Leipzig-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Leipzig-Lese
Unser Leseangebot

Hans-Jürgen Malles
Kennst du Friedrich Hölderlin?

Seine Werke gehört neben denen Goethes und Schillers zu den bedeutendsten der deutschen Klassik, auch wenn sein Leben im Wahnsinn endete. Eine Hinführung zum Verständnis von Hölderlins Persönlichkeit und Werk bietet Deutschlehrer Malles hier. Der Leser erhält Einblicke in ein facettenreiches Leben voller Höhen und Tiefen und darf teilhaben an Hölderlins Begeisterung für die Französische Revolution und die griechische Antike. Auch die Liebe zu Susette Gontard soll nicht unerwähnt bleiben.

Robert Schumann und seine Dichter I

Robert Schumann und seine Dichter I

Prof. Dr. habil. Horst Nalewski

 Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828.
Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828.

Lebenslang wurde ihm Goethe zu seinem Zentral-Gestirn. Fand er doch bei ihm das wortgewordene Wunder im Gedicht u n d, auf die gleiche Höhe gehoben, die Schwesternkunst: die Musik.

Noch in den letzten Jahren seines Lebens notierte Schumann in seinen „Dichter-Garten“ - es sollte eine Anthologie von Äußerungen über Musik in der Weltliteratur seit der Antike werden – diese Goethe-Worte aus dem Eckermann vom 6.März 1831:

In der Poesie ist durchaus etwas Dämonisches, und zwar vorzüglich in der unbewussten, bei der aller Verstand und alle Vernunft zu kurz kommt und die daher auch so über alle Begriffe wirkt. Dergleichen ist es in der Musik im höchsten Grade, denn sie steht so hoch, dass kein Verstand ihr beikommen kann, und es geht von ihr eine Wirkung aus, die alles beherrscht und von niemand imstande ist, sich Rechenschaft zu geben…, sie ist eines der Mittel, um auf die Menschen wunderbar zu wirken.

Als Thomas Mann 1948 in einer Zeitungs-Rundfrage nach seinem „Lieblings-Gedicht“ gefragt wurde, vermochte er nicht, sich sogleich auf e i n e s festzulegen – wem ginge es nicht so? - Doch dann spendete er zwei Eichendorff-Gedichten die Krone und – unser Thema – bindet sie an ihre Vertonung: Die Gedichte Zwielicht und Mondnacht. Sagt zu ersterem: „ Vielleicht würde ich es nicht so lieben, wenn Schumann es nicht so unglaublich genial vertont hätte“, und nennt das zweite: „Die Perle der Perlen“.

Hier der Text von Zwielicht:

Dämmrung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume,
Wolken zieh’n wie schwere Träume -
Was will dieses Grau´n bedeuten?

Hast ein Reh du lieb vor andern,
Laß es nicht alleine grasen,
Jäger zieh’n im Wald’ und blasen,
Stimmen hin und wider wandern.

Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug’ und Munde,
Sinnt er Krieg im tück’schen Frieden.

Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neu geboren.
Manches bleibt in Nacht verloren -
Hüte dich, bleib’ wach und munter!

Harmonische Mehrdeutigkeit im Zwielicht.
Harmonische Mehrdeutigkeit im Zwielicht.


Dem Klischee-Bild deutscher Romantik – das Gedicht erschien 1815 – entsprechen diese Verse gewiss nicht. Sie sprechen vielmehr die dunklen Seiten menschlicher Existenz an. Die es immer gab, die heute jedoch noch bedrängender geworden sind. Das macht die Modernität der Strophen aus. Thomas Mann empfand es so im Jahre 1948. Nur scheinbar verspricht die 4. Strophe Versöhnendes: Was heut müde gehet unter,/Hebt sich morgen neu geboren./ Manches geht in Nacht verloren… - wie einfach, wie gültig gesagt!-- Allein, die letzte Zeile: Hüte dich, sei wach und munter! reißt zurück ins Zwielicht, gar ins Grauen.

Die Einleitung des Klavierparts umfasst schon das ganze Lied, und der Schlussvers ist unheimlich in der Vertonung. Ein Rezitativ, bedrohlich ins Verstummen leitend.

Nun der Text von Mondnacht:

Mondnacht.

Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt’.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Aehren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Man kann das eigentlich nur hören, in einer bildlichen Vorstellung aufnehmen, sodann einzig noch schweigen. Schumann gibt dem Lied keine Tempobezeichnung, sondern stellt allein die Worte „Zart, heimlich“ voran.

Mir waren seit der ersten Begegnung mit diesem Gedicht immer die letzten Worte, dieses: Als flöge sie nach Haus, der Assoziationsraum: Das Vertraute, Schützende, Gemiensame. Für den frommen Eichendorff zieht das Wort wohl „in eine mystische Vereinigung mit der Natur“.

Die Perle der Perlen“, so Thomas Mann.

Es muss Robert Schumann eine schönste Bestätigung seines Schaffens sein, als er im Januar 1847 in Wien, nach einer Matinee, auf der einige seiner Eichendorff-Lieder vorgetragen wurden, vom anwesenden Dichter – auch Grillparzer und Stifter waren zugegen – gesagt bekam: Er habe seinen Liedern erst Leben gegeben. Auch schrieb er beiden Schumanns ins Stammbuch:

Es träumt ein jedes Herz / Vom fernen Land des Schönen./ Dorthin, durch Lust und Schmerz / Schwingt wunderbar aus Tönen / Manch‘ brücke eine Fey --/ O holde Zauberei! Wien, den 20. Januar 1847. / Zur gütigen Erinnerung an Ihren / gantz ergebenen / Joseph Freiherrn v. Eichendorff.“

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Robert Schumann und die Dichter II
von Prof. Dr. habil. Horst Nalewski
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen