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FLECHTWERK - Lebebendige Nachbarschaft und Integration

Die Deutschen sind ofener geworden und haben gleichzeitig mehr Sinn für Heimat, Familie und Nachbarschaft entwickelt. Es müssen neue Wege gesucht werden, um Ausgrenzung und Anonymität zu verhindern.

Das Grabmal der Arzt-Ehefrau Elise Michael

Das Grabmal der Arzt-Ehefrau Elise Michael

Alfred E. Otto Paul

Das Grabmal Elise Michael.
Das Grabmal Elise Michael.

Am letzten Tag des Maimonats 1933 starb am Abend 9.45 Uhr im Leipziger Städtischen Krankenhaus St. Jacob die Ehefrau des Arztes Dr. med. Otto Michael. Elise Michael, eine gebürtige Wienerin, war erst 48 Jahre alt, als sie abberufen wurde aus dieser Welt.

Die Ursache ihres so zeitigen Todes wird nirgends erwähnt – weder die Unterlagen in der Kanzlei des Südfriedhofes oder das Einäscherungsregister des Krematoriums geben uns Nachricht. Auch die Sterbeurkunde des Standesamtes enthält keinen Hinweis. Eigenartig ist auch, dass ihr Tod nicht, wie allgemein üblich, in der Tageszeitung „Leipziger Neueste Nachrichten“ vermeldet wurde; selbst eine Danksagung fand sich dort nicht.

 

Am 05. Juni 1933 hatte der verwitwete Dr. Otto Michael im Urnenhain des Südfriedhofes das Rabattengrab No. 338 in der XXIII. Abteilung erworben, am nachfolgenden Tag erfolgte die Feuerbestattung des Leichnams seiner Frau. Danach vergingen viele Wochen bis zur Beisetzung der Urne, die erst am 17. Juli 1933 eingesenkt wurde in dieses Grab.

 

Mit einiger Sicherheit können wir davon ausgehen, das der mit einem bronzenen Bildnis versehene Grabstein aus feinkörnigem Muschelkalkstein bis zum Totensonntag des Jahres auf der Grabstätte errichtet worden war. Wir kennen weder den Steinmetz noch den Bildhauer, der einst dieses Bildnis modelliert hatte. Dieses wurde dann in der Leipziger Bronzegießerei des Traugott Noack in der Kochstraße in Erz gegossen, wie der mit bloßem Auge kaum zu erkennende Stempel am Werk bezeugt. Die dargestellte Frau in der Blüte ihres Lebens dürfte Elise Michael sein, die mit traurigem Antlitz und ebensolcher Geste ein Lamm umarmt und liebevoll an ihren Busen drückt. Die große Trauer, die sich auf dem Bildnis ausdrückt, könnte besonders dem Abschied von ihrem Gatten, mit dem sie 23 Jahre ehelich verbunden war, und ihren beiden Söhnen Peter (*1912) und Walter (*1919) gelten.
Das Lamm im Sinne eines Agnus Dei ist wohl ein Verweis auf die religiöse Gläubigkeit der Verstorbenen, die einst als Jüdin zur christlichen Kirche konvertierte. Und das Reh im Bildnis dürfte für ihre Glaubenszuversicht stehen, nach dem Tode einzukehren in den ewigen Garten Gottes, in das Paradies. Unter dem bronzenen Reliefbildnis verkünden bronzene Lettern in schlichter Antiqua ihren Namen und das Datum ihrer Geburt und ihres Todes (1884-1933).

 

Mit dem Tod seiner Liebsten war der Arzt Dr. Otto Michael, der seit 1910 in Leipzig in der Dresdner Straße 30 als Facharzt für Chirurgie und Frauenheilkunde eine eigene Praxis führte, ein gebrochener Mann. Er, der 1876 in Leipzig als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren wurde, später nach dem Besuch des König-Albert-Gymnasiums an der hiesigen Universität Medizin studierte und dort 1901 promovierte, wurde sehr bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ein Opfer der Verfolgung jüdischer Menschen.

Nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 wurde Dr. Otto Michael die Approbation entzogen, was letztlich die Schließung seiner Praxis bedeutete. Sein Leidensdruck erhöhte sich mit der Verbringung in das Konzentrationslager Buchenwald. Als er 1938 aus der Hölle von Buchenwald zurückkam, wurde er als „Krankenbehandler“ quasi zum Chefarzt des Israelitischen Krankenhauses in Leipzig bestellt.

Nach seinem jahrelangen Kampf als Arzt für seine jüdischen Mitmenschen wurde Dr. Otto Michael im Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 15. Juni 1944 im Alter von 68 Jahren als schwerkranker Mann starb.

Den beiden Söhnen gelang noch 1938 die rettende Ausreise aus Deutschland.

Der Sohn Prof. Peter Michael bewahrte bis an sein Lebensende mit treuem Herzen das Grab seiner Mutter.

Quelle

Alfred E. Otto Paul: Die Kunst im Stillen. Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen. No 07. Leipzig o. J.

 

Bildnachweis

Fotos: Hans-Joachim Halbach, Leipzig

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