Leipzig-Lese

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Kennst du Gotthold Ephraim Lessing?
vorgestellt von Jürgen Krätzer

Jürgen Krätzer eröffnet uns eine neue Sicht auf den Autor. Lessing entpuppt sich als schulverdrossener Aufrührer, als Student in „schlechter Gesellschaft" und als leidenschaftlicher Glücksspieler, der sich von Job zu Job hangelt. Bewusst stellte er sich gegen die damaligen Erwartungen und prangerte die Scheuklappen der Gesellschaft an. Krätzer zeigt dies anhand unkonventioneller Fabeln und Gedichte, seiner Kritiken und Briefe. Zugleich setzt er sich mit Lessings neuartiger Theatertheorie und den aufklärerischen Werten in seinen Dramen auseinander. Dabei gelingt es ihm aufzuzeigen, wie relevant und modern deren Themen noch heute sind.

Wer war der Totengräber J. D. Ahlemann anno 1813?

Wer war der Totengräber J. D. Ahlemann anno 1813?

Ursula Drechsel

Johann Daniel Ahlemann wurde am 7. Oktober 1765 in Genthin bei Magdeburg geboren, gestorben ist er 1832 in Leipzig. Bekannt sind drei ältere Geschwister.
Sein Vater Johann Daniel Ahlemann lebte von 1729 - 1780 und war Maurermeister. Ebenfalls waren der Großvater Heinrich Simon Ahlemann sowie mütterlicherseits Johann David Wulff Altmeister der Maurerinnung gewesen. Das Geschlecht der Ahlemanns (Alemann) ist in Magdeburg weit verbreitet, als hansisches Kaufmannsgeschlecht, dessen Ursprung nach Lübeck weist.
Der Totengräber zu Leipzig, Johann Daniel Ahlemann, ergreift zunächst das Handwerk als Perückenmacher. Er lässt sich in Leipzig nieder und erwirbt das Bürgerrecht der Stadt Leipzig am 26. Juli 1790.

Welche Voraussetzungen mussten erfüllt sein, um das Bürgerrecht der Stadt Leipzig zu erlangen?

Singende Muse an der Pleiße, Wikipedia gemeinfrei
Singende Muse an der Pleiße, Wikipedia gemeinfrei
„Die Erlangung des Bürgerrechts hing vor allem vom Vermögensstand ab. Bürger konnte nur werden, wer Grundbesitz in der Stadt besaß oder erwarb, das Bürgergeld zahlte und eine eheliche Abstammung nachwies. Entsprechend dem Ratsbeschluß vom 17.Juni 1469 mußte er sich in der Stadt niederlassen. Im Jahre 1474 zählte Leipzig 519 ansässige Bürger, zu Beginn des 16.Jahrhunderts waren es bereits 900. Die hinzugekommenen Neubürger mussten eine Abgabe zahlen, die aber auch erlassen werden konnte, wenn der Zuzug im Interesse der Stadt erfolgte. Die Bürger - Kaufleute, Handwerksmeister und andere besitzende Kreise - besaßen zahlreiche Rechte, von denen die anderen Stadtbewohner, die Gesellen, das Gesinde und die Stadtarmut, ausgeschlossen blieben. Die Bürger waren in unterschiedlichem Umfang an der Stadtverwaltung beteiligt. Sie hatten zur Bewaffnung und Verteidigung der Stadt beizutragen."(Das Leipziger Eidbuch von 1590 - VEB Fachbuchverlag Leipzig 1986 1.Auflage.- Reprint-)
Am 14.November 1790 heiratete Ahlemann in Eutritzsch, damals noch Vorort bei Leipzig, Christiane Wilhelmine Becker. Sie wurde am 1.Februar1768 als Tochter des Bürgers und Peruquiers Johann Ernst Becker geboren. Acht Groschen zahlte er Ahlemann an die Thomasschule für den Gesang der Thomaner zu seiner Brautmesse.
Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor.
Johann Daniel Ahlemann war 1798 Mitglied der Leipziger Schützengesellschaft geworden. Unter den ersten Schülern der 1804 gegründeten 1. Bürgerschule befinden sich seine Söhne Gustav Friedrich Adolph und Carl Ludwig (Louis). Die wirtschaftliche Lage der Familie mag aber nicht die beste gewesen sein. Ist es doch die Zeit, in der die Zöpfe der Männer aus der Mode kommen.

Der Eid des Totengräbers

Der Leipziger Markt mit dem Rathaus, Eigenes Foto, Antiquariat Dr. Haak Leipzig
Der Leipziger Markt mit dem Rathaus, Eigenes Foto, Antiquariat Dr. Haak Leipzig

Mancher Perückenmacher wird dadurch gezwungen, den Beruf zu wechseln. So auch Ahlemann. Noch 1806 bei der Taufe seiner Tochter ist er Peruquier. 1814 tritt er aus der Perückenmacherinnung aus.
Am 26.Januar 1810 wird Johann Daniel Ahlemann als Nachfolger des verstorbenen Totengräbers Netto ausgewählt. Gleichzeitig wurde durch den Rat der Stadt Leipzig beschlossen, dass er der hinterlassenen Witwe Nettos bis zu deren Wiederverheiratung wöchentlich einen Taler seines Diensteinkommens zu zahlen hat.
Nachdem Ahlemann den Posten des Totengräbers erhalten hatte, leistete er am 3.Februar 1810 seinen Eid.
„Nachdem von E.E. Hochw. Rathe dieser Stadt
Johann Daniel Ahlemann
zum Todtengräber allhier, bis auf Widerrufen angenommen worden und dieser auch bestellte heute Vormittags bey der Rathsstube seiner Verpflichtung halber persönlich erschienen, so hat man ihm zuvörderst die für ihn wegen seiner Dienstverrichtungen ausgefertigte Instruktion wörtlich vorgelesen und es ist von ihm das zweite Exemplar eigenhändig unterschrieben, so wohl mit seiner Petschaft besiegelt worden.
In Gegenwart Tit. Herrn Senator dahier Gottlieb Knids als Deputierter des Sitzenden Raths
hat genannter Ahlemann der am 20.Januar dieses Jahres gefassten Engen Resolution gemäß sich verbindlich gemacht und versprochen, daß er von jetzt an der von seinem Dienstvorfahren Johann Friedrich Netto hinterlassenen Witwe Susanne Amalie Nettoin allwöchentlich einen Thaler von seinem Diensteinkommen so lange dieselbe im Witwenstande bleiben werde, unausgesetzt und pünktlich abgeben und entrichten wolle.
Wie nun Ahlemann folgender
Eid
Ich Johann Daniel Ahlemann schwöre hiermit zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden diesen wahren Eid und gelobe, dass ich dem Dienste des Todtengräbers allhier dazu ich bis auf Widerrufen angenommen was den bin mit aller Sorgfalt, Treue und Fleiße vorstehen, denjenigen Instruktion, welche wegen meiner Verpflichtungen in diesem Dienste für mich ausgefertiget mir auch deutlich vorgelesen worden und die ich voll verstanden habe, in allen Punkten treu und unverbrüchlich nachkommen und dawider aus Gunst, Gabe, Geschenk, Verheißung, Freundschaft, Feindschaft, oder aus einer anderen Ursache und Bewegung nicht handeln, stets der Ordnung mich befleißigen und E.E. Hochw. Rathe jederzeit treu, gewärtig und gehorsam seyn will.
So wahr mir Gott helfe durch Ja zum Christum unseren Erlöser und Herrn
Wo gehalten worden: also hat er nicht nur die Erfüllung aller hierdurch übernommenen Obliegenheiten und Pflichten mittels Handschlags an gelobet, sondern auch diesen Eid gegen Mittag unter gewöhnlichen Feyerlichkeiten wirklich geleistet, vor auch von wohlgeachten Herrn Deputierten Raths wegen erwähnten Ahlemann der Todtengräberdienst übertragen und ihm obermeldete mit dem Rathssiegel bedruckte Instruktion ausgestellet, nun auch dabei zur treuen Wahrnehmung und Beobachtung seinen Dienstpflichten ermahnet wurde und worden ist.
Übrigens hat Ahlemann diese Registratur auf Vorlage eigenhändig mit unterschrieben. So geschehen wie oben.
Carl Wilhelm Droblisch
Stadtschreiber
(Unterschrift)Johann Daniel Ahlemann"
(Stadtarchiv Leipzig, „Registratura Leipzig den 3.ten Februar 1810, Blatt 269).

Ein Dokument von 1821, eingelegt im Knopf von St. Johannis

St. Johanniskirche mit dem Knopf(hier 1887), Wikipedia gemeinfrei
St. Johanniskirche mit dem Knopf(hier 1887), Wikipedia gemeinfrei

Ein sehr interessantes Dokument, das neue Informationen aus den Jahren 1810 bis 1821 enthält, wird hier vorgestellt. Johann Daniel Ahlemann hat in seinen Aufzeichnungen diese Aussagen bestätigt. Das Dokument wurde 1821 in den Knopf der Kirche St. Johannis eingelegt. ( Stadtarchiv Leipzig - Stift II.37 „Abschriften der in dem Knopf zu St. Johannis befindlichen verschiedenen Festschriften de annis 1691, 1748 und 1821" , Blatt 14 - 19)

... Das Jahr 1810 war für uns ein Jahr der Ruhe. Das Jahr 1811 desgleichen.
Im Frühling des Jahres 1812 aber wurde unsere Stadt der Mittelpunkt der Versammlung eines Corps der französischen Herren, welche nach Russland marschieren sollten, wodurch wir dann mit allen den Unannehmlichkeiten und Lasten überhäuft wurden, welche zahlreiche Einquartierung mit sich zu führen pflegt, als Theurung der Lebensmittel, Störung von häuslicher Ruhe usw. Der französische Marschall May schlug selbst sein Hauptquartier bei uns auf, und verweilte drei Wochen in hiesiger Stadt. Zugleich Durchmärsche drückten uns den ganzen übrigen Teil des Jahres. Im Anfange des Jahres 1813 sahen wir viel Trümmer des in Russland vernichteten französischen Heeres zurückkehren, welche uns ansteckendes Nervenfieber und andere gefährliche Krankheiten mitbrachten, wodurch eine große Anzahl hiesiger Einwohner hingerafft wurde. In der Mitte des Monats März erschien der damalige Vizekönig von Italien auf seinem Rückzug aus Russland mit den französischen Hauptquartiere bei uns, und schon am 31. März sahen wir die ersten Kosaken bei uns eintreffen. Diesen folgten bald mehrere russische Truppen, die zum Theil in der Stadt zum Theil in der Gegend umher vorrückten.
Am 2 ten May kam es ohnweit Lützen zu einer Schlacht zwischen den Russen und den Preußen einerseits und den Franzosen andererseits, in deren Folge Leipzig wieder von den Letzteren besetzt wurde. Immerwährende Einquartierungen drückten nun die Einwohner, der Handel lag, und es herrschte unter allen Ständen viel Noth. Den Sommer über verweilte der französische Herzog von Padner (?) mit einem Armeecorps bei uns, auch besuchte Napoleon selbst die hiesige Stadt. Ein von Russen und Preußen unternommener aber misslungener Angriff setzte uns in große Schrecken. Leipzig wurde von den Franzosen in Belagerungsstand erklärt, musste eine große Menge Requisitionen leisten, auch eine Bürgergarde aufstellen, wodurch ein sehr bedeutender Kostenaufwand verursacht wurde. -

 Aus dem Leipziger Schlachfeldführer 1813/1913, Leipzig 1913
Aus dem Leipziger Schlachfeldführer 1813/1913, Leipzig 1913
Anfang Oktober zog sich die französische Armee dicht um unsere Stadt zusammen. Am 14 ten erschien Napoleon selbst bei uns, demselben Tag traf auch unser geliebter König bei uns ein. Die Stadt und die umliegende Gegend wimmelte von Truppen. Schon den 16 ten fiel eine große Schlacht in der Nähe unserer Stadt vor, welche zu Gunsten der Franzosen auszufallen schien, weshalb auch mit hohen besonderen Befehl zum Siegeszeichen alle Glocken der Stadt geläutet werden mussten, die Kämpfe (?) dauerten jedoch ununterbrochen fort, und am 18 ten fand endlich jene große Schlacht statt, deren Ausgang und Folgen der Welt sattsam bekannt sind. Am 19 ten wurde unsere Stadt selbst von den Siegern mit stürmender Hand eingenommen und die Vorstädte und Anlagen um die innere Stadt glichen ganz einem Schlachtfelde. Wenige Häuser zeigten keine Spur von Kugeln. Die drei verbündeten Monarchen, der Kaiser von Russland, der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen zogen nebst dem Kronprinzen von Schweden, den ohnmaligen Marschall Bernadotte, und begleitet von ihren Feldherren persönlich in die Stadt ein, wo sie mit Freudenrufen empfangen wurden.
Vom 16 ten bis 19 ten Oktober sahe man von Minute zu Minute verstümmelte Krieger auf Brettern, Thüren und Leitern in die Stadt bringen, so dass sich die Zahl der in Leipzig untergebrachten Kranken und Verwundeten auf mehr als 32.000 Köpfe belief. Fast alle öffentlichen Gebäude, Kirchen und dergleichen sowie viele Privathäuser wurden damit angefüllt, wodurch sich abermals ansteckende Krankheiten erzeugten, welche dergestalt um sich griffen, dass in einer Woche nicht selten 230 bis 240 Menschen, zuweilen gar mehr, starben.
Der geliebte König Friedrich August I., Wikipedia gemeinfrei
Der geliebte König Friedrich August I., Wikipedia gemeinfrei
Den schauderhaftesten Anblick gewährte kurz nach der Schlacht der hiesige Johanniskirchhof, wo verwundete und verstümmelte Franzosen zu Tausenden lagen, vom Hunger getrieben, die Leichen in den Schwibbögen, und gefallene Pferde verzehrten und unter schrecklichen Verzuckungen starben. Die Noth der ansteckenden Seuchen dauerte vom November 1813 bis zum Februar 1814. Ob wir gleich kurz nach der entscheidenden Schlacht den Schmerz erfahren mussten unseren verehrten und geliebten König als Gefangenen aus unseren Mauern wegführen zu sehen, so feierten wir doch im Jahre 1813 den 18 ten Juni das Fest der Rückkehr desselben in seine Staaten auf eine der hohen Bedeutung des Tages angemessener Weise. Des Abends war die Stadt aufs glänzendste und so reich beleuchtet, wie man sich nie zu sehen erinnern konnte. - Die späterhin erfolgte unglückliche Theilung Sachsens hat auch in unserer Stadt großes Betrübnis erregt, doch tröstet uns dies, dass wir Unerthanen unseres geliebten Königs und ein Theil des von ihm regierten Landes geblieben sind.
Außerdem auch in hiesiger Stadt im Jahr 1817 mit viel Feierlichkeit begangenen Reformationsjubiläum, erlebten wir die Freude, sowohl im Jahre 1818 die fünfzigjährige Regierungs- als im Jahre 1819 die fünfzigjährige Vermählungsfeier unseres geliebten Königs, Friedrich August, begehen zu können, auch unsere innigen Gebete für dessen lange Erhaltung zum Thron des Allerhöchsten zu schicken.
Am 2 ten August 1821 in den Nachmittagsstunden traf der Blitz den Thurm der Johanniskirche, wodurch eine bedeutende Reparatur besteht und der Knopf herab genommen wurde, dessen Wiederaufstellung der gegenwärtige Vorsteher des Johannishospitals, Herr Baumeister Johann Friedrich Erkel, auf die Anordnung des Stadtmagistrats veranstaltet hat. Die Mitglieder des Magistrats Collegii waren (drei Seiten mit Namen) ....
Möge die ewige Vorsicht ihre schirmende Hand über uns halten und unserem Vaterlande sowie der Stadt Leipzig, im Genusse eines dauerhaften Friedens, alle diejenigen Güter zu theil werden lassen, ohne welche eine wahre und echt menschliche Glückseligkeit nicht bestehen kann. Handel, Wissenschaft und Kunst bleiben immer unter uns in der schönsten Vereinigung.
Leipzig, am 21 ten September 1821."
(
Ohne Unterschrift)

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