Leipzig-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Leipzig-Lese

Unser Leseangebot

Familie Stauffenberg: Hitlers Rache

Ursula Brekle
ISBN 978-3-86397-097-0

Das ist die spannungsreiche Geschichte, die beweist, dass es Himmler nicht gelungen ist, die Drohung wahrzumachen. Die jüngste Tochter von fünf Geschwistern Konstanze wurde noch während der mütterlichen Haft geboren. Sie berichtete vom 90. Geburtstag ihrer Mutter Nina, auf dem über 40 Nachkommen zusammengekommen waren. Die Nationalsozialisten haben trotz Hinrichtungen und perfider Sippenhaft nicht gewonnen.


"Verräterkinder" der Stauffenbergs in Sippenhaft

Dipl.-Päd. Ursula Brekle

Nina von Stauffenberg mit ihren Söhnen in den Ferien in Lautlingen
Nina von Stauffenberg mit ihren Söhnen in den Ferien in Lautlingen

In der berüchtigten Geheimrede sagte der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, am 03.08.1944 in Posen: „Wenn eine Familie als vogelfrei erklärt...wurde..., dann hieß es: Dieser Mann hat Verrat geübt, das Blut ist schlecht - Das Verräterblut muss ausgerottet werden...Die Familie Stauffenberg wird ausgelöscht werden bis ins letzte Glied."

Zunächst waren die Kinder Berthold geb. 1934, Heimeran geb. 1936, Franz Ludwig geb.1938 und Valerie (1940 - 1966), zusammen mit den Kindern anderer Väter, die am Widerstand des 20. Juli 1944 beteiligt waren, von der Gestapo in das NS-Kinderheim Bad Sachsa verschleppt worden. Die Familie wusste nicht, wo sie sich aufhielten. Das war die Rache des Regims. Die Mutter Nina befand sich in strenger Isolationshaft in verschiedenen Gefängnissen und im KZ. Sie gebar das fünfte Kind, Konstanze am 27. Januar 1945 in einer Klinik, noch in Einzelhaft, in Frankfurt/Oder.
In Bad Sachsa bestand der perfide Plan Himmlers darin, die Kinder im Heim „auf Linie" zu bringen, ihnen alles wegzunehmen, was an ihre Eltern erinnert, Fotos und Briefe. Sie erhielten Falschnamen. Ihnen sollte die Identität geraubt werden, ehe die jüngeren zu parteitreuen Nationalsozialisten in Adoption vermittelt werden. Die älteren sollten in „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten" erzogen werden.

Schwarzwaldhäuschen
Schwarzwaldhäuschen
Das NS-Kinderheim in dem kleinen Örtchen Bad Sachsa im Südharz bestand aus sieben beschaulichen Schwarzwaldhäuschen, in denen die Kinder zunächst nach Altersgruppen und nach Geschlecht getrennt untergebracht waren. Helmtrud von Hagen, deren Vater Albrecht am 08.08.1944 hingerichtet wurde, macht die damals empfundene Hilflosigkeit  heute noch zu schaffen: „Das ist auch heute noch nicht überwunden, sonst könnte ich das auch mit mehr Abstand erzählen. Mir ist auch das schmerzliche Gefühl der Entpersönlichung geblieben, dieses Zur - Nummer - Werden! Die Nummer 26 und der Name Schulz auf meiner kleinen, weichen Haarbürste." Die Kinder des Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der noch in der  Nacht des 20. Juli 1944 erschossen worden war, erhielten den Falschnamen „Meister". Sie wussten, dass Cousin und Cousine im Heim waren, denn diese kannten sie. Andere Kinder erkannten sich erst als ihre Verwandten, als der 15jährige Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld  abends spät im Schlafsaal den Bann brach: Alle Kinder stellten sich mit ihren wahren Namen vor. Sie sprachen über ihre Familien. Der teuflische Plan ging also nicht auf. Alfred von Hofacker, der Sohn des Widerstandkämpfers Cäsar von Hofacker, erinnert sich: Durch die Erwähnung einer gemeinsamen Tante Lasly wurde die Verwandtschaft zwischen den Hofackers und den Stauffenbergs  festgestellt. Sie waren Vettern. „Dies war ein Schlüsselerlebnis, weil wir plötzlich spürten, dass wir zusammengehörten."
Claus von Stauffenberg mit seinen Kindern Valerie und Franz Ludwig sowie mit Elisabeth und Alfred, den Kindern seines Bruders Berthold
Claus von Stauffenberg mit seinen Kindern Valerie und Franz Ludwig sowie mit Elisabeth und Alfred, den Kindern seines Bruders Berthold

Christa von Hofacker fand über eine zugängliche Kindergärtnerin heraus, dass ursprünglich die Kinder nur für einen Zeitraum von ca. 8 Wochen bleiben sollten, „bis die Eltern und die großen Geschwister umgebracht worden wären". Natürlich machten sich die Kinder Sorgen um ihre Familien. Viele hatten Heimweh. Alfred von Hofacker, der mit zwei Schwestern ins Heim kam, beschreibt sein Erleben: „Dann wurden wir alle drei - das war grausam...- voneinander getrennt. Wir drei Geschwister kamen jeweils altersgemäß in verschiedene Häuser. Wir konnten uns die nächsten drei Monate überhaupt nicht sehen. Für mich war das eine schlimme Erfahrung...weg von zu Hause, plötzlich konfrontiert mit Kindern, die ich nicht kannte. Anfangs habe ich auch sehr unter Heimweh gelitten - das ganze Jahr...ausgelöst von Liedern...Das brachte mich immer wieder zum Weinen."
Auf dem Tiefpunkt der Ereignisse waren in Bad Sachsa 47 Kinder aus 19 „Verräterfamilien" untergebracht.

Ab Ende Oktober hatte Himmler eine andere Strategie eingeschlagen: Einige Kinder, deren Mütter aus den Gefängnissen entlassen waren, konnten in ihre Familien zurück. Bei der Auswahl herrschte reine Willkür. Das war gewollt, denn unberechenbar zu sein, gehörte zur perfiden Strategie. Alle Kinder der Stauffenbergs, der Hofackers, der Goerdelers und Lindemanns mussten ausdrücklich bleiben, lediglich die strenge Isolierung wurde etwas gelockert. So erfuhren endlich die Familien, wo sich die Kinder aufhielten.

Schließlich sollten die Kinder in das KZ Buchenwald gebracht werden. Auf einem Wehrmachts - LKW fuhren sie nach Nordhausen, um von dort per Bahn zum Zielort gebracht zu werden. Sie gerieten in einen Tieffliegerangriff, hatten aber großes Glück, denn gleichzeitig war der Bahnhof  von Nordhausen total zerstört worden. Ein Transport war nicht mehr möglich. Das KZ und die lebensbedrohliche Odyssee, die den Sonderhäftlingen der SS dort bevorstand, blieben ihnen damit erspart.
Erst im Juni 1945 konnten die Kinder von Tante Lasly, die als Rot - Kreuz - Oberin erschien, in Bad Sachsa abgeholt werden, um von ihren Müttern in die Arme genommen zu werden.

 

Die Autorin dankt Frau Konstanze von Schulthess - Rechberg, geb. Gräfin von Stauffenberg, für die Nutzungsrechte der Familienbilder in diesem Artikel.

 

 

Quellen

Von Schulthess, Konstanze: Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Ein Porträt. München und
                                        Zürich 2008

Madelung, Eva, und Joachim Scholtyseck: Heldenkinder, Verräterkinder. München 2007

Von Meding, Dorothee: Mit dem Mut des Herzens. Die Frauen des 20. Juli. Berlin 1992

Knopp, Guido: Sie wollten Hitler töten. München 2004

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Das Spendefest zu Rückmarsdorf
von Friedrich Ekkehard Vollbach
MEHR
Was lange gärt, wird Mut
von Dipl.-Päd. Ursula Brekle
MEHR
Die Leipziger Disputation von 1519
von Prof.Dr.habil. Armin Kohnle
MEHR
Leipziger Losungen
von Friedemann Steiger
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen