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Von Evchensruh nach Adams Hoffnung

Die sechs Erzählungen sind das Kaleidoskop eines Lebens: von der erinnerten Kindheit, die immer märchenhafte Züge trägt, über die verspielten Dinge der Jugend bis hin zu den harten Auseinandersetzungen im Erwachsenen-Dasein. Das Verschwinden von Glauben und Vertrauen, das Verzweifeln an der Welt, diese metaphorische Obdachlosigkeit (Safranski), sind Teil davon.

Der spukende Mönch im St. Georgenhause zu Leipzig

Der spukende Mönch im St. Georgenhause zu Leipzig

Dr. Jürgen Friedel

Unter dem 30. September 1701 können wir in Vogels „Leipzigischem Geschichtsbuch" lesen, dass „. . . das große und schöne neu erbauete Zucht-, Spinn- und Waisenhaus unten im Brühl allernächst dem Opern-Hause (heute etwa Ecke Goethestraße), welches mit vielen Gemächern und Behältnissen, wie auch unter der Erden rnit stattlichen Gewölbern, und von außen sehr ansehnnlich und hoch. . . war aufgebauet worden . . . In diesem werden nicht nur arme verlassene auferzogen, sondern auch ungeratene Kinder, desgleichen die unnützen Bettler und gefangene Leute durch Arbeit und Strenge kürre gemacht".

 

In diesem St. Georgenhause also ließ sich in vergangenen Jahrhunderten tagtäglich ein Mönch sehen. Er fügte niemandem ein Leid zu, und so duldete man ihn.

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts nun war ein Wächter dort im Dienst, dem der spukende Gefährte nicht ge?el. Er sann darauf, ihn loszuwerden. Bei allernächster Gelegenheit wollte er ihm eine solche Ohrfeige geben, dass es dem gespensternden Klostermann nicht mehr einfallen sollte, an diesen Ort zurückzukommen.

Ein paar Nächte vergingen ohne eine Begegnung. Doch dann, der Wächter machte so um die zwölfte Stunde die Runde mit seinem Hund, kam ihm der Mönch die Treppe herunter entgegen. Er erkannte seinen Widersacher, schickte sich an, dem einen nachdrücklichen Schlag zu verabreichen, als ihn eine plötzliche gewaltige Maulschelle des herumwandelnden Mönchs zu Boden warf.

Geraume Zeit lag der Wächter aller Sinne beraubt am Boden. Als er wieder zu sich kam und sich ein wenig erholt hatte, fand er sich nicht weit von seiner Wohnung entfernt. Sein treuer Hund, an allen Vieren zitternd, lag neben ihm.

Der Wächter kroch auf den Knien in seine Wohnung und auf sein Bett. Er hatte allen Mut zu weiteren Auseinandersetzungen mit dem spukenden Mönch verloren.

Als er am anderen Morgen in den Spiegel sah, stellte er fest, dass ihm der Backen bis über die Kehle herunterhing, ohne dass er jedoch Schmerzen verspürte oder sich verletzt fühlte.

Nach Tagen erst erstattete er seiner Obrigkeit Bericht über diesen Vorfall.

Das St. Georgenhause 1885
Das St. Georgenhause 1885

Zum Glück, sonst hätten wir nie Kenntnis erhalten von diesem wackeren Mönchs-Gesellen des „schwarzen Bruno".

 

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