Feiert Deutschland (wieder) die falschen Feste?
Es dreht sich alles um den „Mauerfall“ und die „Wiedervereinigung“.
Am 9. Oktober 1989 umrundeten ca. 70 000 Menschen den Innenstadtring in Leipzig. Sie riefen „Wir sind das Volk“, „Keine Gewalt“, „Auf die Straße, schließt euch an“ und „Neues Forum zulassen“, das hieß eine politische Opposition zulassen. Die Stadt war eine besetzte Stadt: Nationale Volksarmee, Staatssicherheit und die Volkspolizei waren aufgezogen und zeigten die Waffen. Kampfgruppen waren in Alarmbereitschaft, Krankenhäuser waren mit Blutkonserven ausgerüstet und mussten freie Betten vorhalten. Die Belegschaften in Betrieben und Institutionen wurden davor gewarnt, in die Innenstadt zu gehen. Die Angst vor dem „Schießbefehl“ war allgegenwärtig.
Und trotzdem brachten die 70 000 den Mut auf, ihre Angst zu überwinden. Sie zwangen mit ihrem friedlichen Protest die SED-Führung in die Knie. Sie bewältigten die Strecke um die Innenstadt, ohne dass die Sicherheitskräfte eingriffen. Die Menschen waren „durchgebrochen“. Die SED-Führung schreckte vor dem Einsatz militärischer Gewalt zurück. Der 9. Oktober 1989 in Leipzig war der Tag der Entscheidung. Alle blickten nach Leipzig. Dieser gelungene Aufstand wirkte als Fanal in der DDR.
Ohne die Friedliche Revolution hätte es weder den Mauerfall noch die Wiedervereinigung von BRD und DDR am 3. Oktober 1990 gegeben.
Festveranstaltung im Gewandhaus
Die zentralen Feierlichkeiten am 9. Oktober 2019 begannen um 11 Uhr mit einem gemeinsamen Festakt des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig im Gewandhaus. Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Bürgerrechtlerin Freya Klier hielten die Festreden. Internationale Gäste haben teilgenommen, darunter Danzigs Oberbürgermeisterin Aleksandra Dulkiewicz, Nachfolgerin ihres ermordeten Vorgängers Pawel Adamowicz. Sie hat zusammen mit dem OBM B. Jung am Abend das Lichtfest eröffnet.
Friedensgebet
Die Nikolaigemeinde hatte um 17.00 Uhr zum Friedensgebet in die Nikolaikirche eingeladen. Es stand unter dem Titel "Den Klang der Hoffnung spüren". Die Predigt hielt Superintendent Martin Henker. Dazu erklang die Motette "Die Hoffnung aber lässt nicht zu Grunde gehn" von Kurt Grahl aus dem Jahr 1989. Außerdem war während des Friedensgebetes das neue Geläut, die Osanna, der Nikolaikirche zum ersten Mal zu hören. Der MDR übertrug mit „Der Klang der Freiheit – Glocken für St. Nikolai“ live die Veranstaltung. Das Friedensgebet wurde live auch auf eine Leinwand vor der Kirche übertragen.
Lichtinstallationen zum Lichtfest Leipzig
Höhepunkt der Feierlichkeiten am 9. Oktober 2019 war das Lichtfest Leipzig mit dem Abstellen von tausenden Kerzen auf dem Augustusplatz. Treff 19.00 Uhr auf dem Augustusplatz.
In Reflexion der Montagsdemos von 1989, die sich buchstäblich immer mehr Raum entlang des Innenstadtrings eroberten, wurden nacheinander sechs Lichträume geschaffen – ausgehend von der Nikolaikirche entlang des Ringes. Das Fortschreiten des Lichtes spiegelte dabei das Fortschreiten der Ereignisse 1989 wider.
Mit Lichtinstallationen, Foren, Konzerten, Ausstellungen, Lesungen und Publikumsdiskussionen fanden eine Vielzahl von Jubiläumsveranstaltungen statt.
Den kompletten Überblick gab es unter: https://www.leipzig.de/news/news/30-jahre-friedliche-revolution
Bildnachweis
Kopfbild: Briefmarke Nikolaikirche. Via Wikimedia, gemeinfrei
Bild 1:
Leipzig, Montagsdemonstration
Bundesarchiv, Bild 183-1989-1023-022 / Friedrich Gahlbeck / CC-BY-SA
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Bild 2:
Herbst 1989 Teilnehmer an einer Montagsdemonstration in Leipzig.
Bundesarchiv, Bild 183-1989-1023-022 / Friedrich Gahlbeck / CC-BY-SA
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Bild 3: Gewandhaus zu Leipzig. Wolfgang Brekle
Bild 4: via Wikimedia, gemeinfrei