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Roland Opitz
Kennst du Fjodor Dostojewski?

Das Leben Dostojewskis glich einer Achterbahnfahrt: stetig pendelnd zwischen Verehrung und Verachtung, zwischen Erfolg, Spielsucht und Geldnot. Mit 28 Jahren wurde er wegen revolutionärer Gedanken des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt, landet dann aber im sibirischen Arbeitslager.
Er gilt als Psychologe unter den Schriftstellern, derjenige der hinab schauen kann in die Abgründe der menschlichen Seele. Diese Biografie ist gespickt mit Auszügen aus seinen Meisterwerken sowie mit einigen seiner Briefe, die einen offenherzigen Menschen zeigen.

Adalbert Stifter - Anekdoten

Adalbert Stifter - Anekdoten

Dipl.-Päd. Ursula Brekle

Adalbert Stifter
Adalbert Stifter

Adalbert Stifter war ein österreichischer Schriftsteller, Maler und Pädagoge. Er wurde am 23.10.1805 in Oberplan (Böhmen) geboren. Er kam aus einfachen Verhältnissen. Als er 12 Jahre alt war, starb der Vater, und er wuchs bei den Großeltern auf. Er besuchte von 1818 bis 1826 das Gymnasium und studierte anschließend bis 1830 in Wien zunächst Jura, dann Naturwissenschaften und Geschichte, brach aber die Studien ab ohne einen Abschluss zu machen.

Stifter war ein begeisterter Landschaftsmaler. Den Lebensunterhalt musste er sich aber als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern verdienen. 1848 zog Stifter nach Linz, wo er bis zum Tod lebte. In seinen letzten Lebensjahren war er schwer erkrankt, unter anderem litt er unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28.1.1868.

Thomas Mann setzte ihm 1949 ein Denkmal in seinem Buch Die Entstehung des Doktor Faustus:
"Stifter ist einer der merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur."

Anekdoten über Adalbert Stifter von Ludwig Rosenberger

Wie Stifter Amalie Mohaupt kennen lernte

Stifter war zu einer häuslichen Tanzunterhaltung eingeladen. Als die Gesellschaft aufbrechen wollte, goß es draußen in Strömen. Da um die schon sehr vorgerückte Stunde nirgends ein Fiaker aufzutreiben war, wurden die Damen von der Frau des Hauses mit festen Schuhen versehen und der Obhut der Herren übergeben. Stifter war so glücklich, das Fräulein Amalie Mohaupt heimbegleiten zu dürfen. Amalie, deren Reize Stifters Aufmerksamkeit schon während des Balles in hohem Maße erregten, war in Gesellschaft einer älteren Begleiterin, bei der sie in Wien wohnte, zu der Unterhaltung erschienen.

Nach einigen Tagen erhielt nun Stifter von der Frau, die jenen Hausball gegeben hatte, einen Brief, worin sie mitteilte, Fräulein Amalie vermisse ihre Ballschuhe und glaube sich zu erinnern, sie Herrn Stifter bei jenem Heimwege anvertraut zu haben. – Die Sache verhielt sich wirklich so. Die Schuhe befanden sich in der Seitentasche seines Mantels. In seiner Begeisterung hatte er dieselben zu übergeben vergessen. Er antwortete sogleich, es werde ihm Vergnügen bereiten, sie der Eigentümerin persönlich zu überbringen. So brachte er dem schönen Fräulein Amalie die Schuhe, plauderte eine Weile mit ihr und empfahl sich wieder. Beim Weggehen aber schien es ihm, als wäre er zum Wiederkommen eingeladen worden, was zur Folge hatte, daß er zuerst in drei Wochen und dann in immer kürzeren Zwischenräumen seinen Besuch wiederholte, bis er endlich jeden Tag als verloren betrachtete, an dem er Amalie nicht gesehen hatte.

»Nachsommer«

Cover "Bunte Steine", erschienen 1853
Cover "Bunte Steine", erschienen 1853


Schwere Sorgen lasteten auf dem kranken Dichter. Seine Pensionierung stand bevor, damit aber auch eine Verringerung seiner Bezüge um Zweidrittel. Am 27. November 1865 – er weilte gerade zur Wiederherstellung seiner Gesundheit im hochgelegenen Kirchschlag – erhielt er die Mitteilung über die Versetzung in den Ruhestand. Mit zitternden Händen öffnete er das Schreiben und las, daß ihm sein volles Gehalt von 1890 fl. belassen und außerdem vom Kaiser der Titel eines Hofrates verliehen wurde. Stifter war vor Freude außer sich und ließ seiner Frau in Linz durch einen eigenen Boten die glückliche Nachricht übermitteln. – »Nun ist Ruhe in meinem Herzen und die Gesundheit ist die sichere Folge«, schreibt er darin. Durch einen weiteren Boten bestellte er einen geschlossenen Wagen und fuhr noch am selben Abend nach Linz zurück. Dann geht er wieder nach Kirchschlag und schreibt von dort an Heckenast: »Jetzt kann ich ohne Sorge und in der Erhabenheit der Natur meinen höheren Bestrebungen und meinen teuren Arbeiten leben. Mein Nachsommer hat begonnen.«

Am Grabe des vergessenen Dichters

Peter Rosegger kam im Jahre 1870 nach Linz und wollte Stifters letzte Ruhestätte aufsuchen.

»Können Sie mir sagen, wo das Grab des Dichters Adalbert Stifter ist?« fragte er bei Friedhofseingang mehrere des Weges kommende Leute. Aber diese schüttelten den Kopf. Da sah Rosegger einen Totengräber, der gerade beschäftigt war, ein frisches Grab zu schaufeln. Er ging auf ihn zu und wiederholte seine Frage. – »Stifter, ein Dichter soll der g'wesen sein? Meinen S' vielleicht den Schulrat Stifter?« – Rosegger bejahte. – »Ja, da gehen S' zum Eingang zurück und etwas rechts vom Hauptweg ist es dann.« Endlich fand Rosegger die letzte Ruhestätte des von ihm so hochverehrten Mannes. Wie aber war er erschüttert, als er nur den kahlen Hügel sah, den ein dürftiges kleines hölzernes Kreuz überragte, auf dem zu lesen stand, daß Stifter Schulrat gewesen sei und daß Gott seiner Seele gnädig sein möge. – Auf's tiefste bewegt, verließ Rosegger die traurige Stätte des vergessenen Dichters.

Sonderbare Grabinschrift

Grabstelle des Adalbert Stifter in Linz. Autor: St. Barbarafriedhof
Grabstelle des Adalbert Stifter in Linz. Autor: St. Barbarafriedhof

Im Jahre 1872, vier Jahre nach dem Hinscheiden Adalbert Stifters, gelang es Freunden, an deren Spitze sein alter Studiengenosse Sigmund Freiherr von Handel stand, ein Grabmal zu errichten. Es trägt seinen Namen, das Datum seiner Geburt und seines Todes. Nach dem Ableben der Witwe des Dichters im Jahre 1883 geschah es, daß nach deren letztwilliger Verfügung eine Grabplatte mit einem Lorbeerkranze vor dem Denkmal angebracht wurde. Der Inschrift unter diesem metallenen Kranze, die den Ruhm ihres Mannes hätte bezeugen sollen, hatte Frau Amalie folgenden Wortlaut gegeben:

»Hier ruht die wohlgeborne Frau Amalie
Stifter, geb. Mohaupt, mit ihrem Gatten,
dem k. k. Hofrathe, Ritter des Franz Joseph-
Ordens, Besitzer der großen goldenen Me-
daille für Kunst und Wissenschaft, Ritter
des großherzoglich Sachsen-Weimar'schen
Falken-Ordens, geboren 10. Juli 1811,
gestorben 3. Februar 1883.«

Nur eines vergaß Frau Amalie – dass ihr Mann ein Dichter war.

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