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Die verlassene Schule bei Tschernobyl - Lost Place

Nic

Am 26. April 1986 kam es im Atomkraftwerk Tschernobyl zu einer der schlimmsten Nuklearkatastrophen. Die freigesetzte Radioaktivität entsprach dem zehnfachen der Atom-Bombe von Hiroshima 1945. Erst drei Tage später wurde die 3 km entfernte Stadt Prypjat evakuiert und alle Bürger mussten ab 14 Uhr "vorübergehend" ihren Wohnort verlassen. Seither ist die Mittelschule der Stadt verwaist.

30 Jahre Leerstand hinterlassen Ihre Spuren. Doch genau die machen den Ort sehenswert. Der Großteil der Mittelschule ist in einem unberührten Verfallszustand. Die Wände verlieren ihre Farbe, die alten Schulbücher erinnern an den einstigen Schulalltag. Das Heft zeigt Klassenräumen, Flure, die Turnhalle und die große Schulaula.

Das Heft bietet in der Mitte ein doppelseitiges Poster.

ISBN: 978-3-86397-121-2

Preis: 3,00 €

Mommsen: „Ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität“

Mommsen: „Ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität“

Friedrich Ekkehard Vollbach

Mommsens wissenschaftliches Lebenswerk umfasst etwa 1500 Studien und Abhandlungen zu unterschiedlichen Themen. Dazu kommen Briefe und andere schriftlichen Hinterlassenschaften.

Das schriftliche Fixieren von Gedanken und Wörtern war zu seiner Zeit eine noch sehr zeitaufwendige Angelegenheit, denn Mommsen schrieb, wie damals nur möglich, anfänglich mit dem Gänsekiel, später benutzte er einen Federhalter mit Goldfeder. (Ein brauchbarer Füllfederhalter wurde ja erst 1884 in den USA erfunden.) Eine Schreibmaschine wie die seit 1865 auf dem Markt befindliche „Schreibkugel" benutzte er nicht.

Von seinen zahlreichen Werken und Editionen seien hier nur folgende erwähnt:

- Römische Geschichte (das Werk wurde bereits oben ausführlich beschrieben)

- Corpus inscriptionum Latinum - eine umfassende Sammlung antiker lateinischer Inschriften,

die zur Zeit 17 Bände umfasst mit 180.000 Inschriften, 1868 von Mommsen angeregt. Er selbst

erarbeitete 5 Bände

- Römische Staatsrecht, 3 Bände 1871 - 1888

- Römische Forschungen, 2 Bände 1871 - 1885

- Das Römische Strafrecht 1899

- Herausgeber des Corpus Iuris Civilis

- Herausgeber des Codex Theodocianus

- Edition der Schriften der Kirchenväter

Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Institutes. Re mit Zylinder A. von Harnack. Bild:Bundesarchiv, Bild 183-R15350 / CC-BY-SA
Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Institutes. Re mit Zylinder A. von Harnack. Bild:Bundesarchiv, Bild 183-R15350 / CC-BY-SA

 

Für seine wissenschaftlichen Leistungen und für sein Lebenswerk wurde Mommsen hochgeehrt:

Im Jahre 1868 verlieh man ihm den Orden Pour le merite für Wissenschaften und Künste, auf den er stolz war.

1902 erhielt der Jurist Mommsen als erster Deutscher den Literaturnobelpreis für einen Geschichtsbeitrag mit der Begründung: der Preis wird ihm „als dem gegenwärtig größten lebenden Meister der historischen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes „Römische Geschichte"" verliehen.

Als ihm zu seinem 80. Geburtstag der Titel Exzellenz verliehen werden sollte, lehnte er das strikt ab,

da er von altersbedingten Titeln nichts hielt.

Die Universität Greifswald verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Mommsen war Ehrenbürger der Stadt Berlin und der Stadt Rom, Mitglied verschiedener Akademien der Wissenschaften, unter anderem der sächsischen Akademie der Wissenschaften , der ungarischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Aus der Societe nationale des Antiquarires de France wurde Mommsen 1870/71 ausgeschlossen, da er zum Ärger der Franzosen für die Annexion Elsass - Lothringens durch Deutschland plädiert hatte.

Ungleiche Freunde

Adolf von Harnack. Bild via Wikimedia Commons, gemeinfrei.
Adolf von Harnack. Bild via Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Wie seine Tochter berichtet, war Mommsen ein sehr geselliger Mensch. Er nahm gern an Gesellschaften teil. Es gab „Zeiten, in denen er fast täglich eingeladen wurde". 1

An Musik hat er allerdings wenig Freude. Wenn bei einer Gesellschaft längere Zeit Musik gemacht wurde, konnte er sehr unwillig reagieren. War er zu einer Abendgesellschaft eingeladen, in der auch musiziert wurde, dann sorgten die Gastgeber dafür, dass Mommsen sich mit einem Gesprächspartner in einen Nebenraum verziehen konnte.

Wie im Buch der Tochter nachzulesen ist 2, gelingt es ihm auch in späteren Jahren immer wieder, neue Freunde zu gewinnen. Einer dieser Freunde war Adolf von Harnack (1851 - 1930).

Diese Freundschaft ist aus mehreren Gründen sehr erstaunlich, denn beide waren in mancherlei Hinsicht grundverschieden.

Allein schon der Altersunterschied zwischen beiden betrug mit 34 Jahren den einer Generation.

Mommsen, ein „antignostisches Urgestein", steht dem christlichen Glauben und der Kirche ablehnend gegenüber.

Harnack ist ein „überzeugter liberaler Kulturprotestant".3

Im Gegensatz zu Mommsen gehörte Harnack nie einer Partei an und war an einer Mitgliedschaft im Reichstag nicht interessiert. Er sucht vor allem den überparteilichen Konsens.

Aber beide sind Bildungsbürger von hohem Niveau und geniale Forscher, die mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden ihre Forschungen betreiben.

Und jeder ist von der wissenschaftlichen Arbeit des anderen fasziniert.

Beide sind übrigens, wie man heute sagen würde, Bestsellerautoren (die „ Römische Geschichte" von Mommsen und „Das Wesen des Christentums" von Harnack).

Sie fühlen sich als moderne Historiker mit Leib und Seele der historisch kritischen Forschungsmethode verpflichtet. Die historisch kritische Methode wurde im 19. Jahrhundert mehr und mehr zur Grundlage der Erforschung historischer Schriften (Quellen). Mit Hilfe dieses Verfahrens untersucht man wissenschaftskritisch die zu bearbeitenden historischen Texte. Man analysiert diese, prüft deren Echtheit, sucht nach Textvarianten, vergleicht ähnliche Texte miteinander, sucht nach der ursprünglichen Lesart oder unternimmt es, die ursprüngliche Lesart zu rekonstruieren. Auf diese Weise erhält man ein Textmaterial, das Grundlage wissenschaftlich fundierter Interpretationen ist.

Mommsen beherrscht die historisch kritische Methode wie kein zweiter.

1

A. Mommsen, a.a.O., S. 37

2

A. Mommsen, a.a.O., S. 38

3

R. vom Bruch, Mommsen und Harnack, in: Th. Mommsen, Wissenschaft und Politik im 19. Jh

Herausgg. Von A. Demandt, A. Goltz u. H. Schlange - Schönigen, 2005, S. 121f

Er befürwortet 1890 die Aufnahme des Theologen Adolf von Harnack als ordentliches Mitglied in die Berliner Akademie der Wissenschaften. Ein Jahr später gründen Mommsen und Harnack die sog. Kirchenväterkommission.

Im gleichen Jahr sind sie die Gründer einer Publikationsreihe über griechische christliche Schriftsteller.

Ab 1892 bezeichnet Mommsen den so viel jüngeren Harnack als „ werten Freund".

Durch Harnack lernt Mommsen Theologie in einer Art und Weise kennen, die ihm völlig neu war und ihn beeindruckte. Aber trotz der Freundschaft mit dem geschätzten Freund und Theologen findet Mommsen keinen Zugang zu theologischen Fragen und schon gar nicht zum christlichen Glauben.

Der 83 jährige Mommsen hält am 17. Mai 1901 zu Harnacks 50. Geburtstag die Laudatio.

Aber die Freundschaft zwischen Mommsen und Harnack beeinträchtigt das Verhältnis Mommsens zu seinem Schwiegersohn Ulrich von Milamowitz - Moellendorff (1848 - 1931), dem später führenden Vertreter der klassischen Philologie im 20. Jahrhundert. 1878 heiratete dieser die 23 jährige Maria Mommsen.    

 

Das anfänglich recht gute Verhältnis zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn verschlechtert sich mit den Jahren mehr und mehr. Das lag sicher zum einem an dem wachsenden Selbstbewusstsein des anerkannten Philologen Milamolwitz - Moellendorff, aber auch an den grundverschiedenen politischen Ansichten beider.

So schreibt Mommsen an Lujo Brentano: „Mein sonst höchst trefflicher Schwiegersohn Professor von Wilamowitz gehört zwar nicht zu der agrarischen Gaunerbande, die jetzt auf Raub auszieht, aber ist keineswegs mit mir gleicher politischer Gesinnung."

Und von Wilamowitz - Moellendorf an Walter Jaeger:

„Ich glaube, Sie legen der politischen Stellung Mommsens viel zu viel Gewicht bei. Natürlich hat er die Stimmung des 48ers bewahrt, wie er immer die Formen seiner Jugendverse beibehielt. Er war für alle wirtschaftlichen und eigentlich für alle sozialen Dinge unempfänglich, hatte nur ein altes Credo."

Und v. Wilamowitz, der gern Harnacks Stellung als Intimus bei Mommsen eingenommen hätte, macht diesem den Vorwurf, Mommsen gar nicht richtig zu kennen.

Er raunt von Schattenseiten des Gelehrten, die er nicht benennen könne, solange dessen Kinder leben. 1

1

nach: Willamowitz nach 50 Jahren, herausgeg. von W. M. Calder III, H. Flasher und T. Lindken, Darmstadt,

1985 S. 31 - 55

Finis

Als seine Kräfte abnehmen, denkt Mommsen oft auch über Leben und Sterben nach. Depressionen sind ihm nicht unbekannt. Johann Rists (1607 - 1667) Choral „O Ewigkeit, du Donnerwort, o Ewigkeit, Zeit ohne Not..." (seit 1727 eine der Kirchenkantaten Bachs) fasziniert ihn.

Auf seinem Sterbebett verfügt er, dass zu seiner Beerdigung allein Harnack sprechen soll.

Theodor Mommsen verstirbt zwei Jahre vor seiner Frau am 1. November 1903 in Charlottenburg und wird auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in der Kreuzberger Bergmannstraße beerdigt.

Harnack schildert seinen alten Freund in der Grabrede als schwierigen und widersprüchlichen Mann, der äußerst schroff und verletzend, aber auch sehr sensibel und zärtlich sein konnte.

In der Rede zu seinem 50. Doktorjubiläum (1893) urteilte der gefeierte Gelehrte über sein Lebenswerk zurückhaltend und bescheiden:

„ Es ist mir beschieden gewesen, an dem großen Umschwung, den die Beseitigung zufälliger und zum großen Teil widersinniger, hauptsächlich aus den Fakultätsordnungen hervorgegangener Schranken in der Wissenschaft herbeigeführt hat, in langer und ernsthafter Arbeit mitzuwirken..."1

1

J. Kuczynski, Th. Mommsen - Porträt eines Gesellschaftswissenschaftlers, Studien zur Geschichte der

Gesellschaftswissenschaft, Bd. 9, Berlin 1978, S. 260

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