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Russi thematisiert in seinem neuen, einfühlsamen Roman die gesellschaftlichen und psychischen Probleme eines Jungen, dessen Leben von Unsicherheit und Angst geprägt ist.

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Erinnerungen an Theodor Frings(1886-1968)

Erinnerungen an Theodor Frings(1886-1968)

Prof.Dr.phil.habil. Rudolf Große

Jeder, der in seiner Nähe sein durfte, verspürte die Energien, die von ihm ausgingen, fühlte sich in den Bann gezogen seiner Persönlichkeit, die bis in die letzte Stunde nicht die Kraft verloren hat, ihre Umgebung tiefgehend zu prägen. Es gehört zur Berufung des Wissenschaftlers, in seiner Umwelt und für die Welt wirksam zu sein; Theodor Frings war es in besonderer Weise, vor allem dadurch, dass er es überall verstand, eine Reihe gleichstrebender Fachleute der eigenen und anderer Disziplinen um sich zu scharen, sie sich durch den ganz persönlichen Einsatz zu verbinden und auf ein gemeinsames Ziel zu orientieren. Auf diese Weise hat er schon Jahrzehnte, bevor die allgemein anerkannte Forderung an die Wissenschaft herantrat, zu echter Gemeinschaftsarbeit gefunden.

Die Zusammenarbeit mit dem Historiker Hermann Aubin und dem Volkskundler Joseph Müller während der Jahre in Bonn trug denn auch die ersten Früchte und schuf jene neue Forschungsrichtung, die unter der Bezeichnung Kulturmorphologie, verbunden mit dem Namen Theodor Frings, in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen ist. In Leipzig gelang es bald, einen adäquaten Kreis mit Rudolf Kötzschke und einigen jüngeren Mitarbeitern zusammenzufügen; die „Kulturräume und Kulturströmungen im mitteldeutschen Osten" bleiben ein Meilenstein in der deutschen Sprachgeschichtsforschung.

Aus der Zusammenarbeit mit dem Romanisten an den Etymologien der germanischen Lehnwörter im Französischen erwuchs die feste Freundschaft zwischen Theodor Frings und Walther von Wartburg. Die Hilfe des Slawisten, Maximilian Braun, war bei der Erhellung von Problemen der Epenforschung förderlich. Erfahrungen solcher interdisziplinärer Zusammenarbeit kamen nach dem Krieg dem Kollektiv von Namenforschern mit Rudolf Fischer zugute.

Vor allem aber stand in Leipzig das Material des Althochdeutschen Wörterbuchs zur Verfügung, aus dem die „Germania Romana" erstehen konnte. Die gemeinsame Tätigkeit mit Elisabeth Karg-Gasterstädt und den später hinzugetretenen Mitarbeitern ließ in stetiger Kleinarbeit das große Werk, den Thesaurus des frühmittelalterlichen Deutsch, inzwischen bis zur Vollendung des fünften Bandes gediehen.  

Theodor Frings, Quelle: Prof. Dr. Rudolf Große.
Theodor Frings, Quelle: Prof. Dr. Rudolf Große.

Eine methodologisch sehr bedeutsame Veldeke-Ausgabe ist aus den intensiven gemeinschaftlichen Bemühungen von Theodor Frings und Gabriele Schieb hervorgegangen.

Die glückliche Verbindung von Genauigkeit und Sorgfältigkeit im Einzelnen und von Großzügigkeit und Klarheit im Ganzen kennzeichnet die Arbeitsweise von Theodor Frings wohl am deutlichsten. Gründlichkeit im Detail und scharfe Pointierung in der Verallgemeinerung sind nicht nur für seine Werke charakteristisch; die Andacht zum Kleinen wie der Flug zur Höhe bestimmten auch seine Lehrveranstaltungen. Wer mit wachen Ohren zu seinen Füßen saß und mitzudenken bereit und fähig war, der entnahm seinen Darlegungen viele Anregungen für die eigene Arbeit, und so mancher Anstoß für tiefergehende Untersuchungen ist schon in diesen Fringsischen Lehrveranstaltungen erfolgt. Groß ist die Zahl seiner Schüler, größer noch die Zahl der Hörer, die sich dieser unverwischbaren Eindrücke gern erinnern.

Auch gerade im Ausland verkörperte Theodor Frings die Leipziger Germanistik, durch seine Veröffentlichungen natürlich, aber auch durch die Wirksamkeit seiner Persönlichkeit als Lehrer.

Die Grüuuml;ndlichkeit und Genauigkeit, das goldene Erbe aus der Handwerker-Familie, und die Beweglichkeit und Konzilianz, wohl Mitgift der rheinischen Heimat, wurden ergänzt durch ein ausgeprägtes Feingefühl für Form und Würde (echte, nicht gespreizte, hohle Formen und natürliche, nicht gespielte Würde).
Theodor Frings Grab auf dem Leipziger Südfriedhof Foto: W. Brekle
Theodor Frings Grab auf dem Leipziger Südfriedhof Foto: W. Brekle

Wo sich wissenschaftliche Leistung von Weltgeltung und die pädagogische Geschicklichkeit mit solchen Eigenschaften verbinden, da kann die Berufung in akademische Ämter nicht ausbleiben. Das Dekanat in Bonn 1925/26 war vielleicht mehr eine Routinesache. Die Tätigkeit im Senat der Leipziger Universität und bei der antifaschistisch-demokratischen Hochschulreform dagegen war in den schweren Jahren nach dem Krieg gewiss eine umfassende Aufgabe, die den Einsatz der ganzen Person erforderte.

Hervorzuheben ist aber vor allem die Wirksamkeit von Theodor Frings in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Die Zeit des Sekretars in den 30er Jahren war überschattet von den Ansprüchen und Eingriffen des Naziregimes, die seinen Rücktritt 1937 veranlassten. Zwanzig Jahre Präsidentschaft nach der Wiedereröffnung 1948 haben dann Theodor Frings zur Verkörperung des Akademiegedankens werden lassen. Freilich ist die Akademie eine Kongregation von Gelehrten mit eigenem Profil, und die Bedeutung einer Akademie gründet sich auf den Wert jedes einzelnen Mitgliedes. Gerade deshalb aber bedarf sie einer Mitte. Diese hatte Theodor Frings der Sächsischen Akademie nach 1945 gegeben, mit der Ausstrahlungskraft seiner Persönlichkeit, die den Grundgedanken der Bewahrung der Humanität und der Überf&uumuuml;hrung der echten Traditionen in eine neue Gesellschaft durchzusetzen vermochte.

Diese Ziele hat er auch in der praktischen Arbeit der germanistischen Sprachwissenschaft als Direktor des Instituts für deutsche Sprache und Literatur der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin verfolgt. Die Vollendung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm, die Entstehung des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache, der Beginn der Veröffentlichung des Goethe-Wörterbuchs - um nur die wichtigsten Unternehmen zu nennen - haben in aller Welt gebührende Beachtung gefunden. Auch an diesen Werken arbeiteten vorwiegend Schüler von Theodor Frings, und nicht wenige gaben als Arbeitsleiter ihre Leipziger Kenntnisse, Erkenntnisse und Erfahrungen bereits an die nächste Generation weiter.

 

Das Leben eines Gelehrten erfüllt sich in den wissenschaftlichen Werken, die für die nachfolgenden Generationen ihren Wert behalten, von ihnen aufgegriffen und weiter entwickelt werden. Das Leben eines Lehrers und des spiritus rector einer Gelehrtengesellschaft erfüllt sich in dem Weiterwirken seiner Persönlichkeit, in der durch ihn geprägten Gestalt, die lebend sich entwickelt. Theodor Frings ist beides in hohem Maß zuteil geworden. Wir alle, die wir ihm nahe standen, sind durch ihn geformt, sind mit unserem Leben und Wirken ein Stück seines Lebens.

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