„Trimmel hat regelrecht Angst, als er da an der Autobahn-Tankstelle Merseburger Straße steht und auf das Taxi wartet, das ihn nach Leipzig bringen soll: Er hat sich nicht an die Spielregeln gehalten. Zu allem Überfluss steht auf der anderen Seite der Tankstelle ein Volkspolizei-Wagen, und zum ersten Mal hat der Polizist Trimmel Angst vor der Polizei.“ 29. November 1970, 20 Uhr 15, ARD: Zum ersten Mal rennen zur Klaus-Doldinger-Musik Beine auf nassem Asphalt, über die sich die Papillarlinien eines Fingerabdrucks schieben. Dann das Auge, Fadenkreuz und das Logo: Tatort. Ein neues TV-Zeitalter hatte begonnen. Autor Friedhelm Werremeier hatte für den NDR eine deutsch-deutsche Kriminalgeschichte ersonnen, die Realitäten widerspiegelte. „Im Osten wird ein totes Kind neben der Autobahn gefunden. Hauptkommissar Trimmel von der Hamburger Kripo wittert Unrat und entdeckt – etwas außerhalb der Legalität – Zusammenhänge mit einem lebendigem Kind im Westen.“ So setzte sich der Kommissar freiwillig und ohne Auftrag ins Taxi nach Leipzig.
Trimmel handelt eigenmächtig, keinem Vorgesetzten erklärt er seinen Plan, und wenn’s herauskommt, „so erfuhr Trimmel erschauernd, wird ein normales Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, das mit einer Verwarnung enden kann, die in die Personalakten kommt, das mit einem Verweis, verbunden mit einer Geldbuße, oder sogar …“ Wissentlich verstößt der Kommissar gegen Gesetze und Dienstvorschriften und machte den TV-Film zur Legende wie den Hauptdarsteller Walther Richter. Die Kritik war wenig begeistert: „Im ganzen bietet der Anfang der Serie mehr eine Variante von Bekanntem als etwas Neues.“ Die Meinung hat man revidiert, besitzt doch der alte Film all jene Tugenden, die gegenwärtig den meisten TV-Tatorten fremd: nachvollziehbare Story, lebendige Charaktere, stringente Dramaturgie und eine Handlung, die das Leben zeigt, wie’s ist. Manche Details in Roman und Fernsehfilm hat Werremeier wahrlich recherchiert, ganz so wie’s im Osten war: Sag mir, wo du stehst singt’s im Autoradio. Radeberger wird nur am Tresen im Interhotel ausgeschenkt. „Fahren Sie zum Wilhelm-Leuschner-Platz?“ fragt der Kommissar den Schaffner der Linie 14, der kann da nur nicken und der westdeutsche Hauptkommissar entsteigt der Straßenbahn im Stadtzentrum, dann fuhr er weiter mit der Linie 28. Und „da steht er nun in Markkleeberg, um einige Erfahrungen reicher“. Ja, so war’s. Solche Realitätsnähe scheint heutigen Tatort-Folgen (meist) fremd: Al-Kaida-Schläfer und Perverse aller Orten. Ballernde Kommissare, die Schablonen und keine Menschen im Polizeidienst sind. In den Tatort schaffte es Leipzig tatsächlich am 2. Januar 2000. Die Kommissare Ehrlicher und Kain zogen aus Dresden zum Einsatz in Leipzig. „So doof, wie sich’s der Zuschauer dümmstens denkt, so klärt sich’s auch.“ Diesem Verbrechen folgten weitere mit dem Team Saalfeld und Keppler. Die hat man wegen schwacher Leistung vom Dienste suspendiert. Auch Tatort Nr. 1.000 führte per Taxi nach Leipzig – und blieb keinem im Gedächtnis. Weiland gelang Hauptkommissar Trimmel die Überführung des Täters, weil ein Kind in Frankfurt sächsisch spricht. Der Akzeptanz unseres Dialekts hat’s wenig geholfen: Der sächsische ist und bleibt der unbeliebteste des Landes.