Den Musikliebhabern in der ganzen Welt gilt Johann Sebastian Bach als ein musikalisches Genie von gewaltiger Schöpferkraft, das auch international seinesgleichen sucht. In seiner Leipziger Zeit bewunderten und verehrten ihn große Musiker und Persönlichkeiten wie Mozart, der einige Fugen von Bach beabeitete. Von Beethoven ist der Ausspruch überliefert: „Nicht Bach - MEER sollte er heißen!" Auch Goethe zollte JSB größtes Lob, wie wir aus einem Brief an Zelter wissen. Es war nur ein kleiner Kreis, der so urteilte. Der „alte" Bach galt als altmodisch und überkommen. Selbst seine Söhne, allen voran Carl Philipp Emanuel Bach, der ab 1768 in Hamburg lebte und wirkte und berühmter war als der Vater, lagen im Trend der Zeit, bezeichneten den Vater als „die alte Perücke". CPE Bach, wie er gern genannt wird, lag mit seinem neuen, empfindsamen und, fast könnte man sagen, rührseeligen Stil im Trend der Zeit. Der Vater Johann Sebastian komponierte derweil im Stillen die Kunst der Fuge und die h-moll-Messe, die heute viele Musikliebhaber in aller Welt als eines der größten und schönsten sinfonischen Chorwerke schätzen, darin der Höhepunkt - das „Agnus Dei", das von überirdischer Schönheit ist. Erst Felix Mendelssohn Bartholdy gelingt 1829 eine bahnbrechende Wiederaufführung der Matthäuspassion in Berlin, die eine anhaltende Bach-Renaissance auslöste.
Lassen wir nun zwei Kritiker, die zur Zeit Bach lebten und sich gründlich irrten, zu Wort kommen:
Die Grundursache dieser Fehler (Bachs) ist wert, daß ich etwas ausführlicher davon rede. Es hat sich dieser große Mann nicht sonderlich in den Wissenschaften umgesehen, die eigentlich von einem gelehrten Komponisten erfordert werden. Wie kann derjenige ganz ohne Tadel in seinen musikalischen Arbeiten sein, welcher sich durch die Weltweisheit nicht fähig gemacht hat, die Kräfte der Natur und Vernunft zu untersuchen und zu kennen? Wie will derjenige alle Vorteile erreichen, die zur Erlangung des guten Geschmacks gehören, welcher sich am wenigsten um kritische Anmerkungen, Untersuchungen und um die Regeln bekümmert hat, die aus der Redekunst und Dichtkunst in der Musik doch so notwendig sind, daß man auch ohne dieselben unmöglich rührend und ausdrückend setzen kann, zumal da daraus die Eigenschaften der guten und schlechten Schreibarten, sowohl überhaupt als auch insbesondere fast ganz allein fließen.
Johann Adolph Scheibe: Der Critische Musikus, 1738
(Seine Musik ist so, als ob) „bald einer durch Zerreißung des Textes daher coloraturet oder drüllert, bald ein kleiner Knabe dreinwinselt oder wie ein Hähnlein krähet, bald der ganze Haufe wie die Jäger auf der Insel zusammenschreit, darunter noch bald ge?edelt, bald geschalmeiet, bald gepauket, bald gedrommetet und auf mancherlei Art getönet und gesauset wird, daß man vom textu kein Wort vernimmt."
Ein pietistischer Geistlicher über die „neuartige" Kirchenmusik von Bach; zitiert nach Richard Pezoldt: Johann Sebastian Bach, Neuauflage, Leipzig 1950.