Leipzig-Lese

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Die Päpste als Friedensvermittler

Der Kirchenhstoriker Stefan Samerski stellt die Friedenspolitik und -Arbeit des Heiligen Stuhls in der modernen Zeit heraus.

Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt - ein namhafter Kunsthistoriker

Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt - ein namhafter Kunsthistoriker

Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt und seine Bibliothek
Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt und seine Bibliothek

 1. Name, Vorname, Beruf und Geburtsdatum:

 Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt

Beruf: Kunsthistoriker

Geboren am 18. 02. 1947 in Erfurt

 

 2. Wann waren Sie das erste Mal in Leipzig und wie war Ihr Eindruck?

Am 18. Februar 1965 betrat ich das erste Mal Leipzig. Es war mein 18. Geburtstag. Ich reiste von meinem Heimatort Erfurt nach Leipzig zur Aufnahmeprüfung im Fach Kunsterziehung an der Karl-Marx-Universität. Die Prüfung fand im ehemaligen Amtsgerichtsgebäude in der Bernhard-Göring- Straße statt, wo damals das Institut für Kunsterziehung sein Domizil hatte. In Erinnerung geblieben ist mir mein erster Eindruck von Leipzig als große graue Stadt. Es war neblig und bitterkalt. Zunächst irrte ich etwas herum, schaute mir das alte Universitätsgebäude am damaligen Karl-Marx-Platz und die Paulinerkirche an. Dann fand ich schließlich den Weg zur Aufnahmeprüfung, die ich recht gut bestand. Als ich abends zurückfuhr, wusste ich, dass hier in Leipzig  die Uhren etwas anders als im vergleichsweise beschaulichen Erfurt ticken.
Die Universitätskirche St. Pauli  1957. Foto: Archiv U. u. H. Drechsel
Die Universitätskirche St. Pauli 1957. Foto: Archiv U. u. H. Drechsel

 3. Warum wollten Sie zum Studium nach Leipzig gehen? Welche Fächer belegten Sie und welchen Abschluss erreichten Sie?

Mein Wunsch, Kunsthistoriker zu werden, stand schon seit der 8. Klasse fest. An der Leipziger Universität gab es ein Kunsthistorisches Institut, welches, wie ich freilich erst viel später erfuhr, das zweitälteste in Deutschland nach Bonn ist. Man konnte sich aber damals auf dieses Studium nicht direkt bewerben.Die als „bürgerlich" desavouierte Kunstgeschichte wurde so klein gehalten, dass man zunächst die entsprechende Lehrerfachrichtung - in diesem Fall die Kunsterziehung - belegen musste. Mit viel Glück war es möglich, falls einige Diplomstudiumsplätze im Jahr der Bewerbung genehmigt wurden, nach einer nochmaligen Eignungsprüfung zur Kunstgeschichte zu wechseln. Das musste man aber selbst irgendwie in Erfahrung bringen, denn im Studienführer gab es keinen entsprechenden Hinweis. Ich habe also die die Fächer Kunsterziehung und Geschichte belegt. Nach einem halben Jahr wurde ich mit zwei weiteren Kommilitonen im Fach Kunstgeschichte immatrikuliert. Als Zweitfach wählte ich die Vor- und Frühgeschichte. Dort waren wir insgesamt fünf Studenten, auf die sich Professor Heinz-Arno Knorr mit Wonne gestürzt hat, denn auch die Historiker hatten kaum Studenten im Diplomstudiengang. Bei fünf Studenten im Seminar gab es keinen Vordermann, hinter dessen breiten Rücken man sich verstecken konnte. Jeder war ständig dran; wir haben manchmal gestöhnt, aber viel gelernt. Zum Abschluss hatte Prof. Knorr noch eine große mündliche Prüfung angekündigt. Die Frage „Was wird denn geprüft?" beantwortete er lakonisch mit: „Alles!" Wir haben dann furchtbar gebüffelt. Er empfing uns am Tag der Prüfung mit einem Frühstück, weil wir, wie er sagte, so gute Abschlussarbeiten verfasst haben, dass er auf eine mündliche Prüfung verzichten könne! Das war's. Das Studium war für uns eine glückliche Zeit, es ging eigentlich sehr liberal zu, was das Leben am Institut anbetrifft. Wir waren alle stark motiviert und studierten unsere Fächer mit Lust und mit der nötigen Muße. Im Übrigen waren wir materiell ziemlich anspruchslos, wenngleich wir gern gefeiert haben und reisten, so weit es ging. Überschattet werden die Erinnerungen an das Studium durch die völlig sinnlose und barbarische Sprengung der Universitätskirche 1968. Das war eine elementare Erfahrung, die uns lehrte, wie sich individuelle Ohnmacht gegenüber staatlicher Gewaltausübung anfühlt.

  1. Nach fünf Jahren Tätigkeit an der Bauakademie der DDR in Berlin zog es Sie wieder nach Leipzig. Warum?

1970 schloss ich mein Studium als Diplom-Kunstwissenschaftler ab. Eigentlich sollte ich als Forschungsstudent an der KMU Leipzig bleiben, ging aber lieber nach Berlin, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Architektur und Städtebau der Deutschen Bauakademie zu arbeiten. Das Forschungsprojekt, an dem ich mitwirkte, war eine Publikation zur Geschichte der Architektur und des Städtebaus in der DDR. Dieses ehrgeizige Projekt wurde nicht verwirklicht, weil es unter derart strenger ideologischer Kontrolle stand und so viele Instanzen sich einmischten, dass am Ende die ganze Sache stillschweigend ad acta gelegt wurde. Wovon ich, rückblickend betrachtet, wirklich profitierte, waren die Kontakte mit vielen im Institut arbeitenden Architekten und Planern, die mir die Augen für eine erweiterte Sicht auf die Architektur öffneten. Nach fünf Jahren fühlte ich, dass es Zeit für eine neue Tätigkeit wurde, wenn ich nicht in einer beruflichen Sackgasse enden wollte. So nahm ich 1975 ohne lange zu zögern die Chance einer Rückkehr an die Leipziger Universität wahr und bewarb mich auf die zunächst befristete Stelle eines Assistenten am Fachbereich Kunstwissenschaft. Ich habe diese Entscheidung nie bereut. Als sogenannter „Praxiskader", der zumindest für einige Zeit dem Treibhausklima der Universität entronnen war, besaß ich die innere Unabhängigkeit zu tun, was ich für richtig und machbar hielt. Eigentlich wollte ich, frustriert durch die Erfahrung mit der Bauakademie, die DDR-Baugeschichte nicht weiter verfolgen. Aber mein Doktorvater und Vorgesetzter Prof. Ernst Ullmann riet mir dringend, an dem damals in Kunsthistorikerkreisen als exotisch angesehenen Thema zu bleiben, weil ich in der Lehre so viel neue Dinge zu bewältigen hätte, dass ich froh sein würde, einen solide Materialbasis für eine Dissertation bereits zu haben. Außerdem würde mir hier auf der Universität niemand reinreden, da das Thema keinen besonders interessiere. So kam es dann auch. Ich war jedenfalls der erste Kunsthistoriker in der DDR, der sich mit diesem Forschungsgegenstand ernsthaft auseinandersetzte. Ich bin auch mit meiner 1985 abgeschlossenen Dissertation B bei der DDR-Architektur- und Städtebaugeschichte geblieben und habe diese Arbeit 1987 im Leipziger Seemann-Verlag publizieren können.

 

5. Welche Beachtung erfuhren Ihre Arbeiten zur DDR- Baugeschichte in der BRD?

Während das 1987 erschienene Buch "Städtebau in der DDR 1955-1971" in der DDR selbst kaum zur Kenntnis genommen wurde, erregte es unter den mit der deutschen Nachkriegsbaugeschichte befassten Fachleuten in der BRD durchaus Aufmerksamkeit. Das erfuhr ich, als ich in den 1980er Jahren als Referent zu verschiedenen Tagungen und zu Vorträgen nach Braunschweig, Köln, München, Stuttgart, Wolfenbüttel und anderen Orten in der BRD eingeladen wurde. Daraus haben sich sehr fruchtbare Arbeitskontakt ergeben, die nach der Wende 1989/90 voll zum Tragen kamen.

Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt vor der Peter-Pauls-Kirche in Lutherstadt Eisleben
Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt vor der Peter-Pauls-Kirche in Lutherstadt Eisleben

 6. Eigentlich sind Sie Thüringer. Warum blieben Sie 45 Jahre in Leipzig?

In der DDR war es ganz schwierig, eine angemessene Wohnung zu bekommen, deshalb blieb man in der Regel an dem Ort, wo man eine gute Arbeitsstelle und eine Wohnung gefunden hatte. Aber abgesehen davon war Leipzig für meine Frau und für mich der Ort unserer Wahl. Hier gab es mehr kulturelle Angebote als in den meisten anderen Städten, auch sagte uns der Rhythmus des Lebens in Leipzig mehr zu als die Berliner Hektik. Als gebürtigem Thüringer stand und steht mir noch immer die sächsische Mentalität weitaus näher als die brandenburgisch-preußische.

 

  1. Die Stadt Leipzig hat eine reiche Architekturgeschichte. Welches Gebäude-Ensemble oder Gebäude gefällt Ihnen besonders? Warum?

 

Ich liebe alle baulichen Facetten der Stadt, ob es sich nun um die Baukultur der Gründerzeit und der Moderne, um die Nikolaikirche und die Thomaskirche oder um die wenigen noch erhaltenen Zeugnisse der Leipziger Barockbaukunst handelt. Trotz der schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und weiterer unwiederbringlicher Verluste an historischer Bausubstanz zu Zeiten der DDR bilden das Leipziger Stadtzentrum und die nahen Vorstädte noch heute ein urbanes Ganzes, wie es in diesem Umfang und dieser baulichen Qualität nur in wenigen anderen deutschen Großstädten zu finden ist. An solitären Bauten möchte ich nennen: das Alte und das Neue Rathaus, das ehemalige Reichsgerichtsgebäude und die Bibliotheca Albertina im Musikviertel, das Völkerschlachtdenkmal, die Passagenlandschaft der einstigen innerstädtischen Messehäuser, den Hauptbahnhof, das Opernhaus, das Hauptpostgebäude und das Neue Gewandhaus am Augustusplatz und den Baukomplex der Neuen Messe. Das sind aber längst nicht alle Bauten, die in eine solche Aufzählung gehören.

 8. Was macht Ihnen in der Stadtbauentwicklung Leipzigs Sorgen?     

Meine Sorgen sind vor allem denkmalpflegerischer Art. Leipzig darf nicht das Profil verlieren, das es seit 1990 schrittweise wieder gewonnen hat. Zu den krassesten Bausünden der letzten  zehn Jahre gehören der Abriss der Kleinen Funkenburg, die Überformung und rigorose Entkernung einiger der bedeutendsten innerstädtischer Messehäuser (Petershof, Messehaus am Markt, Messehofpassage) und eine belanglose Investoren-Architektur in unmittelbarer Nachbarschaft wertvoller Baudenkmäler.

9. Im März 2012 gingen Sie in den Ruhestand. Sie werden sicher die Vorzüge dieses Status genießen, aber was vermissen Sie?

Momentan vermisse ich eigentlich nichts, denn ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh, den Mühlen des nur auf dem Papier funktionierenden, überregulierten Betriebs der Bachelor- und Masterausbildung sowie der in kräftezehrenden Bürokratismus ausufernden akademischen Selbstverwaltung entronnen zu sein. Das betrifft nicht die Lehre an sich, denn diese rangierte für mich stets gleichwertig mit der Forschung. Ich habe es immer als ein Privileg betrachtet, ein ganzes Berufsleben lang mit jungen Menschen zu arbeiten und ihnen als Hochschullehrer etwas vermitteln zu können. Nach einer Lehrtätigkeit von insgesamt 36,5 Jahren kann ich jetzt ohne Probleme loslassen. Da die wissenschaftliche Arbeit bei Kunsthistorikern nicht von teuren Apparaturen, sondern von gut ausgestatteten Bibliotheken, vom ungehinderten Zugang zu den Archiven und vom Studium der originalen Kunstwerke abhängt, steht dem selbstbestimmten Forschen - eine leidliche Gesundheit vorausgesetzt - nichts im Wege. Außerdem kann ich jetzt meine musischen Interessen noch intensiver pflegen.

 

10. Sie haben mehrere Bücher geschrieben bzw. herausgegeben. Welche waren Ihrer Meinung nach die wichtigsten?

An größeren Arbeiten möchte ich in einer Auswahl nennen:

Städtebau in der DDR 1955 - 1971, Leipzig 1988; Stadtdenkmale in Ostdeutschland (Fotos von Bertram Kober), Leipzig 1994; Wohnen und Städtebau in der DDR, In: Ingeborg Flagge (Hsg.): Geschichte des Wohnens, Bad 5, Stuttgart 1999; Hsg. mit Hartmut Zwahr und Günter Bentele: Leipzigs Messen 1497-1997, 2 Bde. Köln/Weimar/Wien 1999; Hsg. mit Holger Barth: Vom Baukünstler zum Komplexprojektanten. Architekten in der DDR. Erkner 2000; Hsg. mit Claus Baumann: Kunst im Bau. Leipzig 2003; Hsg. mit Michaela Marek: Geschichte der Universität Leipzig, Band 5, Geschichte der Leipziger Universitätsbauten im urbanen Kontext, Leipzig 2009.

 

11. Beabsichtigen Sie noch ein Buch zu schreiben?

 

Es gibt derzeit keine konkreten Pläne, ein dickes Buch zu schreiben. Ich konzentriere mich auf kleinere Publikationsprojekte wie Aufsätze und Referate für diverse Kolloquien. Außerdem habe ich noch einen ziemlich großen Berg von Gutachten für Magisterarbeiten und Dissertationen abzutragen und betreue derzeit noch 12 Doktoranden. Ein größeres Vorhaben ist die Arbeit als Mitautor am Band 4 der Geschichte der Stadt Leipzig, zu dem ich einen Beitrag über die Leipziger Architektur- und Stadtplanungsgeschichte 1945 - 1989 schreiben werde.

12. In welchen wissenschaftlichen Vereinigungen und Fachgremien sind Sie weiter tätig?

Ich bin Mitglied

  • der Klasse Baukunst der Sächsischen Akademie der Künste

  • der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung

  • der Historischen Kommission und der Kommission für die Kunstgeschichte Mitteldeutschlands an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

  • des wissenschaftlichen Beirats zur Vorbereitung der von der Stadt Leipzig herauszugebenden Geschichte der Stadt Leipzig 1015-2015

  • des Beratungsgremiums für das „Studium universale" an der Leipziger Universität

  • der Jury des Architekturpreises der Stadt Leipzig.

13. Welches Buch, ganz privat, würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?

Wenn es ginge, würde ich meine ganze Bibliothek mitnehmen. Falls es nur eines sein darf: „Der Stechlin" von Theodor Fontane liegt mir sehr am Herzen.

14. Was wünschen Sie Ihrer Wahlheimat, der Stadt Leipzig?

Ich wünsche, dass sich Leipzig weiterhin gedeihlich entwickeln und dabei seinen besonderen urbanen Charme bewahren möge.

Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt ist am 06.12.2021 in Leipzig verstorben.

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Das Interview führte Ursula Brekle
Der Bertuch Verlag dankt für die Fotos, die der Sohn Matthias Topfstedt für das Interview seines Vaters zur Verfügung gestellt hat. Die Cover der Bücher sind mit freundlicher Genehmigung der Verlage veröffentlicht.
Nikolaikirche und Nikolaikirchhof
Nikolaikirche und Nikolaikirchhof
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Das Deckengemälde von  Adam Friedrich Oeser in der Nikolaikirche
Das Deckengemälde von Adam Friedrich Oeser in der Nikolaikirche
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Das  Neue Rathaus
Das Neue Rathaus

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Das Bundesverwaltungsgericht
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Das Neue Gewandhaus. Foto: W. Brekle
Das Neue Gewandhaus. Foto: W. Brekle
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Die Thomaskirche
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Ein kostbarer spätgotischer Flügelaltar aus der Zeit um 1500, der vor der Sprengung aus der Universitätskirche gerettet werden konnte, schließt den Altarraum in der Thomaskirche ab.
Ein kostbarer spätgotischer Flügelaltar aus der Zeit um 1500, der vor der Sprengung aus der Universitätskirche gerettet werden konnte, schließt den Altarraum in der Thomaskirche ab.
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Die Oper vom Schwanenteich aus gesehen
Die Oper vom Schwanenteich aus gesehen
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Alle Fotos der Favoriten, mit einer Ausnahme, stellten für dieses Interview Ursula und Hans Drechsel in freundlicher Verbundenheit mit Prof. (em.) Dr. phil. habil. Thomas Topfstedt zur Verfügung. Der Bertuch Verlag dankt.
Das Neue Gewandhaus hat Wolfgang Brekle fotografiert.
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