Gruppe der „wilden Männer", die sich in zottige Fälle gehüllt hatten, oder die Vogelstellergruppe. Sie trugen Eulen und Leimruten, an denen Vögelchen hingen, während vor ihnen einige Personen als Eulen verkleidet liefen. Geführt wurden diese von einer kleinen Eulengestalt, die auf einem Pferd reitend auf der Fiedel spielte. Der Höhepunkt des Turniers war eine Veranstaltung, die in der Nacht abgehalten wurde. Zur Beleuchtung der Bahn, des Marktes sowie des Rathauses „do brannt‘ man der Feuerlampen viel".

Da ihm die Zahl der Vergnügungen nicht ausreichte, hatte Kurfürst August am 22. August aus Leipzig noch eilig eine weitere Lustbarkeit aus Zwickau angefordert. Er ließ den dortigen Rat wissen, dass die Meister des Fleischerhandwerks sich „mit der Kuh- oder Ochsenhaut gerüstet" nach Leipzig begeben sollten, um „allda am fürstlichen Beilager
Kurzweil damit zu treiben Bescheids gewärtig sein"
. Hierbei handelte es sich um eine althergebrachte, bekannte und viel begehrte Zwickauer Attraktion. Diese bestand darin, dass 22 gleich angezogene Fleischhauer mit einer gespannten Kuhhaut mehrmals einen kleinen verkleideten Menschen in die Luft schleuderten und wieder auffingen.

Wie alle anderen Gäste dürften Anna und Wilhelm sicher ihre Freude an dem für sie veranstalteten prächtigen Fest gehabt haben; am 31. August fand dieses sein Ende.

Der danach folgende Ehealltag des jungen Paares verlief in der Heimat des Prinzen, den Niederlanden, von Anfang an nicht sehr harmonisch. Die Gründe dafür waren sehr vielfältig, lagen jedoch hauptsächlich in den schwierigen Charakteren der beiden Eheleute begründet. Nachdem der Prinz mit seiner Familie, auf Grund politisch-religiöser Schwierigkeiten, aus den spanisch regierten Niederlanden völlig verarmt nach Nassau flüchten musste, verschärfte sich das Verhältnis zwischen dem Paar stetig. Letztlich entwickelte sich die Ehe für Anna zu einer einzigartigen Tragödie. Um einen Scheidungsgrund zu erhalten, beschuldigte sie Wilhelm schließlich des Ehebruches. Anna kam in der Folge zunehmend in einen sich stetig verschärfenden Hausarrest und wurde letztlich nach Sachsen zurück gebracht. Hier vollendete sich ihr Leben auf eine beispiellose Art.

Mehr über dieses tragische Frauenschicksal lässt sich in dem Anfang November 2013 im Dresdner Buchverlag erscheinenden Buch: „Anna Prinzessin von Sachsen (1544 - 1577)" erfahren. Verfasser ist der durch mehrere Biografien über Personen der sächsischen Geschichte bekannt gewordene Autor Hans-Joachim Böttcher.

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