Leipzig-Lese

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Der Neue Johannisfriedhof in Leipzig
Hg. Alfred E. Otto Paul.
ISBN 978-3-00-039357-0
Wilhelm His - Anatom und Physiologe

Wilhelm His - Anatom und Physiologe

Alfred E. Otto Paul

Wilhelm His
Wilhelm His

Der am 9. Juli 1831 in Basel geborene Wilhelm His entstammt einer hochangesehenen und wohlhabenden Schweizer Familie, deren Mitglieder höchste Ämter bekleiden. Sein Großvater hat es bis zum Präsidenten des die Eidgenossenschaft regierenden Direktoriums gebracht und auch sein Vater ist neben seiner Tätigkeit als Seidenfabrikant Großrat und Appellationsrat.

Seinem Wunsch entsprechend beginnt Wilhelm His im Jahre 1849 das Studium der Medizin an der Universität von Basel, dem Studienaufenthalte an den Universitäten in Bern, Berlin, Würzburg, Prag und Wien folgen. Zahlreiche bedeutende Wissenschaftler prägen als Lehrer den jungen Wilhelm His, darunter auch Rudolf Virchow, mit dem ihn eine lebenslange herzliche Freundschaft verbinden wird. Nach Abschluss seines Studiums wird His an der Universität von Basel zum Dr. med. promoviert, wo er sich 1856 mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten zur Anatomie und Physiologie auch habilitiert. Bereits ein Jahr später wird er von der Universität Basel zum ordentlichen Professor für Anatomie und Physiologie berufen.

Er heiratet 1858 in Basel Elisabeth, geb. Fischer, deren Familie längst durch Einheiratung in der Familie His verwurzelt ist. In der glückvollen Ehe werden vier Söhne und zwei Töchter geboren. Die Annalen der Universität Basel belegen für 1869 das Rektorat von Wilhelm His.

Als sich im Jahre 1872 die Universität Leipzig um den international hoch geschätzten Prof. Wilhelm His bemüht und den Bau eines zu dieser Zeit modernsten anatomischen Institutes ankündigt, wechselt dieser in gleichem Jahre als ordentlicher Professor für Anatomie an die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, wo er bis 1875 maßgeblich an der Errichtung des Anatomischen Institutes, das als vorbildhaft in ganz Europa gilt, beteiligt ist.

Wilhelm His publiziert in seinem Leben über I80 gewichtige wissenschaftliche Arbeiten, darunter auch das in den Jahren 1880 bis 1885 erscheinende dreibändige Werk zur Anatomie menschlicher Embryonen. Neben vielen wissenschaftlichen Erfolgen bei der Hirnforschung oder der Erforschung des Zentralnervensystems ist aber sein wissenschaftlicher Ruhm auf dem Gebiet der Embryologie so bedeutend, dass er sogar in der bildenden Kunst Beachtung ?ndet. Der Leipziger Bildhauer Carl Seffner erschafft im Jahre 1900 ein marmornes Bildwerk von Wilhelm His, das ihn mit einem menschlichen Embryo in der rechten Hand darstellt.

Nicht unerwähnt soll die von His im Jahre 1895 veröffentlichte >>Anatomische Nomenclatur<< bleiben, die maßgeblich als eine Grundlage für die I907 erscheinende Baseler Nomenklatur >>Nomina anatomica<< gedient hat.

Wilhelm His hat in Leipzig dreimal das Amt des Dekans der Medizinischen Fakultät bekleidet und ist für das Jahr 1882/83 zum Rektor der Universität gewählt worden.

His, der auch Mitglied der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig gewesen ist, hat darüber hinaus einen äußerst verdienstvollen Anteil an der 1886 erfolgten Gründung der Anatomischen Gesellschaft.

Als man sich am Ende des I9. Jahrhunderts im Rahmen der Errichtung der neobarocken Johanniskirche auf dem einstigen Johanniskirchhof auf die Suche nach den Gebeinen des hier am 31. Juli 1750 in einem ungekennzeichneten Almosengrab beerdigten Thomaskantors Johann Sebastian Bach macht, wird als autoritärer Kronzeuge auch der Prof. Wilhelm His eingebunden. Die seitdem bis heute vehement postulierte erfolgsgekrönte Auf?ndung der authentischen Bachgebeine kann sich allerdings keineswegs eindeutig auf die Untersuchungen von Wilhelm His stützen. Als berufener anatomischer Experte hat Wilhelm His, wissenschaftlicher Redlichkeit verp?ichtet, letztlich keine hundertprozentige Sicherheit vermelden können, dass die Gebeine des großen Thomaskantors tatsächlich geborgen worden sind. Und solange ein heutzutage möglicher wissenschaftlicher Beweis nicht erbracht ist, sind hier Zweifel berechtigt.

Grabsteinfindling Wilhelm His. Fotografie 1969.
Grabsteinfindling Wilhelm His. Fotografie 1969.

Wilhelm His stirbt am o1. Mai 1904 im Alter von nahezu 74 Jahren. Beerdigt wird er am o4. Mai 1904 in einem Rabattengrab mit der Bezeichnung 4.A.I7 No.22i in der VI. Abteilung des Neuen Johannisfriedhofes.

Als im darauffolgenden Jahr der Leipziger Bildhauermeister Ernst Prösdorf den Grabstein errichten soll, muss er sich zuvor mit einem Schreiben vom 29. März 1905 im Namen der verwitweten Frau Geheimrat His an den Rat der Stadt Leipzig wenden, um eine Ausnahmegenehmigung für die Errichtung des in seinen Abmessungen zu großen Steines zu erbitten.

Interessanterweise geht aus diesem Schreiben hervor, dass die Hinterbliebenen des Verstorbenen Wilhelm His diesen Felsblock aus der Schweiz haben kommen lassen, sozusagen als eine Reminiszenz an die Heimat.

Das Gesuch des Bildhauers Prösdorf, der sehr wahrscheinlich auch das vertiefte Schriftfeld in den Stein gearbeitet hat, wird genehmigt. Wenngleich durch einen Eintrag des Friedhofsinspektors Kiehm die Errichtung des Grabsteines erst am 18. Mai 1905 vermerkt ist, können wir wohl jedoch davon ausgehen, dass spätestens am o1. Mai, dem ersten Todestag von Wilhelm His, sich der Grabstein bereits auf der Grabstätte befunden hat.

Die Witwe Elisabeth His stirbt 1924, 2o Jahre nach dem Tod des Gatten. Obwohl sie das Grab ihres Mannes 1904 auf 6o Jahre bezahlt und damit einen langen Erhalt der Grabstätte gesichert hat, ist sie zweifelsfrei weder hier noch anderswo in Leipzig bestattet worden.

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