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Florian Russi
Der Drachenprinz

Märchen, Sagen und Geschichten aus der Mitte Deutschlands.

 Faschings-Festlied

Faschings-Festlied

Richard Schmidt-Cabanis

Hoheit Karneval der Unsterbliche

Herein, nur herein allinsgesammt
               Ihr preislichen Herren und Damen,
Geprüft vom Faschings-Marschallamt
               Auf närrischen Rang und Namen!
Des Prunksaals Pforten erschlossen sich weit –
Willkommen, die Seiner Heiterkeit
               Zu huldigen heute kamen!

Der Jokusstab im Wappenschild
               Schafft Einlaß euch ohne Phrase;
Als ältesten Adels Stammbaum gilt
               Die längste Pappen-Nase;
Als köstlichster Schmuck der Groß-Kordon
Vom hohen Orden des Kotillon
               Am Band – mit dem Römerglase!

Eröffnet hat just Prinz Karneval
               Den Reigen feiner Audienzen;
Entboten sind die Getreuen all
               Aus feiner Erblande Grenzen:
Der Truchseß Witz, der Kanzler Humor,
Das diplomatische Narren-Korps –
               Die tollsten der tollen Exz'lenzen!

Im Schellenornat der Herrscher sitzt
               Auf ragendem Büttenthrone:
An Szepters statt die Pritsche blitzt,
               Es funkelt die Kappenkrone!
Und um ihn reih'n sich nach Fug und Gesetz
Abdera's Vertreter und Schöppenstädt's –
               Des Parlamentes Barone.

Des Kriegsheers Generalissimus
               Ragt Don Quixote im Bügel:
's führt der Bajazzo als Syndikus
               Des Staats Insignien und Siegel;
Auch schlägt man heut zum Ritter des Reichs
Als Löhnung manchen Schwabenstreichs
               Den Schalksknecht Eulenspiegel!

Doch was nicht zählt zur Narrenzunft,
               Der Kukuk hol's und sein Küster!
's wird außer Landes die trockne Vernunft
               Gewiesen vom Stultus-Minister:
Die Griesgram-Sippe trifft Bann und Acht,
Un cum infamia wird ausgelacht
               Der Schulweisheit Philister! – – –

So hülle denn, luftiger Faschingstraum
               Das All uns in Rosenschimmer:
Entsteig' des Champagners perlendem Schaum,
               Du buntes Märchengeflimmer!
Das Heut noch ist unser; es lebe das Heut!
Schon morgen, ach, sinkt all die Herrlichkeit
               In Scherben und Fetzen und Trümmer! –

Doch ob auch verweht die Zauberpracht
               Der Morgenwind, der scharfe;
Ob all zerrissen auch über Nacht
               Die Saiten der goldenen Harfe:
Prinz Karneval herrscht frei und froh
Mit Grazie weiter – inkognito,
               Der wechselt nur die Larve!

Der achtet, ein unsterblicher Held,
               Des Aschermittwochs gar wenig;
Es bleibt ihm sein Reich: die weite Welt,
               Die Menschheit ihm unterthänig!
Es nennt wieder morgen » Herr Zeitgeist« sich
(Du schöne Maske, wir kennen dich!)
               Der heute heißt: Narrenkönig!

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