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Ein Buch, das zu Herzen geht

Klinikclown Knuddel erinnert an die vielen Kindern und Jugendlichen, die er begleiten durfte, und in seinen Geschichten lässt er ihr Wesen und ihre Persönlichkeit nochmals aufleben. Geschichten über die Liebe und einen Clown im Sterbezimmer.

Doktor Faust

Doktor Faust

Ludwig Bechstein

Faust besiegelt den Pakt mit dem Teufel.
Faust besiegelt den Pakt mit dem Teufel.

Doktor Faust war ein gar gelehrter Mann; er laborierte und alchimisierte, suchte den Stein des Weisen und konnte ihn nicht finden. Da dachte der Teufel, mit dem Doktor sei wohl ein Fang zu tun, trat zu ihm hin und sprach: „Ohne mich wird dir nichts glücken; deine Köcheleien, und was du braust und destillierst, das alles taugt den Teufel nichts. Nimm mich zum Diener an, so sollst du haben, was dein Herz begehrt. Sieben Jahre diene ich dir, und dann bist du mir.“ Das war dem Doktor Faust recht, dass ihm der Teufel dienen wollte, denn er glaubte nicht an eine Ewigkeit und an eine Strafe drüben, und verschrieb sich dem Teufel mit seinem Blut.

Nun hielt Doktor Faust zu Wittenberg gute Kameradschaft mit den Studenten, welche viel Geld drauf gehen ließen. Er fuhr mit ihnen dahin und dorthin, und so auch erstmals auf einem schnellen Wagen nach Leipzig, wo gerade Messe war. Und sie brauchten zu dieser Fahrt mit des Teufels Künsten nur wenige Stunden.

Andern Tags, da sie sich die Stadt und das Meßgewühl betrachteten, sahen sie ihrem Wirtshaus gegenüber einen Keller, aus dem die Weinschröter*, auch Weißkittel genannt, etwa ihrer vier oder fünf ein volles Achteimerfass heraufschroten sich bemühten. Sie brachten es aber nicht fertig, sondern ließen davon ab, bis ihrer mehrere dazukommen und helfen würden. Da sprach Faust höhnisch zu den Schrötern: „Wie stellt ihr euch doch so täppisch zu dem Fass; könnt es nicht zwingen und seid doch so viele; könnt‘ es doch wahrhaftig einer allein, wenn er Geschick hat!“ Die Schröter waren handfeste Gesellen, mit dem Maul so derb wie mit den Fäusten; die kannten den Doktor nicht und blieben ihm auf seinen Hohn die Antwort nicht schuldig: „ Was kümmert sich der Herr um unsere Arbeit,“ fragten sie, „ist der Herr so überstudiert, dass er das Fass heben und allein die Treppe hinaufbringen kann, ei so lasse er seine Kunst sehen, so schröte er es hinauf in aller Teufel Namen!“

Indem Faust also mit der Höflichkeit der Schröter bedient ward, kam der Wirt vom Auerbachskeller, wo sich dies Abenteuer zutrug, vernahm des Scheltens Ursache und sprach mit Unwillen: „Seid ihr so starke Riesen, dass einer von euch sich vermisst, dieses Fass allein hinaufzubringen, der mag es tun; wer es kann, dem soll es zu eigen sein.“ Unterdessen waren noch mehr Studenten hinzugekommen, und Faustus rief diese zum Zeugen von des Weinkellerswirt Rede an, stieg hinab und setzte sich auf das Fass wie auf einen Bock und rief: „ Marsch, marsch!“ Da ritt zu jedermanns Verwunderung das Fass die Treppe herauf. Am meisten verwunderte sich der Wirt und schrie:

„Das geht nicht natürlich zu.“ Half ihm aber nichts, und nachher ging es um so natürlicher zu, als Faustus und die Studenten das Fass anstachen und davon zechten, solange noch ein Tropfen aus dem Zapfen rann.

Auch sonst bediente sich Faust gar oft der schwarzen Künste seines teuflischen Dieners. Nichts war so schön auf der ganzen Welt, das der Doktor Faust nicht begehrt hätte. Da er aber wahrnahm, dass der Teufel ihm nichts zuliebe tat, sondern alles aus grimmigen Hass, so ärgerte er ihn, ließ ihm keinen Augenblick Ruhe, und wenn der Teufel dachte, es wäre nun genug getan, er wolle nun auch aus schnaufen, da war es weit gefehlt; sein schlimmer Herr streute einen Scheffel** Korn unter die Dornenhecke, da musste der Teufel alles zusammenlesen, und es durfte kein Körnlein fehlen, oder der Doktor schüttete einen Sack Mehl aus dem Fenster, und der Teufel hatte es wieder aufzusammeln, dass ja kein Stäublein fehle.

Der Teufel zerrt Faust durch das Fenster.
Der Teufel zerrt Faust durch das Fenster.

Indem Faust also mit der Höflichkeit der Schröter bedient ward, kam der Wirt vom Auerbachskeller, wo sich dies Abenteuer zutrug, vernahm des Scheltens Ursache und sprach mit Unwillen: „Seid ihr so starke Riesen, dass einer von euch sich vermisst, dieses

Darüber wurde der arme Teufel ganz mager, dünn und spinnebeinig und hatte es dick satt. Da sprach er endlich zu Faust: „Höre, mein werter Doktor, bei dir kann es kein Teufel aushalten; für solche Herrschaft danke ich schön. Ich habe in diesen vier Jahren mehr geschwitzt und gebraten als mein ganzes Lebtage in der Hölle. Du heizest einem ja ärger ein als Belzebub! Ich schenke dir drei Jahre und deinen Vertrag, gib mich frei, so sollst du alles umsonst genossen haben.“ Aber Faust sagte: „ Beim Teufel, nein, Verträge muss man halten; bist du meiner müde, bin ich doch nicht deiner müde!“

So musste der Teufel dem Doktor Faust noch drei neue Jahre dienen. Als sie aber um waren, wer war da froher als der Teufel! Er fuhr so recht wie der Teufel auf Faust los, packte ihn und zerrte ihn an den Haaren durch das Fenster, dass das helle Blut umher spritzte und nichts übrig blieb als ein großer, untilgbarer Blutfleck.


* Schröter war einTransportberuf. Die Aufgabe des Schröters war es, Bier oder Wein im Fass vom Keller zum Wagen und umgekehrt zu „schröten“.

** Der Scheffel war ein altes Raummaß, das für Schüttgut verwendet worden ist. Ein alter Leipziger Scheffel = 80,58 Liter.


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