Vis-á-vis vom Alten Rathaus, quer über dem Markt, führt das Barfußgäßchen in einen Gassenwinkel der Leipziger Altstadt. Dort finden wir das historische Gasthaus Zill´s Tunnel. Das Gasthaus ist der letzte Vertreter der Biertunnel, die man an einem Ende betrat und am anderen wieder verließ und von denen es mehr als ein Dutzend im beengten Stadtzentrum gab. Bereits ab 1753 betrieb der Wirt Johann Friedrich Weißleder eine "Oeffentliche Caffeeschenke". 1769 verkaufte er sie an den Hochstapler Johann Georg Schrepfer, der auch das Kaffeehaus von 1769 bis zu seinem Tode 1774 weiterführte.
1841 übernahm dann Johann Gottfried Zill (gest. 1868) die Schenke, die bald im Volksmund Zill´s Tunnel hieß. 170 Jahre hat sie diesen Namen beibehalten. In dieser Zeit gab es berühmte Stammtische, wie die der Juristen, der Schriftsteller und Musiker und die der Handwerker. Zu den berühmten Gästen zählt der Opernkomponist Viktor Nessler, dessen Werk „Der Trompeter von Säckingen" noch heute aufgeführt wird.
Und wer kennt nicht die Lieder vom Chordirigenten und Komponisten Carl Friedrich Zöllner „Des Wandern ist des Müllers Lust", „Ein Jäger aus Kurpfalz" und „Ich hatt´ einen Kameraden". Die Legende sagt, diese Lieder seien in Zill´s Tunnel teils ersonnen, bestimmt aber gesungen worden. Belegt ist, dass Zöllner seine Freunde Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann hierher einlud. Der Stammtisch der Stadträte, die nach den anstrengenden Sitzungen im Alten Rathaus so manchen Schoppen und guten Happen konsumierten, traf sich einmal jährlich an diesem Ort für die legendäre Gelbe Suppe. Dieses gemeinsame Festmahl der Stadtverordneten fand zum Abschluss der Sitzungsperiode statt, in der die Ausscheidenden verabschiedet und die neuen Stadtverordneten begrüßt worden sind. Es gab eine delikate Speisefolge mit einer feinen, mit dem teuren Safran gewürzten Suppe. Der Brauch erhielt sich bis in das 20. Jahrhundert.
Diesen Traditionen verpflichtet führt heute der Seniorchef Lutz Geyer professionell die Geschicke der Einrichtung. Ein Blick auf die Speisekarte für typisch sächsische Gerichte genügt für den Beweis - Zitat:
Galdes Been midd saurem Graud un Meierahn- Zwibbelbriehe
Großes Eisbein mit Majoran - Zwiebelsoße, Sauerkraut, Sahnemeerrettich und Kartoffeln oder Klößen
Gefliecheldes vom Federviech
Knusprige viertel Ente mit Apfelrotkohl und Klößen
Gudscherschdeeg, in Grosditser Bier un Wirzditsche eingeleschd
„ Krostitzer Bier- Kutschersteak " in Bier und Würzmarinade eingelegtes großes Kammsteak
mit Röstzwiebeln auf hausgemachtem Kartoffelpuffer
Gebräbeldes Wasserdier of Erdäbbelmuhs
Gebratenes Zanderfilet "Baseler Art" auf Kartoffelpüree mit gebratenen Champignons und angeschwenkten Zwiebeln, Salatbukett
„Leipziger Allerlei ". Sächsische Spezialität
Ein Arrangement aus frischem Gemüse, Morcheln und Flusskrebs
Die Zusammenstellung des „Leipziger Allerleis" zeigt die solide und feine Küche, die an beste Traditionen anknüpft.
In diesem Milieu gibt es unvermeidlich Leipziger Gose in den typischen Varianten:
Die Leipziger Gose...Pur
Wanderslust - mit Waldmeistersirup
Sommertraum - mit Himbeersirup
de Leipzscher Gümmel Gose - mit original Leipziger Allasch
de Girsch Gose - mit Kirschlikör - bei den Damen besonders beliebt
Un wasse unbedingd gosdn solldn...
"Ä Zwibbelschnabs aus Borne"
Zwiebelschnaps
Zwei große Wandbilder von Volker Pohlenz, ein Maler, der viele Jahre mit Werner Tübke gearbeitet hat, zeigen zwei typische Szenen aus der Geschichte des Hauses:
Das eine zeigt einen Stammtisch von Sangesbrüdern, an dem sich auch C.F. Zöllner, der Dichter Wilhelm Müller und der Sänger Roderich Benedix eingefunden haben. Müller schrieb Texte für die von Franz Schubert vertonten Liederkreise „Die schöne Müllerin" und „Winterreise". Am bekanntesten ist er als Verfasser des Volksliedes „Das Wandern ist des Müllers Lust", das 1844 entstand. Lese weiter: http://www.sachsen-lese.de/index.php?article_id=56.
Das zweite Bild gibt den Blick frei auf den kleinen Platz zwischen Barfußgäßchen und Großer Fleischergasse zur Messezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Händler, Bauern, Bürger, Studenten und Mägde bevölkern den Platz. Es musiziert ein Drehorgelspieler, der die populären Lieder von Zöllner, der gleich um die Ecke gewohnt hat, sicher gespielt hat. Am Ende der Häuserflucht sieht man die im 2. Weltkrieg völlig zerstörte Matthäikirche, die gewissermaßen in den Bildern wieder auferstanden ist.
Quellen:
Pilz, Herbert: Leipziger Kulinarischen Antiquitäten (Folge 39)
Einladung vom 29.05.2007 zu einem Informationsbesuch in Zill's Tunnel
Homepage www.zillstunnel.de
Die Autorin dankt dem Seniorchef und Juniorchef von Zill's Tunnel für Überlassung der Rechte in diesem Artikel, das Foto der Bierstube und die Texte aus der Speisekarte zu nutzen.
Die Autorin dankt Volker Pohlenz, seine Bilder aus seinem Privatbesitz in diesem Artikel zu nutzen.
Auf Ungenauigkeiten im 1. Absatz wies Herr Bernd Weisleder aus 16816 Neuruppin, Buskower Dorfatraße 2, hin, wofür die Autorin dankt.