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Alpakafrech: mein 6. Geburtstag

Die Alpakas Fred und Egon führen durch eine bunte Geburtstagsreise mit pädagogisch wertvollen Lernspielen, Zahnkalender und lustigen Rätseln sowie einem Rezept und einen Experiment. 

Hans Leisegang - Lehrer, Denker, Kämpfer

Hans Leisegang - Lehrer, Denker, Kämpfer

Prof. Dr. habil. Gerald Wiemers

Hans Leisegang (1890-1951)
Hans Leisegang (1890-1951)

Sein Lebenslauf ist nicht typisch für einen deutschen Intellektuellen im 20.Jahrhundert und doch verlief er, zunächst von Krieg und Nachkrieg 1914-1918 unterbrochen, reibungslos, aufsteigend. Hans Leisegang wird geboren am 13. März 1890 in Blankenburg (Kreis Langensalza) als Sohn eines Pfarrers und späteren Superintendenten. Der Hochbegabte studiert ab 1908 in Straßburg, Paris und Leipzig Philosophie, Germanistik, Romanistik und Geschichte und wird 1912 in Straßburg mit der preisgekrönten Arbeit über die Raumtheorie im späteren Platonismus zum Dr. phil. promoviert. Nur kurze Zeit später besteht er in Leipzig das philosophische Staatsexamen.

Im nahen Markranstädt arbeitet er als Realschullehrer und ab 1918 als Volksschullehrer. Neben diesem Dienst hält Leisegang in Leipzig Vorträge und beschäftigt sich intensiv mit Arbeiten aus der klassischen PhiIologie‚ der Philosophie und Religionsgeschichte. Seine frühen Forschungen  erscheinen 1919 zusammengefasst in seinem ersten Buch: „Der Heilige Geist. Das Wesen und Werden der mystisch-intuitiven Erkenntnis in der Philosophie und Religion der Griechen". Bereits 1928 kommt in erster Auflage sein philosophisch-systematisches Hauptwerk „Denkformen" heraus.

Dazwischen habilitiert sich Leisegang 1920 in Leipzig mit der anspruchsvollen Arbeit „Pneuma Hagion. Der Ursprung des Geistbegriffs der synoptischen Evangelien aus der griechischen Mystik", als Buch erschienen 1922 bei Hinrichs in Leipzig. Noch immer arbeitet Leisegang als Schullehrer, aber er wird 1921 zun Studienrat am König-Albert-Gymnasium befördert und lehrt gleichzeitig als Privatdozent an der Universität. Ab 1924 erscheint in rasch folgenden Auflagen sein Standardwerk „Die Gnosis" und ein Jahr später ernennt ihn das sächsische Volksbildungsministerium zum a.o.Professor für Philosophie. Bald wird er seinen Neigungen folgend mit der Leitung der Abteilung für Germanistik und philosophische Propädeutik des praktisch-pädagogischen Seminars beauftragt. Einen Ruf an die Deutsche Universität nach Prag lehnt er ab, folgt aber im Jahre 1930 in Nachfolge von Max Wundt auf das Ordinariat für Philosophie in Jena.

Universität Leipzig und St. Pauli  1917. Postkarte aus Sammlung U. Brekle
Universität Leipzig und St. Pauli 1917. Postkarte aus Sammlung U. Brekle

Schon bald zieht er sich das Missfallen der thürirgischen Nationalsozialisten zu: eine Arbei über Lessings Weltanschauung war 1931 anlässlich der Feier zum 150. Geburtstag des Dichters durch den Reichspräsidenen als beste ausgezeichnet worden, aber damit fällt er auf, weil die Nationalsozialisten Lessing als „Judenfreund" ablehnten. Seine Beteiligung an einer Nietzsche-Ausgabe zieht er zurück, weil er die willkürlichen Textverärderungen von Elisabeth
Förster-Nietzsche nicht mittragen mochte. (Vergleiche dazu:  http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=492.)
Schließlich weigert sich Leisegang 1933, der  geforderten Selbstauflösung des akademischen Senats zuzustimmen, und wird prompt aus der Liste der Senatoren „gestrichen". Als Leisegang am 7. August 1934 bei der Trauerkundgebung für den verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg abfällige Bemerkungen über Hitler macht, folgt die denunzierende Anzeige. Das Sondergericht Weimar verurteilt ihn am 30. Nov. 1934 zu sechs Monaten Gefängnis und noch im Gerichtssaal wird er abgeführt. Die Zeitung der Jenenser  NS-Studentenschaft feiert zynisch die Verurteilung mit einer schwarzumrandeten Anzeige.  Wenige Freunde stehen zu ihm, darunter Theodor Litt, der seine Leipziger Habilitation noch abschließend begleitet hat und ihm seitdem freundschaftlich verburden ist. (Vergleiche dazu:  http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=406.)
Leisegangs Mut und seine Leberszuversicht bleiben durch die Haft ungebrochen. Nach langen, bis zur Berufung beim Reichsgericht geführten Verhandlungen kommt es schließlich zur Bestätigung des Urteils wegen „Beschimpfung des Reichs" in Gestalt des „Führers" und 1937 zur fristlosen Entlassung aus dem Dienst. Nun muss Leisegang sich eine neue Existenz aufbauen. Alle Versuche scheitern „an der mangelnden Vorbildung", wie er selbst schreibt, „für einen praktischen Beruf". So studiert er als fast Fünfzigjähriger gemeinsam mit seinem Sohn technische und theoretische Physik, Mathematik „und etwas Chemie". Am 15. Juli 1942 promoviert ihn die math.-nat. Fakultät der Universität Jena zum Dr. rer. nat. mit der Arbeit „Diodengalvanometer zur Messung kleinster hochfrequenter Wechselströme".

Nach der schnellen Wiedereröffnung der Universität Jena wird Leisegang zum 1. Dezember 1945 erneut in sein Amt als o. Professor für Philosophie eingesetzt. Es folgen heftige politischeAuseinandersetzungen um die Durchsetzung demokratischer Strukturen im Universitätsbetrieb. Leisegang wird ein zweites Mal von seinem Lehrstuhl vertrieben urd am
29. Oktober 1948 aus dem Dienst entlassen. Die neuen Machthaber fürchten sein bedingungsloses Eintreten für die Freiheit der Wissenschaft. Nur wenige Tage später wird er als Mitbegründer der Freien Universität Berlin mit dem Ordinariat für Philosophie betraut. Ein Teil seiner Jenaer Schüler ist ihm gefolgt. Leisegang ist damals der einzige Philosophie lehrende Professor in Deutschland, der zusätzlich in einem naturwissenschaftlichen Fach ausgewiesen ist und damit Grenzfragen zwischen Philosophie und theoretischer Physik behandeln konnte. Davon zeugt sein glanzvoller Nachruf auf Max Planck.

Hans Leisegang stirbt am 5. April 1951. Wenige Jahre zuvor hat Theodor Litt, der am 31. Oktober 1947 nach Bonn ging, Leisegang als seinen Nachfolger an der Universität Leipzig vorgeschlagen. Und Litt war es auch, der veranlasste, dass Leisegang am 1. Juli 1948 in die Sächsische Akademie der Wissenschaften gewählt wurde. Hans Leisegang gehört zu den Opfern in beiden deutschen Diktaturen und sein Lebensweg ist eng mit Leipzig und seiner Universität verbunden.

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