Johann Wolfgang von Goethe gilt als der bedeutendste deutsche Dichter, seine Werke zählen zu den Höhepunkten der Weltliteratur.
Vor 250 Jahren, genau am 19. Oktober 1765, schrieb er sich als Student der Jurisprudenz an der Universität Leipzig ein. Anlässlich dieses Jubiläums erhielt der Maler Volker Pohlenz vom Pächter des historischen „Auerbachs Keller", Bernhard Rothenberger, im November 2014 den Auftrag, ein Bild zum Thema „Goethe im Auerbachs Keller" zu malen, das in die letzte freie Nische des Kellers passte - vis-à- vis ist ein Bild angebracht, das an den japanischen Faust-Übersetzer Mori Ôgai erinnert und ebenfalls von Volker Pohlenz im Jahre 2009 gemalt worden ist.
In den Jahren, in denen Goethe in Leipzig lieber die Künste, Poetik und Naturwissenschaften als Jura studierte, war Auerbachs Keller keine öffentliche Gaststätte, sondern nur, wir würden heute sagen, Clubmitgliedern zugänglich.
Eingeführt hat ihn in den Keller der Jugendfreund Ernst Wolfgang Behrisch, Hofmeister des Hausherren, des Grafen von Lindenau. Folgerichtig standen Behrisch mit Goethe bereits auf dem 1. Entwurf des Malers im Mittelpunkt, Behrisch affektiert und steif, wie er von Zeitgenossen beschrieben wurde. Volker Pohlenz hat sich akribisch mit den historischen Fakten vertraut gemacht. Diesen Entwurf legte Pohlenz B. Rothenberger im Dezember 2014 vor, er ist zusammen mit Bernd Weinkauf, dem „Haushistoriker", diskutiert worden. Goethe, der den Ur-Faust bereits als Kind gelesen und mit seiner Schwester Szenen gespielt hatte, kannte den Keller, den er unbedingt kennenlernen wollte als den Ort, wo sich die Schlüsselszene ereignete: der Spuk des Mephistos und der Fassritt des Faust. Dieses ist nun als Erscheinung ins Bild gesetzt. Im 2. Entwurf des Malers wird das Interieur verändert und ein fast schwarzer Hund als Gefährte des Mephisto hinzu gesellt. Den Besitzer des Hundes, einen Lehrer Goethes, den Kupferstecher Stock jedoch finden wir nicht auf dem Bild, denn es gibt keine überlieferte Abbildung von ihm. Dieser Entwurf wird wiederum besprochen. Schließlich ist dieser Entwurf die Grundlage für die Übertragung in die Originalgröße auf Leinwand im Februar 2015. Der Hund bekommt als Gefährte des Teufels eine andere Funktion, indem er die Weinpfütze auf dem Fußboden aufleckt. Endlich wird noch eine Werkzeugkiste des Kellermeisters dargestellt, um zu zeigen, dass damals der Wein noch direkt vom Fass gezapft worden ist. Die flackernden Kerzen als weitere Anspielung auf den Spuk und zwei authentische Personen sind vom Maler eingefügt: Heinrich Gottlieb Graf von Lindenau und Johann Adam Hiller, der 1781 als erster Gewandhaus-Kapellmeister berufen wird. Hiller gehörte zum erlauchten Kreis der Gäste.
Aber lassen wir Bernd Weinkauf zu Wort kommen, der die Szene eindringlich beschreibt: „ Er (Behrisch) öffnet dem Neuen die Tür zum verheißungsvollen Ort. Da sitzt der Sechzehnjährige nun am authentischen Ort, wo sich die zauberische Geschichte des ihm aus den Büchern bekannten Fassritts zugetragen hat. Der zart-emotional empfindende als auch wild-studentisch agierende junge Mann, der sich vor kurzem noch als „Chamäleon" empfunden und beschrieben hat, ist überrumpelt vom Eindruck, den die uralten Kellerräume auf ihn ausüben. Es haut ihn geradezu um, Auge in Auge mit dem weitbeschreiten Zauberer und Schwarzkünstler hier zu sitzen. Faust stürzt auf ihn ein, ergreift von ihm Besitz. Wie von fremder Macht geführt, zeichnet Goethes Hand in der Weinpfütze das Pentagramma, das Zeichen, das den Teufel bannt. Und der lässt nicht lange auf sich warten. Da schleckt schon ein Hund begierig vom roten Wein - oder ist es gar - rotes Blut? Denn Blut ist ein besonderer Saft! "
In Goethes Faust I ist das Zeichen auf die Schwelle des Studierzimmers von Faust markiert, es hindert Mephistopheles das Studierzimmer zu verlassen.
Und weiter mit Bernd Weinkauf:
„Dieser Blitz ins Gehirn, diese faustische Inspiration muss allen Beteiligten verborgen bleiben, aber der junge Goethe ist davon so dauerhaft beeindruckt, dass er sechs Jahre später, jetzt schon ironisch distanziert, eine Kneipenszene schreiben wird, die er in Auerbachs Keller hineindichtet. Und da fühlt er sich noch einmal mittendrin im damaligen Geschehen und da ruft es ihm aus der Erinnerung zu: Ich hab' ihn selbst hinaus zur Kellertüre auf einem Fasse reiten sehn - - - "
Obwohl anlässlich der Enthüllung des Gemäldes von Volker Pohlenz Goethes Faust-Inspiration am 19.10.2015 der „Geburtshelfer" Bernd Weinkauf in fachkundiger und lockerer-witziger Art die anwesenden Journalisten mit ironischem Seitenhieb bat, das Ende der Geschichte um Goethe und Auerbachs Keller nicht in den Zeitungen zu erzählen, tun wir es. Weithin bekannt ist: Goethe war in die neunzehnjährige Wirtstochter Anna Katharina („Käthchen") Schönkopf verliebt. Es war die erste große Liebe des sechzehnjährigen Goethe, die ihn zwei Jahre „rasen" ließ, bis die durch seine dauernden Eifersuchtsausbrüche und Selbstquälereien belastete Beziehung 1768 beiderseits aufgelöst wurde. Nur unter Insidern weiß man, in einem seiner Eifersuchtsausbrüche forderte er den vermeintlichen Nebenbuhler zum Duell mit dem Degen heraus. Das war mit Strafandrohung verboten. Sein Jugendfreund Behrisch hielt aber zu ihm und wurde aus diesem Grund aus seiner Anstellung entlassen, also arbeitslos. Er musste nach Dessau übersiedeln, wo er auf Gellerts Empfehlung Erzieher Franz von Waldersees und bald darauf auch des Erbprinzen von Anhalt-Dessau wurde. Der junge Heißsporn Goethe jedoch erhielt „nur" Hausverbot im Auerbachs Keller.
Wem hat das wohl mehr geschadet?
Liebe Leser, schauen Sie sich das Spektakel selbst an!
Quellen
Gespräche mit Volker Pohlenz im Oktober und November 2015
Manuskripte von und Gespräch mit Bernd Weinkauf
Pressemappe des Auerbachs Keller vom 19.10.2015
Goethe, Johann Wolfgang: Faust I
Bildnachweis
Alle Fotos sind von Wolfgang Brekle aufgenommen mit freundlicher Genehmigung des Malers Volker Pohlenz.