Es ist heute üblich, meine Leserinnen und Leser, die Schreibart von Schriftstellern zu vergleichen. Bei Erich Loest kann ich nur sagen, Loest erinnert mich an Loest. Die Engländer würden sagen, he is a class of his own. Mich beeindruckt immer wieder, was ich den direkten Zugriff auf die Sprache nennen möchte. Da wird kein Verwirrspiel getrieben, da wird nichts hochstilisiert, da gibt es keine Manieriertheit, sondern der Autor versucht, den Leser ohne Umschweife zu erreichen.
Das heißt nicht, dass es Loest etwa an Feinsinnigkeit, Zartheit und Hintergründigkeit fehle. Das alles ist da vorhanden, wo es eine Funktion hat.
Erich Loest wurde im selben Jahr wie Hermann Kant geboren, doch das ist auch alles an Gemeinsamkeit. Hier ist der Aufrechte und Unbeugsame, auch Unbequeme, der für seine Überzeugung siebeneinhalb Jahre im Zuchthaus sitzt, dort ist der Parteifunktionär, der seine Sprachkunst in den Dienst eines Systems stellt, das für Schriftsteller wie Loest oder Literaturwissenschaftler wie Hans Mayer oder Philosophen wie Ernst Bloch keinen Platz hat.
Loest ist mit seiner Kunst das Gewissen und Gedächtnis Ostdeutschlands. Viele Menschen sehen sich heute vor Herausforderungen, die ihnen die Ungerechtigkeiten der DDR in einem milderen Licht erscheinen lassen. Deshalb ist es - wie ich glaube - richtig, einerseits die notwendigerweise subjektive Sicht des Einzelnen, der in der DDR glücklich wie auch unglücklich war, ins Verhältnis zu setzen zu dem, was wir historische Wahrheit nennen. Die bleibt allerdings auch nur eine Teilwahrheit, wenn sie nicht die Lebenswahrheit des Einzelnen berücksichtigt.
Erich Loests Name wird immer mit Leipzig verbunden sein, am stärksten durch seine Romane „Nikolaikirche" (auch erfolgreich verfilmt) und „Völkerschlachtdenkmal".
Im Jahr 2009 hat Erich Loest zusammen mit Monika Maron und Uwe Tellkamp in Weimar den Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung erhalten. Der Preis wurde ihnen verliehen, weil sie beispielhaft ihre DDR-Erfahrungen literarisch verarbeiteten und sowohl einer DDR-Nostalgie wie auch einer pauschalen Verurteilung entgegneten. Man kann annehmen, dass es Loest lieber war, diesen Nationalpreis zu erhalten als einen gewissen anderen, der vor 1989 auch an Schriftsteller und Wissenschaftler verliehen wurde, die ganz bestimmten, nicht ausschließlich künstlerischen Kriterien entsprachen.
Im Alter von 87 Jahren am 12. September 2013 schied Erich Loest aus dem Leben. Der Leipziger Ehrenbürger war schwerkrank und wollte eine weitere Operation nicht mehr ertragen.
Quellen:
Loest, Erich. 1995. Nikolaikirche. Leipzig: Linden-Verlag
Loest, Erich. 1991. Die Stasi war mein Eckermann. Oder: Mein Leben mit der Wanze.
Göttingen: Steidl Verlag, Leipzig: Linden-Verlag.
Loest, Erich. 1999 ( 1990). Durch die Erde ein Riß. Ein Lebenslauf. München: dtv