Viele ältere Leipziger erinnern sich bestimmt noch daran, dass in ihrer Kindheit von einer Löwenjagd in Leipzig gesprochen wurde. Denn jahrelang war die Geschichte in aller Munde.
Was hatte es damit auf sich? Mitten in der Großstadt - der Leipziger Zoo war weltweit bekannt für seine Löwenzüchtung - stellte man den gefährlichen Katzen nach.
Es geschah am 19. Oktober 1913, einen Tag nach der feierlichen Eröffnung des Völkerschlachtdenkmals, an der sogar Kaiser Wilhelm der II. und andere gekrönte Häupter teilgenommen hatten. Der Zirkus Barum hatte sein Gastspiel gerade beendet.
Am Abend waren bei dichtem Nebel zwei Pferdegespanne mit den Zirkustieren unterwegs zum Berliner Güterbahnhof, um die „Stars" in Tierwaggons umzuladen. Als die beiden Kutscher von der Auenstraße in die Berliner Straße kamen, verspürten sie beim Anblick des Gasthofes „Grau-Peter" einen mächtigen Durst. Um dieses Verlangen zu stillen, ließen sie die beiden Fuhrwerke unbeaufsichtigt stehen. Den Pferden des zweiten Gespanns mit den Bären wurde es offensichtlich zu langweilig. Sie wurden unruhig, und dabei stieß die Deichsel in die Rückfront des vorderen Wagens mit den Löwen und demontierte diese Wand so sehr, dass von den 10 Löwen 8 entkommen konnten. Bei diesem Tohuwabohu geriet das zweite Gefährt mit den Bären auf die Straßenbahnschienen, so dass es zu einem Verkehrschaos ausartete.
Durch den sich entfaltenden Krach und das Getöse wurde der Streife gehende Gendarm Bruno Weigel angelockt. Er knallte mit seiner Dienstwaffe auf die fliehenden Großkatzen und rief schließlich weitere Polizisten zur Hilfe. So waren letztendlich 80 Ordnungshüter im Großeinsatz. Das Ergebnis: sechs erschossene Löwen, einer angeschossen, der sich in einen Hof schleppen konnte. Aber „Polly" sprang durch die Fensterscheibe eines Hotels. Durch den Tumult munter geworden, rannte die Frau des Zirkusdirektors Kreiser hinunter. Sie fungierte als Raubtierdompteuse. Schmerzerfüllt musste sie mit ansehen, wie ihr Lieblingslöwe mit dem Tode rang. Schließlich starb er in ihren Armen.
Die toten Löwen wurden in den Zoo gebracht, wo sie eine Woche lang aufgebahrt waren. Sie konnten vom Publikum als Attraktion bestaunt werden. Die Löwenjagd endete also mit einem Kassenschlager für den Tiergarten.
Zoodirektor war zu dieser Zeit übrigens Dr. Johannes Gebbing (seit 1909 im Amt), unter dessen Leitung das Terrarium entstand, wofür die Besucher früher Extraeintritt zu zahlen hatten.
Quelle: Arche, Zoo Leipzig