Diese Kirche wird im Volksmund Paulinerkirche genannt. In der Ansiedlung eines Dominikanerkonvents wurde 1240 die Paulinerkirche geweiht.
Sie überstand den 2. Weltkrieg nur leicht beschädigt. Das Gebäudeensemble von Augusteum und Paulinerkirche, zuletzt von der Probsteigemeinde genutzt, bestimmte ab 1836 bis zur Sprengung der Kirche die Westseite des heutigen Augustusplatzes. Gleich nach dem Krieg war der Augustusplatz in Karl-Marx-Platz umbenannt worden, auch die Universität erhielt 1953 den Namen Karl- Marx-Universität. Im Zuge dieser politisch-kulturellen Neugestaltung des Zentrums von Leipzig als sozialistische Großstadt passte die alte ehrwürdige Kirche den Mächtigen nicht mehr ins Bild, voran Walter Ulbricht.
Die Kirche wurde am 30. Mai 1968 um 9:58 Uhr gesprengt. Die Trümmer wurden in der Folge in die Etzoldsche Sandgrube in Leipzig-Probstheida verkippt. Zuvor war es gelungen, Teile der Innenausstattung zu retten, insbesondere den wertvollen Flügelaltar, die kunstvollen alten Epitaphe, Bilder und die kleine Orgel. Dieser barbarische Akt stieß auf breite Ablehnung bei den Leipziger Bürgern, wenn auch nur Wenige es wagten, offen zu protestierten. Diese Zerstörung riss eine nicht heilende Wunde in das Herz der Bürgerschaft, auch bei denen, die keine Kirchenmitglieder waren. Es war ein Tabubruch. Politisch gesehen war es ein Sargnagel für den Untergang der DDR.
Nach langjährigen, heftigen Diskussionen über einen Neubau auf diesem geschichtsträchtigen Ort zwischen Befürwortern, die eine Aula für die Universität präferierten und Befürwortern, die einen originalgetreuen Wiederaufbau von St. Pauli wünschten, kam es zu einem Kompromiss. Der architektonisch moderne universitäre Neubau erinnert an die Paulinerkirche, vereint unter einem Dach wissenschaftliche Institute, die Aula der Universität und einen Andachtsraum, der den Namen „Universitätskirche St. Pauli“ trägt.
Der Rotterdamer Architekt Erick van Egeraat berichtet, dass er sich 1995, als alles begann, fragte, warum niemand aufgriff, was war. „Ich wollte eine Kirche für diejenigen bauen, die eine Kirche wollten. Und eine Aula für diejenigen, die eine Aula wollten.“ Van Egeraat gewann mit seinem Bauentwurf die 2. Ausschreibung des Bauherrn (Freistaat Sachsen) im Jahre 2004. Die Umsetzung der Pläne, der Neubau wird letztlich mit acht Jahren Verzug beendet sein. Die Baukosten belaufen sich auf die doppelte Summe, die ursprünglich dafür berechnet worden war.
Am 1. Dezember 2017 erlebten 500 geladene Gäste die feierliche Eröffnung des Paulinums mit einem akademischen Festakt. Es war der letzte Baustein des nach der Wende in der Mitte der Stadt neu entstandenen Campus-Areals. Das Bauwerk schließt die Wunde, lässt sie heilen. Eine Narbe wird bleiben.
Die Rektorin der Universität, Prof. Dr. Beate Schücking, erinnerte daran, dass ein Organist kurz vor der Sprengung der Kirche St. Pauli an der Orgel gespielt habe, aber das Stück, die Toccata C-Dur von Johann Sebastian Bach, abgebrochen werden musste, weil die Sprengmeister kamen. Der Organist Daniel Beilschmidt setzte in der Eröffnungsfeier an der gleichen Stelle wieder ein, wo die Toccata vor 49 Jahren abgebrochen werden musste. Der Organist spielte an der Jehmlich-Orgel. Das war ein sehr bewegender, emotionaler Moment für die Zuhörer.
Zu den weiteren Feierlichkeiten gehörten ein „Bürgertag“ am 2. Dezember und der Einweihungsgottesdienst am 3. Dezember (1.Advent), der vom MDR life übertragen worden ist.
Das Paulinum hat an allen Adventssonntagen und zu Heilig Abend geöffnet. Es finden Gottesdienste und andere Veranstaltungen statt. Vom 25. Dezember 2017 bis 5. Januar 2018 bleibt das Paulinum geschlossen. Danach soll es von Dienstag bis Freitag jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet sein, sonnabends von 11 bis 14 Uhr.
Karten für all diese Veranstaltungen gibt es in der Ticketgalerie in Barthels Hof, in der Musikalienhandlung Oelsner sowie an der Abendkasse – soweit noch Karten verfügbar sind.
Bildnachweis
Bild 1: Wikipedia -- gemeinfrei
Kopfbild und Bilder 2 bis 9: Ursula Drechsel, fotografiert am 2.12.2017