.. so oder so ähnlich kann ein Studientag im Leben eines Studenten der Rechtswissenschaft im Sommersemester 1850 ausgesehen haben. Mit der eigens entwickelten Datenbank des Projektes der Universitätsbibliothek >>Vorlesungsverzeichnisse als Quellen disziplinär organisierter Wissenschaft. Die Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Fächer an der Universität Leipzig 1814/15 - 1914<< lässt sich die Geschichte der Alma mater ganz konkret nachvollziehen. >>Einzelne Fächerkarrieren können detailliert rekonstruiert werden«, sagt Projektleiter Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider. Dabei gibt es aus heutiger Sicht so manche Kuriositäten zu entdecken: In der Medizin wurden bis in die 1860er Jahre Lehrveranstaltungen >>über die Krankheiten der Weiber<< angeboten, etwas zur >>Kultur der Hackfrüchte<< konnte man regelmäßig im Rahmen der Pflanzenbaulehre hören und auch Reiten und Tanzkultur standen für die Studierenden auf dem Plan.
Das 19. Jahrhundert war für das Projekt von besonderem Interesse, da die Universität in dieser Epoche zeitweise die größte Hochschule im Deutschen Reich war. Über 70.000 Lehrveranstaltungen aus 1000en von Seiten haben die Projektmitarbeiter Frank Fischer und Tobias Grave sowie Hilfskräfte und externe Partner für die Datenbanktechnik seit 2007 erschlossen. In dem DFG-geförderten Projekt wurden anhand der bereits eingescannten Verzeichnisse die Daten erhoben, zusammengestellt und kontextualisiert. >>Im 19. Jahrhundert gab es zwei Neuerungen«, erzählt Grave. >>Bisher waren die Verzeichnisse immer auch in lateinischer Sprache erschienen, jetzt lösten ihre deutschsprachigen Ausgaben die lateinischen endgültig ab. Und die Disziplinen wurden stärker in den Mittelpunkt gerückt. Es wurden nicht mehr die Professoren als Mitglieder ihrer Fakultäten repräsentiert, sondern eine Sachordnung tritt in den Vordergrund.«
Mit Hilfe der Datenbank kann nicht nur die Geschichte der Fachgebiete, sondern auch die Entwicklung der Fakultäten erschlossen werden. Insbesondere die Philosophische und die Medizinische Fakultät haben sich stark vergrößert, Geistes- und Naturwissenschaften wurden differenzierter. >>Neue Bereiche waren anfangs Teilgebiete der alten Fächer. Zum Beispiel wurde das Musikwissenschaftliche Seminar erst 1908 gegründet. Zuvor gab es jedoch schon einschlägige Veranstaltungen, die im Bereich der Philosophie zu finden waren«, beschreibt Fischer.Wer sich für die Lehre einzelner Professoren interessiert, kann dank der ausführlichen Suchfunktion fündig werden. So lassen sich beispielsweise Aussagen treffen über den Philosophieprofessor Wilhelm Wundt, die Lehre des Hirnforschers Paul Flechsig oder die Veranstaltungen des Nobelpreisträgers für Chemie, Prof. Wilhelm Ostwald. Aber auch die nicht professoralen Dozenten an der Universität sind in der Datenbank aufgeführt. Es kann auf die Veranstaltung genau recherchiert werden, welche Lektoren hier zum Beispiel aus Frankreich tätig waren.
Die Datenbank ist auf der Website http://histvv.uni-leipzig.de zu finden. Hier sollen zudem Diagramme und Listen erscheinen, um die Daten unter jenen Blickwinkeln darzustellen, aus denen sie für die Universitätsgeschichte bedeutsam sind.