Der später weltberühmte Schriftsteller Ernst Jünger, am 29.März 1895 in Heidelberg geboren, hatte sich vier Tage nach Ausbruch des 1. Weltkrieges am 1. August 1914 als Freiwilliger gemeldet. Er kämpfte im Range eines Leutnants trotz mehrfacher Verletzungen vier Jahre, also bis zum Ende des verlorenen Krieges an der Westfront. Er erhielt im September 1918 noch vom deutschen Kaiser den Orden Pour le Mérite. Die Kriegserlebnisse führten dazu, dass er auch in der Zeit 1923 bis 1926, die er als Student in Leipzig verbrachte, mehrere Bücher über den 1. Weltkrieg schrieb und diese auch veröffentlichte:
- Das Wäldchen 125. 1923 erschienen
- Sturm über Verdun. 1923
- In Stahlgewittern. 3. Auflage 1924
- Feuer und Blut. 1925
- Der Kampf als inneres Erlebnis. 2. Auflage 1926
Am 26. Oktober 1923 wurde Jünger an der Universität Leipzig immatrikuliert als stud. rer. nat. Er studierte vorrangig Zoologie und Philosophie. Jünger interessierte sich besonders für Pflanzen und Tiere und besuchte die Vorlesung bei Hans Driesch. Er nahm an den Beratungen im Zoologischen Institut teil. Besonderes Interesse entwickelte er für Insekten. Er besuchte die Vorlesung zur Meeresbiologie bei Georg Grimpe, mit dem er von Februar bis April 1925 in Neapel an einer Zoologischen Station sein Studium fortsetzte. Schwerpunkt war die Untersuchung der Anatomie von Tintenfischen. Außerdem ist Jünger in Leipzig auch sehr an Philosophie-Vorlesungen interessiert, so besuchte er die Vorlesungen bei Ernst Hugo Fischer zu Hegel, Nietzsche und Hamann. Mit Fischer blieb er ein Leben lang befreundet.
Jünger wollte in Leipzig studieren und das hatte vermutlich folgenden Grund: Seine Eltern lebten und wohnten in der Nähe. Der Vater, der Chemiker Dr. Ernst Georg Jünger, war seit 1919 Besitzer der Löwen-Apotheke in Leisnig an der Freiberger Mulde, rund 50 km südöstlich von Leipzig gelegen. Ernst Jüngers Bruder Friedrich Georg, der auch in Leipzig studierte, berichtet in seinem Buch „Grüne Zweige“: „ In meiner Freizeit war ich mit Ernst zusammen. Ich besuchte ihn im Zoologischen Institut und hörte dort Vorlesungen. Wir machten Wanderungen in die Umgebung der Stadt und badeten.“
Am 3. August 1925 heiratete Ernst Jünger in Leipzig Gretha von Jeinsen, die er 1922 im Alter von 16 Jahren in Hannover kennen gelernt hatte. Die Hochzeit fand in der evangelischen Kirche St. Thomas zu Leipzig statt. Seine Frau Gretha äußerte sich über die Ehe später in ihrer Schrift „Silhouette“: „Ich hatte soeben meine Gelübde als Ehefrau abgelegt, und zum äußeren Zeichen meiner Unterwerfung unter das göttliche Geschlecht und damit meinen Eheherrn, beschlossen, ihn fortan nur noch als meinen Gebieter zu bezeichnen, verschweige indessen nicht, daß er diesen Ehrentitel mit einiger Skepsis aufnahm.“
Das Ehepaar Jünger wechselte in Leipzig mehrfach die Wohnung, zuerst wohnten sie in der Gutenbergstr. 3, dann in der Sidonienstr. und in der Talstr. 25. Zuletzt mieteten sie in der Sebastian-Bach-Str. 18 Räume zur Untermiete, inclusive gemeinsamer Küchenutzung mit den Vermietern. Gretha urteilte später: „Armut schreckt uns nicht.“
Am 1. Mai 1926 wurde der erste Sohn geboren, wie der Vater Ernst genannt, Rufname „Ernstel“. Jünger schreibt über die Auseinandersetzung, ob „Ernstel nicht lieber katholisch getauft werden sollte“, worauf Gretha „ihn unverzüglich bei den Protestanten" angemeldet hat.
Ernst Jünger unternahm zwei große Reisen während seines Aufenthaltes in Leipzig. So nahm er im Herbst 1926 an einem Fliegerkurs in Berlin-Spandau teil. Im Frühjahr 1927 besuchte er Paris.
Ernst
Jünger war am 31.08.1923 als Offizier aus der Reichswehr
ausgeschieden. Nun durfte er sich öffentlich äußern, zuerst in
der Zeitschrift „Völkischer Beobachter“, einem „Kampfblatt der
national-sozialistischen Bewegung Großdeutschlands“.Er
beteiligte sich in der Kritik an der Weimarer Republik. In seiner
Schrift „Das Wäldchen 125“ sagt er: „Ich
hasse die Demokratie wie die Pest.“
Und in einer anderen Veröffentlichung 1926 gibt er sein Bild des „Zukunftsstaates“: „Als die vier ragenden Grundlagen des modernen Nationalismus“ nennt er „nationale, soziale, kriegerische und diktatorische Auffassungen.“
Jünger hatte 1923 Hitler in einer Großveranstaltung als Redner in München erlebt. Am 03.06.1926 schrieb Jünger an Adolf Hitler, der zu dieser Zeit noch nicht der herausragende Führer der nationalsozialistischen Bewegung war. Er schickte ihm einige Veröffentlichungen und lud Hitler nach Leipzig ein. Hitler antwortete 1926: „Ihre Schriften habe ich alle gelesen. In ihnen lernte ich einen der wenigen starken Gestalter des Fronterlebnisses schätzen.“ Zunächst ließ Hitler zusagen, einen Termin ankündigen, aber diesen Termin sagte Hitlers Privatsekretär Rudolf Heß kurzfristig ab. Hitler und Heß umwarben zunächst Ernst Jünger, später schwankte die NSDAP zwischen Lockung und Drohung. Aber der Schriftsteller wies alle Angebote ab, sich für die NS-Bewegung zu engagieren. (Sein Vater war bereits 1932 Mitglied der NSDAP geworden.) Insbesondere lehnte er die sozialdarwinistische Rassenideologie der Nationalsozialisten kategorisch ab. Jünger hat Hitler nie getroffen.
1926 gab Jünger sein Studium an der Universität Leipzig auf, um sich ganz den Aufgaben als Schriftsteller zu widmen und um als politischer Publizist zu arbeiten. Er zog mit seiner Familie nach längerer Wohnungssuche im Juli 1927 nach Berlin, wo er auf den Lauf der Dinge besser Einfluss nehmen wollte.
Bereits 1929 zeigte Goebbels in seinem Tagebuch die Kluft zwischen Jünger und der NS-Bewegung an: „Schade um diesen Jünger, dessen 'In Stahlgewittern' ich jetzt noch einmal las. Die sind wirklich groß und heldisch. Weil ein blutvolles Erleben dahinter stand. Heute kapselt er sich ab vom Leben, und sein Geschriebenes wird deshalb Tinte, Literatur.“
Eine umfassende Darstellung der geistigen und moralischen Entwicklung Ernst Jüngers ist im Rahmen dieses Artikels nicht möglich.
Im 2.Weltkrieg meldete sich Jünger erneut zum Fronteinsatz. Er gelangte 1942 in die Stabsabteilung des Militärbefehlshabers in Frankreich unter General von Stülpnagel. Hier pflegte er Kontakte zu zahlreichen Generälen und Offizieren, die im Widerstand gegen Hitler standen. Inwieweit er in die Vorbereitung und Durchführung des Attentates auf Hitler vom 20. Juli 1944 eingeweiht war, ist umstritten. Heimo Schwilk, der zur Vita Ernst Jüngers mehrere Bücher vorlegte, schrieb: „Als Mitglied des Kommandostabes des Militärbefehlshabers in Paris war Jünger eingeweiht in die Umsturzpläne von General Karl-Heinrich von Stülpnagel, die bekanntlich scheiterten.“ Wenn manche Autoren meinen, er hätte allenfalls etwas geahnt, ist das bei der Vielzahl seiner Kontakte zu den Hauptfiguren des Widerstandes kaum vorstellbar. Jünger bemühte sich in seinen zahlreichen Begegnungen mit französischen Künstlern und Intellektuellen um Verständigung, warnte Pariser Juden und hatte Kontakte zum literarischen Umfeld der Rèsistance. Ernst Jünger wurde nach dem Scheitern des Attentates nicht verhaftet – wofür die Gründe nicht bekannt sind. Nachdem der Pariser Kommadostab aufgelöst worden war, wurde er zunächst versetzt und dann aus der Wehrmacht entlassen.
Der
17jährige Sohn „Ernstl“ war wegen Abhörens ausländischer
Sender und Äußerungen gegen Hitler 1944 zunächst verhaftet worden.
Er meldete sich später freiwillig als Panzergranadier in eine
SS-Einheit, um weiteren Strafenverfahren zu entgehen. In Italien, in
der Nähe der Marmorvorkommen Carrara kam er am 29. November 1944 ums
Leben.
Die
Todesnachricht erhielt Ernst Jünger später. Im Januar 1945 schrieb
der Vater: „Das
war ein Angel- und Wendepunkt in meinem Leben.“
In der Bundesrepublik war Ernst Jünger von großen Teilen des Bildungsbürgertums hoch geachtet. Seine zahlreichen Veröffentlichungen verhalfen ihm zu Weltruhm. Am berühmtesten wurde sein Roman „Auf den Marmorklippen“, 1. Auflage erschienen 1939. Es wird bis heute spekuliert, warum die nationalsozialistische Zensur die Veröffentlichung zuließ. Denn Ernst Jünger setzte deutliche Zeichen der Distanzierung von Diktatur und Gewalt. Beeindruckend bleibt die „betörend großartige Sprache“(Heimo Schwilk). Lesen Sie den Artikel von Christoph Werner: http://www.deutschland-lese.de/index.php?article_id=1149
Jünger erhielt 1959 die Auszeichnung „Großes Bundesverdienstkreuz“ und 1982 den „Goethe-Preis“ der Stadt Frankfurt am Main. Diese und andere Ehrungen wurden von heftigen öffentlichen Protesten begleitet. So auch die Ehrungen zu seinem 100. Geburtstag.
Der Schriftsteller starb im Alter von 103 Jahren am 17. Februar 1998 in seiner Wahlheimat.
Quellen:
Kiesel, Helmuth: Ernst Jünger. Die Biographie. Pantheon-Verlag München 2009
Paetel, Karl 0.: Ernst Jünger in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt-
Taschenbuch-Verlag 1962
Amos, Thomas: Ernst Jünger. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2011
Brekle, Wolfgang: Das antifaschistische schriftstellerische Schaffen deutscher
Erzähler in den Jahren 1933 — 1945 in Deutschland. Kapitel Ernst Jünger.
Dissertation Leipzig/ Berlin 1967
Werner, Christoph: Ernst Jünger. In: http://www.deutschland-lese.de/index.php?article_id=1149
Schwilk, Heimo: Ernst Jünger und der Widerstand. In: WELT am SONNTAG vom 24.Januar 1999
Bildnachweis:
Kopfbild: Autogramm von Ernst Jünger, von einem Brief vom 11.3.1995. Wikimedia - gemeinfrei
Deutsches Literaturarchiv Marbach:
Abb. 1 Ernst Jünger (1920)
Abb.2 Ernst Jünger im Zoologischen Institut der Universität Leipzig 1925
Abb. 3: Thomaskirche zu Leipzig. Foto: Ursula Drechsel
Abb. 4: Kopie aus dem Kirchenarchiv der Thomaskirche zu Leipzig, Bearbeitung Jonas Brekle
Abb. 5 : Einladung zur eine "Wiederbegründung" der NSDAP mit Adolf Hitler als Redner, 27. April 1925, München, Bürgerbräukeller. Aus Wikimedia - gemeinfrei.
Urheber des Fotos |
Abb. 6: Universitätsarchiv Leipzig PA-SG 641: Dokument Studienbeginn 1923 und Abgang 1926
Abb. 7: Karl-Heinrich von Stülpnagel, Porträt mit Ritterkreuz 1941. Bundesarchiv, Bild 183-R63893 / CC-BY-SA 3.0
Abb. 8: Cover Ernst Jünger: Auf den Marmorklippen Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, 8° Oktav, 156 S. Wikimedia - gemeinfrei.