Leipzig-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Leipzig-Lese
Unser Leseangebot

Berndt Seite

Von Evchensruh nach Adams Hoffnung

Die sechs Erzählungen sind das Kaleidoskop eines Lebens: von der erinnerten Kindheit, die immer märchenhafte Züge trägt, über die verspielten Dinge der Jugend bis hin zu den harten Auseinandersetzungen im Erwachsenen-Dasein. Das Verschwinden von Glauben und Vertrauen, das Verzweifeln an der Welt, diese metaphorische Obdachlosigkeit (Safranski), sind Teil davon.

Ehrendoktor für den italienischen Staatspräsidenten Ciampi

Ehrendoktor für den italienischen Staatspräsidenten Ciampi

Dr. Peter Gutjahr-Löser

Carlo Azeglio Ciampi (1999).  Quelle: Presidenza della Repubblica - gemeinfrei
Carlo Azeglio Ciampi (1999). Quelle: Presidenza della Repubblica - gemeinfrei

Eines Tages erreichte uns in der Universität Leipzig eine telefonische Anfrage des Auswärtigen Amtes: „Der italienische Staatspräsident Ciampi will einen Deutschland-Besuch machen. Wir haben nun gehört, dass er einige Zeit in Leipzig studiert hat. Können Sie das bestätigen? - Wir würden dann Leipzig in seine Reiseroute aufnehmen." - Da das Archiv der Universität Leipzig die Namen aller ihrer Studenten seit 1409 nachweisen kann, war ich bereits zehn Minuten später in der Lage nach Berlin zu melden, dass Ciampi im Jahr 1940 hier ein Semester Nationalökonomie studiert hatte.

Es kam, wie es kommen musste: Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät beschloss, dem italienischen Staatspräsidenten einen Ehrendoktortitel zu verleihen, begründet vor allem damit, dass er sich als früherer Wirtschafts- und Finanzminister Italiens um die Fortführung der europäische Integration verdient gemacht hatte.

Der Tag seines Besuches in Leipzig begann mit einer kurzen Begrüßung im alten Senatssaal der Universität. Dieser befindet sich im ehemaligen „Königlichen Palais", das die Universität dem sächsischen König in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als Wohnsitz für seine Aufenthalte in Leipzig hatte errichten müssen. Die bürgerstolze Stadt Leipzig hatte es immer wieder zu verhindern gewusst, dass sich die Wettiner im Stadtgebiet ein Schloss errichteten. August der Starke, der im „Rosenthal", einem Wäldchen im Nordwesten der Stadt, für die geplanten, strahlenförmig auf das Schloss zulaufenden Alleen bereits Schneisen hatte schlagen lassen, wurde mit der geschickt lancierten Behauptung in die Flucht geschlagen, dass es an dem vorgesehenen Bauplatz im Sommer alljährlich eine schreckliche Mückenplage gebe.  

Das große Wappen des Königreichs Sachsen im Deutschen Reich aus Wikipedia gemeinfrei
Das große Wappen des Königreichs Sachsen im Deutschen Reich aus Wikipedia gemeinfrei
Weil mit dem Schlossbau in Leipzig nichts voranging, verfiel das Dresdener Kultusministerium schließlich auf den Gedanken, die Landesuniversität müsse ihrem „Rector Magnificentissimus", der der sächsische König ja auch war, eine Wohnstätte auf dem Universitätsgelände errichten. An der Ritterstraße wurde gerade ein der Universität gehörendes Grundstück frei, auf dem eine baufällige, von ihrer Gemeinde aufgegebene Synagoge gestanden hatte. Als das Ministerium mitteilte, der König werde für das Haus Miete zahlen, nahm die Universität einen Kredit auf und beauftragte den damaligen Stadtbaurat Albert Geutebrück, einen Freund Karl Friedrich Schinkels, mit dem Bau. Das Haus wurde im Jahr 1861 im spät-klassizistischen Stil fertiggestellt. Da es dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert als „Königliches Palais" zu schlicht war, erhielt Arwed Rossbach um 1895 den Auftrag, das Gebäude um ein großartiges Treppenhaus zu erweitern und den königlichen Speisesaal im ersten Obergeschoss prachtvoll im Stil des Neobarock auszugestalten. Nachdem das Königshaus 1918 abgedankt hatte und deshalb auch die königliche Mietzahlung zur Bedienung des aufgenommenen Kredits nicht mehr einging, war die Universität gezwungen, das Palais als Messehaus an die Keramische Industrie zu vermieten.
Landtagswahl Dresden: Kurt Biedenkopf. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1014-007 / CC-BY-SA
Landtagswahl Dresden: Kurt Biedenkopf. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1014-007 / CC-BY-SA

Als dann in den frühen dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Kredit getilgt war, nutzte die Universität das Gebäude selbst. Und als in der Bombennacht des 4. Dezember 1943 das Universitätshauptgebäude am Augustusplatz in Flammen aufgegangen war, zog hier das Rektorat ein. Seit der Sanierung des Gebäudes in den frühen neunziger Jahren wird deshalb der frühere Speisesaal des Königs als „Alter Senatssaal" benützt, in dem vor allem akademische Ehrungen, festliche Vorträge und musikalische Veranstaltungen stattfinden.

Mit seinen maximal hundert Sitzen ist er aber für Veranstaltungen - wie die mit dem italienischen Staatspräsidenten - zu klein. Deshalb muss die Universität bei größeren feierlichen Anlässen in den Festsaal des Alten Rathauses ausweichen. Dennoch wollte die Universität Ciampi auch in ihren eigenen Räumen willkommen heißen. Daher gab es zunächst einen Begrüßungsempfang im „Alten Senatssaal".

An der Veranstaltung nahm selbstverständlich neben Bundespräsident Rau auch der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf teil. Nach der Vorstellung der Mitglieder des Rektoratskollegiums und der Dekane der Fakultäten fragte mich während des sich anschließenden Small-Talks ein italienischer Diplomat nach dem Sinn der verschnörkelt in den Eckkartuschen des Deckenstucks enthaltenen Buchstabenkombinationen. Ich erklärte ihm „AR" heißt: ,Augustus Rex'." - Er betrachtete die gegenüberliegende Kartusche. Ich erklärte „CR", das heißt „Carola Regina" - „No, no, Signore! Das heißt doch sicher „Curt Rex!" und stürzte zu Biedenkopf, um ihn auf diese vorweggenommene Ehrung aufmerksam zu machen.

Aus: Peter Gutjahr-Löser, „Können Sie folgen?", Leipziger Universitätsverlag, 2005, S. 87 ff.

Aus dem Vorwort:

Als Schüler träumte ich davon, ein politisches Kabarett zu gründen...Ich sah mich (in Bonn) nach Räumen um. Als Namen hatte ich vorgesehen: „Die Bonnierten - das profisorische Bundeskabarett"... Für den erforderlichen Umbau konnte ich allerdings keine Finanzierung auftreiben, so dass ich den Plan fallen lassen musste ....

Das hielt mich aber nicht ab, meiner satirischen Ader ziemlich freien Lauf zu lassen. Oft war mir eine boshafte Bemerkung wichtiger als diplomatische Rücksicht auf meine eigenen Interessen...

Vielleicht schlug auch die sächsische Abstammung bei mir durch, deren spezifischer Humor in dem „Um-die-Ecke-Denken" eines Karl Valentin - sein Vater war ja, was viele nicht wissen, aus Dresden und später nach München übergesiedelt - seine besondere Ausprägung gefunden hat.

Der folgende Witz scheint typisch für diese Art des sächsischen Denkens zu sein: "Können Sie mir bitte sagen, wo die Bornaische Straße ist?" -  "Bornaische Straße...Bornaische Straße...Wartn se mal - nee, des weeß'ch leider nich. Dut mir leid." - "Na, Danke schön jedenfalls." - "Sie, Sie meenen doch nich etwa die Pirnaische Straße?" - "Nein, nein die Bornaische Straße." - "Nu, Gott sei Dank! Die Pirnaische Straße weeß'ch nämlich ooch nich."

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Drama im Zoo
von Joachim Ringelnatz
MEHR
Der Juni
von Erich Kästner
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen