Ein glaubwürdiger Bürger aus Leipzig erzählte: Als sein erstes Kind schon etliche Wochen alt gewesen, habe man es zu drei unterschiedlichen Nächten in der Wiege aufgedeckt und in der Quer liegend gefunden, da doch die Wiege hart vor dem Wochenbette der Mutter gestanden. Der Vater nahm sich also vor, in der vierten Nacht aufzubleiben und auf sein Kind gute Acht zu haben. Er harrte eine lange Weile und wachte stetig bis nach Mitternacht, da war dem Kinde noch nichts begegnet, deswegen, weil er es selber betrachtet und angeschauet hatte. Aber indem fielen ihm die Augen ein wenig zu, und als die Mutter kurz darauf erwachte und sich umsah, war das Kind wieder in die Quer gezogen und das Deckbett von der Wiege mitten über ihr Bett geworfen, da sie es sonsten nur immer aufzuschlagen und zu Füßen des Kinds in der Wiege zu legen pflegen, nach allgemeinem Gebrauche. Denke einer, in so geschwinder Eile, dass sich alle verwundern mußten. Aber weiter hatte das Ungetüm keine Macht zum Kinde gehabt.
Bildnachweis
Kopfbild:
Holzskulptur, Urheber:
Walter
Zelezny
Bild im Text:
Lesende Frau an der Wiege: Gemälde von Philipp Zeltner
(1865-1946)