Weh, Leipzig, viel geliebtes Nest!
Mit deinen dicken Mauern,
Mit deinen Türmen, stark und fest,
Du kannst mich schrecklich dauern.
Bezweifl‘ es, wer noch zweifeln mag:
Am nächsten Grünen-Donnerstag
Wirst du, o Stadt der Linden,
Im Erdenbauch verschwinden.
Der Bürgermeister schnellt vom Sitz
Mit wahrem Jugendfeuer:
„Auf! Lasst uns fliehn nach Stötteritz!
Hier ist es nicht geheuer.
Am Marktplatz, auf der Rathausfahn‘
Hat dreimal schon der Wetterhahn
Mit lauter Stimm‘ gegackelt
Es wackelt! Wackelt! Wackelt!“
Der Rektor gibt alsbald bekannt:
„Es fiel im Büchersaale
Mit lautem Plautzen ein Foliant
Heut‘ morgen vom Regale!
Packt auf den ganzen Weisheits-Kitsch
Und rettet euch nach Euteritzsch!
Ein Narr, wer länger fackelt:
Es wackelt! Wackelt! Wackelt!
Am Donnerstag bellt‘ in der Stadt
Kein Hund mehr auf den Gassen,
Und jeder kluge Bürger hatt‘
Wohlweislich sie verlassen.
Man spannt und wartet Tag und Nacht,
Dass Leipzig in die Erde kracht;
Nach achtundvierzig Stunden
War noch kein Stein verschwunden.
Da sprach der Bürgermeister: „Hm,
Lasst uns die Angst begraben;
Es scheint sich das Orakulum
Faktisch geirrt zu haben.“
Und abends saß der Magistrat
Mitsamt dem Hochschul-Rektorat.
Und jeder brave Zecher
Hielt fest umspannt den Becher.
Doch als der Nachtrat Zweie rief,
da schrie der Bürgermeister:
„Es wackelt! ´s wackelt! ´s steht schon schief!
Helft, alle guten Geister!“
Der Rektor aber sprach: „Na nu!?
Bin ich‘s, o Leipzig, oder du?
Schwer ist es zu entscheiden,
Wer wackelt von uns beiden?!“