In Sachsen hatte eine reiche Jungfrau einem schönen, aber armen Jüngling die Ehe versprochen. Weil aber dieser sah, was kommen würde, da sie reich und nach ihrer Art wankelmütig war, sprach er zu ihr, sie werde ihm die Treue nicht halten. Da fing sie an, sich zu verschwören mit diesen Worten: „Wenn ich einen anderen als dich nehme, so hol mich der Teufel auf der Hochzeit!“ Was geschieht? Nach kurzer Zeit wird sie anderen Sinnes und verspricht sich einen anderen unter Verachtung des ersten Bräutigams, welcher sie etliche Male an die Verheißung und den großen Schwur erinnerte. Aber sie schlug alles in den Wind, verließ den ersten und hielt Hochzeit mit dem anderen.
Am Tage der Hochzeit, als die Verwandten, Freunde und Gäste fröhlich waren, ward die Braut, da ihr das Gewissen aufwachte, trauriger, als sie sonst zu sein pflegte. Da kamen zwei Edelleute in das Brauthaus geritten, die wurden als fremde, geladene Gäste empfangen und zu Tisch geführt. Nach dem Essen ward dem einen die Ehre zuteil, den Vorreigen mit der Braut zu eröffnen. Er tat ein oder zwei Reigen mit ihr und führte sie endlich vor ihren Eltern und Freunden mit großem Weinen und Seufzen zur Tür hinaus an die Luft.
Des anderen Tages suchten die betrübten Eltern und Freunde die Braut, dass sie sie, wenn sie etwa gefallen wäre, begraben möchten. Siehe! Da begegneten ihnen eben die Gesellen und brachten die Kleider und Kleinode der Braut zurück mit diesen Worten: „Über diese Dinge hatten wir von Gott keine Gewalt empfangen, wohl aber über die Braut.“
Quelle
Hohenstatt, Otto: Deutsche Volks- und Heldensagen. Stuttgart o. J.
Bildnachweis
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