Hiltrud Sülzer wurde im
Oktober 1889* als Tochter des Seminaroberlehrers Robert Posern in
Grimma geboren. Sie heiratete Dr. Max Dan Zülzer, einen am Amts- und
Landgericht Leipzig tätigen jüdischen Rechtsanwalt und Notar. In
der glücklichen Ehe wurden 1916 der Sohn Hans und 1921 die Tochter
Gabriele** geboren.
Bald aber legte sich der große
Schatten über die Familie – am 8. Januar 1923 starb Hiltrud Zülzer
im Leipziger Krankenhaus St. Jakob. Eine Hirnblutung beendete ihr
erblühendes Leben im Alter von erst 33 Jahren.
Vermutlich
wurde sie am 14. Januar im Hain des Südfriedhofes Leipzig beerdigt
und ein „bekannter Leipziger Bildhauer“, so die Erinnerung einer
Enkelin, wurde mit der Schaffung des Grabmales beauftragt, welches
mit Sicherheit noch im gleichen Jahr über ihrem Grabe errichtet
wurde.
Wer
genau dieser Bildhauer war, ist uns leider nicht überliefert, und
eine Zuschreibung wäre reine Spekulation.
Der Autor ist sich hinsichtlich der Authentizität des zwei Meter hohen Grabmales unsicher, neigt aber zu der Annahme, dass der heutige 25 Zentimeter hohe Betonsockel, den man mit zwei Zentimeter starken geschliffenen Granitplatten verblendet hat, Ergebnis einer Grabmalveränderung um das Jahr 1983 ist.
In dieser Zeit wurde wohl auch die beschriftete Tafel aus poliertem, schwarz-schwedischen Granit in das eigentliche Grabmal eingearbeitet, wo ursprünglich nur der Name der hier beerdigten Hiltrud Zülzer stand.
Der Künstler hat die Oberfläche des gänzlich aus Kalkstein gefertigten Grabmales flächig mit dem Spitzeisen behauen, dann aber aus dem Stein erhaben das eindrucksvolle Bildnis der lebensfrohen Ehefrau und Mutter gearbeitet. Zwischen der groben Oberfläche des Grabmales und dem geschliffenen bearbeiteten Bildnisrelief entsteht eine atmosphärische Spannung, die letztlich wohl auf die Tragik des so frühen Todes der Hiltrud Zülzer verweisen soll.
Dem auf dem Grabmal genannten Dr. Max Zülzer konnte hier nicht die letzte Ruhestätte bereitet werden. Er hatte sich nach dem Tod seiner Frau wieder verheiratet, und zwar mit der Jüdin Zilla Ollendorf. Im Rahmen der nationalsozialistischen Judenverfolgung wurde Dr. Max Zülzer gemeinsam mit seiner zweiten Frau Zilla am 18. Juni 1943 von Leipzig in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo am 23. Mai 1944 sein Leben im Alter von 58 Jahren endete. Seine Ehefrau Zilla Zülzer wurde am 16. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert, wie die erhaltenen Transportlisten aus Theresienstadt belegen. In der Hölle von Auschwitz endete ihr Leben. Sie gilt seitdem als verschollen.
Hans Zülzer, der im Jahre 1916 geborene Sohn der Eheleute Dr. Max Zülzer und Hiltrud Zülzer, wurde 1994 hier im Grabe seiner Mutter bestattet. Seitdem pflegt seine Tochter liebevoll diesen Ort der letzten Ruhe, obwohl dieser mehrfach geschändet wurde.
Nachdem
die kupferne Bedachung des Grabmales von Buntmetalldieben demontiert
und gestohlen wurde, hat die erwähnte Tochter vom Kupferschmied
Wetzel eine originalgetreue Nachbildung fertigen lassen, die dann
aber sehr bald von Dieben wiederum vom Grabmal gerissen wurde.
Danach
hat sie ein zweites Mal vom selben Kupferschmied die Bedachung
erneuern lassen, um das Grabmal samt Grabstätte vorbildlich für die
Nachwelt zu bewahren und das Andenken an ihre Vorfahren zu ehren.
* Das auf dem Grabmal eingearbeitete Geburtsjahr 1890 ist falsch.
** Die Tochter Gabriele starb vor einigen Jahren in England; sie hat testamentarisch bestimmt, ihre Asche für immer dem Meer zu übergeben.
Bildnachweis:
Abb. 1 Archiv Alfred E. Otto Paul
Abb. 2 Archiv Ursula Drechsel und Hans Drechsel†, Markranstädt
Abb. 3 Archiv der Historischen Abteilung der Gedenkstätte Thresienstadt