An einem Donnerstagnachmittag fand ich mich in der Thomaskirche ein, als der Organist gerade probte. Die Geschichte dieses Ortes nahm mich völlig ein. Welche Schönheit diese Wände gesehen haben. Ich saß auf der Kirchenbank, schloss meine Augen und weinte. Touristen starten mich an.
Nicht wissend um die Verkehrsregeln für Fahrradfahrer fuhr ich falsch und wurde beinahe von einem Auto angefahren. Mir wurde gesagt, dass die Deutschen hinterm Steuer schnell wüütend werden. Dass sie ungeduldig hupen, dass sie ihre Fäuste zeigen, dich verfluchen. Auf dem Gesicht dieses Fahrers, der mich ohne Schuld fast überfahren hatte, lag ein Schrecken, ein Schock, Schuld. Erleichterung.
Am Muttertag fuhr ich mit meinen Fahrrad in einen großen, erstaunlich herrlichen Park. Ich fuhr den Fluss entlang, auf und ab, fuhr rings um die Wiesen, die mit Freunden und Decken geefüllt waren. Menschen mit Hunden, Kinder auf Rollschuhen. Ich hielt an einem Biergarten an, diesem Ort, den ich bisher nur vom Hörensagen kannte, diesem Ort, bei dem man an dickbäuehige Männer in Lederhosen und vollbusige Kellnerinnen mit kräftigen, durch überdimensionierte Bierkrüge trainierten Oberarmen denkt. Der Tag war wunderschön. In dem weißen Pavillon spielte ein Klarinettist Duke Ellington. Kinder hopsten in einer Hüpfburg herum. Ich ging auf das glänzend weiße Klo. Auf ein kleines Regal hatte dort jemand eine frische rote Tulpe in einer weißen Keramikvase gestellt.
Als ich mein erstes Seminar beendete, begannen die Studenten auf die Tische zu klopfen. Der Raum füllte sich mit dem Geräusch von auf Holz klopfenden Knöcheln, so, als ob sich eine Menschenmenge vor meiner Tür versammelt hatte und fröhlich um Einlass bat. »Was bedeutet das?«, fragte ich erschrocken. »Was tut ihr?« Sie grinsten vergnügt: Die neue Dozentin war ratlos! »Wertschätzung zeigen«, erklärten sie mir.
Das passiert mir wieder und wieder: Ich brauche Anweisunngen, brauche Hilfe, brauche jemanden, der mir den Weg erklärt. »Sprechen Sie Englisch?«, frage ich: den Angestellten in der Bäckerei, den Kellner, den Studenten auf der Straße. Sie sind verrlegen. Sie zucken mit den Schultern, vermeiden Blickkontakt. Ein wenig, sagen sie, fast entschuldigend, mit beunruhigten Gesichtern. Ich schmunzle, stelle meine Frage. Fließend, hilfssbereit und freigiebig antworten sie.
Der Bertuch Verlag dankt dem Rektorat der Universität Leipzig für die Möglichkeit, diesen Artikel in der Leipzig-Lese zu veröffentlichen.