Am Rand des südwestlichen Rings in Leipzig beeindruckt das Neue Rathaus als imposanter Bau, der einer historischen Festung gleicht.
Das Bauprojekt, die Grundsteinlegung durch Oberbürgermeister Otto Georgi fand am 19. September 1899 statt, stand tatsächlich unter dem Motto „Arx nova surgit – Eine neue Burg entstehe“, denn eine alte Wehranlage, die Pleißenburg, musste weichen. Auf ihrem Turmschaft fußt nun der mit 114,7 Metern höchste Rathausturm Deutschlands, der für Besucher geöffnet ist und zu besteigen ist. Eine Turmbesteigung können sie anmelden beim Amt für Gebäudemanagement, Marlis Müller, Tel. 0341 1232324.
König Friedrich August III. von Sachsen reiste an, um am 7. Oktober 1905 die nötige Weihe zu geben, als das Neue Rathaus durch Oberbürgermeister Bruno Tröndlin eröffnet wurde.
Der Architekt und Stadtbaurat Hugo Licht (* 21. Februar 1841 in Nieder-Zedlitz;† 28. Februar 1923 in Leipzig) hatte den 1. Preis im Architekturwettbewerb errungen. Nach seinen Entwürfen und Ausführungsplänen im Stil des Historismus entstand der Neubau und wenig später der Erweiterungsbau Stadthaus. Der Neubau war der größte Rathausbau im Deutschen Reich. Die Konzeption der Innenräume stammt von dem jungen Architekten Fritz Schumacher (1869-1947), der vorrangig Formen des Jugendstils präsentierte. Es lohnt sich unbedingt, die Wandelhallen innen zu besichtigen, denn sie entfalten eine enorme Raumwirkung. Von der Unteren Wandelhalle führt eine aus dem Barock entlehnte Festtreppe hoch in die Obere Wandelhalle. Die Decke über dieser Haupttreppe ist im Jugendstil geformt und stellt ein Sonnenmotiv mit dem Tierkreis dar.
Wenn es möglich ist, sollten sie den schönsten Raum im Neuen Rathaus, den Ratsplenarsaal besichtigen. Die Wände sind durch Edelholzpaneelen gegliedert und mit überaus kostbaren Stoffen bespannt. Das Highlight aber ist die Kassettendecke, die reich bemalt und vergoldet ist. Die Inschrift „Viribus unitis“ weist auf den Auftrag der Stadtverordneten hin: „Mit vereinten Kräften“.
Die Außenfassade des Neuen Rathauses aus silbergrauem Muschelkalkstein zeigt verschiedene Stil-Elemente: Renaissance, Barock und Jugendstil. Wenn die Fassaden-Abschnitte reich geschmückt sind, verbergen sich dahinter bedeutende Innenräume. Zum Beispiel stehen über der Balustrade an der Südwestfassade überlebensgroße Skulpturen als Sinnbilder der Kräfte, die der Stadt Leipzig Bedeutung verliehen: Buchgewerbe, Justiz, Wissenschaft, Musik und Handwerk. Dahinter verbergen sich die Arbeitsräume des Oberbürgermeisters, deshalb als Oberbürgermeister-Flügel bezeichnet. Unterhalb dieser Räume, eingelassen in den Boden, befindet sich das Ehrenmal für Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945). Der ehemalige Oberbürgermeister C. F. Goerdeler amtierte von 1930 bis 1937. Als Nationalsozialisten hinter seinem Rücken, er war im Ausland, in einer Nacht und Nebelaktion das Mendelssohn-Denkmal abrissen, reichte er im November 1936 seinen Rücktritt ein. Auf sein aktives Mitwirken im Widerstand des 20. Juli 1944 folgten Haft, Folter und die Hinrichtung in Berlin-Plötzensee am 2. Februar 1945 – vergleichen Sie dazu
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Ein Goerdeler-Zitat ist auf dem Denkmal zu lesen: „Das größte Problem ist die Wiederherstellung des einfachen menschlichen Anstands“.
Der Giebel des Oberbürgermeister-Flügels wird von einem Löwen, dem Wappentier Leipzigs, in monumentaler Größe bekrönt. Hugo Licht achtete darauf, dass die Aufträge für die bauplastischen Werke auch an Leipziger Künstler vergeben wurden. Viele namhaften Künstler waren daran beteiligt, so Fritz Schumacher und Carl Seffner, Arthur Trebst, Johannes Hartmann Adolf Lehnert, Josef Mágr und Hans Zeissig. Der damals noch unbekannte Münchner Bildhauer Georg Wrba entwarf einen Großteil des Fassadenschmucks und figürliche Elemente im Inneren des Neuen Rathauses.
Oberhalb der Südfassade ist die berühmteste Leipziger Uhr zu bewundern. Die Inschrift „Mors certa, hora incerta“ - übersetzt „Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss“ - gab den Bürgern Anlass zum Witz: „Todsicher geht die Uhr falsch“. Die Giebelfigur über der Uhr symbolisiert die Wahrheit.
Das Gebäudeensemble, bestehend aus dem Rathaus und dem Stadthaus, hat eine Nettogrundfläche von ca. 65 870 m² und verfügt über 1 708 Räume. Es ist auch heute noch der größte Profanbau weltweit. Er bietet bis heute Platz für eine funktionierende Stadtverwaltung.
Leipzig, 27.03.2023
Bildnachweis
(1) Neues Rathaus 2011. Urheber:
(2) Innenansicht NR Urheber: Appaloosa_LE
Weitergabe unter gleichen Bedingungen: (CC BY-SA 3.0)
(3) Goerdeler-Mahnmal. Foto: Wolfgang Brekle
(4) Neues Rathaus in Leipzig. Giebel mit Uhr, mit der Inschrift: "MORS CERTA HORA INCERTA" - Der Tod ist sicher, die Stunde ungewiss.
Urheber: Radler59
Literatur
Das Neue Rathaus. Flyer der Stadt Leipzig
Beschreibung auf der Seite der Stadt Leipzig auf https://www.leipzig.de/
Turmbesteigung und Führungen im Neuen Rathaus auf https://www.leipzig.de/
Leonhardt, Peter; Nabert, Thomas (Hrsg): ARX NOVA SVRREXIT. Die Geschichte des Neuen Rathauses in Leipzig. Leipzig 1998.
Wolfgang Hocquél (Autor), Engelbert Lütke-Daldrup (Vorwort)
Leipzig Architektur: Architekturführer: Von der Romantik bis zur Gegenwart