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Berndt Seite wirft einen Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nicht nur seine eigene, sonderen auch auf Blick auf die Menschheit als Ganzes.

Die Bibliothek Erich Zeigners

Die Bibliothek Erich Zeigners

Dr. Manfred Hötzel

Portrait Erich Zeigners bei 1. Mai-Feier. (1)
Portrait Erich Zeigners bei 1. Mai-Feier. (1)

Dr. Erich Zeigner (1886–1949), Jurist, zunächst als Staatsanwalt und Richter tätig, bekannt als linker SPD-Politiker in der Weimarer Republik (1921-1923 Justizminister und 1923 kurzzeitig Ministerpräsident einer Linksregierung in Sachsen, von einer Reichsexekution gestürzt), nach 1945 Leipziger Oberbürgermeister, war auch Büchersammler und Bücherliebhaber. Er interessierte sich außerdem für Buchgestaltung und Buchkunst. Seine Bibliothek blieb weitgehend erhalten.

Sie befindet sich noch am authentischen Ort, im ehemaligen Bibliotheks- und Arbeitszimmer Erich Zeigners im Wohnhaus Zschochersche Straße 21, Erdgeschoß, in Leipzig-Plagwitz.

Sie besteht aus über 1.500 Büchern, Broschüren und anderen Druckerzeugnissen. Von rund 80 Zeitschriften sind mehrere hundert Bände bzw. Einzelhefte vorhanden. Ergänzt wird die Sammlung von über 200 Notenschriften, vorwiegend ist die klassische deutsche Musik des 19. Jahrhunderts vertreten, und 58 – von ehemals 250 – Schallplatten aus der Zeit um 1930.

Thematisch umfasst die Bibliothek neben juristischer Fachliteratur mit verschiedenen Spezialgebieten (Arbeits-, Straf-, Versicherungs-, Wohn- und Mietrecht, Verfassungsrecht, Rechtsgeschichte) Titel aus Zeigners weitgespannten Arbeits- und Interessengebieten, die von Geschichte, Politik, Ökonomie, Philosophie über Kunst, Literatur, Bibliophilie und Musik bis zu einigen Naturwissenschaften (z. B. Physik) reichen. Entsprechend seiner Weltanschauung als demokratischer und freiheitlicher Sozialist sind auch zahlreiche Sozialistica vertreten.

Einige Beispiele:

(Abb. 2)
(Abb. 2)

(In runden Klammern sind Seite und Nr. in der Bibliografie der Zeigner-Bibliothek angegeben.

Die nachstehenden Titel sind mit ihrem Rücken als Illustration auf dem Außentitel der Bibliografie abgebildet, von links nach rechts).

Geschäftsordnung für die Königlich Sächsischen Justizbehörden, Dresden 1903 (S. 67/8, Nr. 102) Im Titel Königlich gestrichen

Sozialistische Monatshefte, Zeitschrift, Berlin, Jg. 1932 gebunden im offiziellen Einband der Redaktion (S. 102, Nr. Z 18/13)

Flaubert, Gustave: Trois Contes [Drei Märchen], Paris o. J. (S. 266, Nr. 1254)

Ausgabe in Französisch

Lorenz, Hans: Vom alten ins neue Wien, Wien und Leipzig o. J. [ca. 1936] (S. 312, Nr. 1533)

Populärwissenschaftliche Baugeschichte Wiens, mit Widmung von Hilde Siercke, Tochter Erich Zeigners

Kautsky, Luise: Rosa Luxemburg. Ein Gedenkbuch, Berlin 1929 (S. 103, Nr. 268)

Dostojewski, Fedor: Ein schwaches Herz, Berlin 1925 (S. 305, Nr. 1494)

Luxemburg, Rosa: Gesammelte Werke, Bd. VI: Die Akkumulation des Kapitals, Berlin 1928 (S.103, Nr. 273)

Schmarsow, August: Barock und Rokoko, Leipzig 1897 (S. 238, Nr. 1103)

Mignet, F. A.: Geschichte der Französischen Revolution von 1789-1814, Erster und Zweiter Band in einem Band, Paris/Leipzig 1835/36 (S. 259/60, Nr. 1224)

Zschimmer, Eberhard: Philosophie der Technik, Eugen Diederichs, Jena 1913 (S. 294, Nr. 1432)

Einband gestaltet von Fritz Zeigner, Grafiker und Maler, älterer Bruder Erich Zeigners

Sternberg, Kurt: Gerhart Hauptmann. Der Entwicklungsgang seiner Dichtungen, Berlin o. J. [ca. 1910] (S. 269, Nr. 1277)v

(Abb. 3)
(Abb. 3)

Die Bibliothek Erich Zeigners besitzt materiellen und ideellen Wert.

Der materielle Wert ergibt sich aus ihrem Umfang (je nach Art der Zählung rd. 2 000 Titel), der inhaltlichen Zusammensetzung (Bücher fast aller Wissensgebiete) und der Qualität eines Teil der Bücher (Papier und Buchgestaltung). 1995 erfolgte eine Wertschätzung der Bibliothek durch den Leipziger Buchhändler Jens Förster, Inhaber des Insel-Antiquariats in der Ritterstraße. Er schätzte damals den finanziellen Wert der Bibliothek auf 35 000 DM. Nach über 25 Jahren dürfte der Wert in € heute mit gleicher Summe anzusetzen sein.

Der ideelle Wert ergibt sich zunächst aus der Person des Bucheigners. Die Bibliothek ist in fünf Jahrzehnten (1900 – 1949) entstanden und hat den Werdegang Erich Zeigners stets begleitet. Bücher waren für Erich Zeigner sowohl Arbeitsmittel als auch im übertragenen Sinn Lebensmittel. Lesen von Fachliteratur, Belletristik, Bildbänden war eine Lieblingsbeschäftigung.

In der Bibliothek verkörpert sich die akademisch geprägte Kultur des gebildeten deutschen Bürgertums. Zugleich verkörpert sie die Kultur der aufsteigenden Arbeiterschaft und nach 1945 deren Übergang in den Versuch der Gestaltung neuer (auch kulturvoller) gesellschaftlicher Verhältnisse durch die Ausübung staatlicher Macht.

Weitere herausragende Titel

Andersen-Nexö, Martin: Die Passagiere der leeren Plätze. Ein Buch in 14 Erzählungen und einem Vorspiel. Mit 12 Zeichnungen von George Grosz, Malik-Verlag, Berlin 1921, Pb., Gr.-8°, 77 S., rotes Lesebändchen

Mit gedruckter Widmung: Dem kämpfenden russischen Volke. Autor und Illustrator haben ihre Honorare der „Künstlerhilfe für die Hungernden in Russland“ zur Verfügung gestellt.

(Abb. 4)
(Abb. 4)

Luitpold, Josef: Die Rückkehr des Prometheus, Buchmeister-Verlag, Berlin 1927, rotes Ln., 8°, 125 S., Bilder und Titelseiten in Holz geschnitten von O. R. Schatz, Schrift: Hammer-Unziale,

Druck: Buchwerkstätte G.m.b.H. Berlin

Nicht im Buchhandel. Nur für die Mitglieder der Büchergilde Gutenberg. (S. 82, Nr. 182)

Josef Luitpold = Ps. für Josef Luitpold Stern (1886 Wien – 1966 Wien) österreichischer sozialistischer Schriftsteller und Volksbildner

 

Goethe-Biografien von

Houston Stewart Chamberlain, München 1912 (S. 248, Nr. 1160)

Friedrich Gundolf, Berlin 1916 (S. 249, Nr. 1164)

Benedetto Croce, Zürich-Leipzig-Wien o. J. [ca. 1920] (S. 248, Nr. 1163)

 

Rosa Luxemburg: Junius-Broschüre. Die Krise der Sozialdemokratie, 1915 (S. 95, Nr. 219)

Stark vertreten ist der französische Schriftsteller Romain Rolland (1866 – 1944), Kriegsgegner, Nobelpreis für Literatur 1916, mit 17 Titeln (S. 262-65, Nr. 1236-1250) und 2 französischen Ausgaben (S. 265, Nr. 1251f.)

Schöne Bücher

 

Unterricht des Papiermachers an seine Söhne...Nachdruck 1936 einer Druckschrift von 1766 (S. 83, Nr. 191)

wagner, helmut: sport und arbeitersport, büchergilde gutenberg, berlin 1931 [kleinschrift !]

Ausgezeichnet von der Deutschen Buchkunststiftung als eines der „50 schönsten Bücher des Jahres 1931“ (S. 114, Nr. 334)

Der Gestalter des Buches Wilhelm Lesemann war Mitglied der „Roten Kämpfer“ vor 1933, im Exil in den USA Professor für Sportwissenschaft.

Daudet, Alphonse: Tartarin von Tarascon. Berechtigte Übersetzung von Paul Stephan, o. J. [1913], grünes Leder mit Goldprägung auf Außentitel (Insel-Schiff) und Rücken, 16°, 118 S. in Schuber (Pappe) mit Titel-Schildchen, Kopfgoldschnitt, Vor- und Nachsatz mit floralen Motiven = Insel-Bücherei 42 (S. 251, Nr. 1178)

Bücher; Bücher, Bücher, Bücher...“ Wertvolle Autographen, Bücher, Graphik, Handschriften und Plakate. Gemeinschaftskatalog der Internet-Antiquare 2020 eG (GIAG), Berlin, S. 88: Angebot des Antiquariats Karajahn Berlin zu dieser Ausgabe: Erstausgabe 1913, sehr selten, für
650 €, Abb. auf S. 85

Die Lustigen von Weimar und Jena [Außentitel] Kurzweilige Beschreibung und Folge von Belustigun gen der Thüringer Werkbundgruppe am 7. Juni 1913. Mit farbigen Bildern von Erich Gruner in Leipzig, o. O. u. J., Gekl., 8°, n. p. [9 handkolorierte Bilder mit kurzen Erläuterungen] (S. 269, Nr. 1275)

Erich Gruner (1881 Leipzig – 1966 Leipzig), Grafiker und Kunstgewerbler, Gestalter von Ausstellungen, schuf das Doppel-M als Symbol der Leipziger Messe und nach 1945 Messe-Briefmarken

Bücher; Bücher, Bücher, Bücher...“ Wertvolle Autographen, Bücher, Graphik, Handschriften und Plakate. Gemeinschaftskatalog der Internet-Antiquare 2020 eG (GIAG), Berlin, S.185: Angebot Stader Kunst-Buch-Kabinett Hansestadt Stade für 140 €

Wichtige Schriftenreihen und Zeitschriften

(Abb. 6)
(Abb. 6)

Internationale Reihe des Dietz-Verlages, Stuttgart/Berlin 1887 – 1923, Verleger J.H.W. Dietz, Redakteur Karl Kautsky, insgesamt 67 Bände in 2 Serien erschienen, in der Bibliothek Zeigner sind davon vorhanden 15 Bände (S. 99-101, Nr. 245-262), Vorbesitzer war Walter Riehl,Leipzig, SPD-Funktionär vor 1933, 1946 SED

Sozialistische Monatshefte, Internationale Revue des Sozialismus, Berlin 1897-1933. Zeitschrift der (Revisionisten) in der SPD, (S. 101, Nr. 18) Einzelhefte und gebundene Jgg.

Erich Zeigner war gründlicher Leser der Zeitschschrift und vermutlich Abonnent

Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien, Hrsg. Martin Buber, Gestaltung Peter Behrens; Frankfurt/Main 1906-1910, erschienen ca. 30 Bände, in der Bibliothek Zeigner vorhanden 17 Bände (S. 97/8, Nr. Z 15), einige berühmte Autoren z. B. Wilhelm Ostwald, Chemiker und Naturphilosoph, Nobelpreis für Chemie 1909; Eduard Bernstein, SPD, Begründer des Revisionismus in der SPD

Aus den 1920er Jahren

Kulturwille, Zeitschrift des ABI (Arbeiterbildungsinstitutes ) Leipzig, vollständigeund gebundene Jahrgänge 1925-1932, es fehlt nur Band 1. (S. 87, Nr. Z 13)

Die Weltbühne, Berlin, Einzelhefte aus den 1920er Jahren (S. 126f., Nr. Z 39), Einzelhefte 1946 - 1948 und gebundener Jg. 1947 (S. 170, Nr. Z 78/2)

Verlage

Kurt Wolff Verlag Leipzig (S. 254, Nr. 1202-1206) mit der Reihe Der jüngsteTag (S. 255/6, Nr. 1207-1212)

 

Insel Verlag Leipzig (S. 251/2, Nr. Z 107 – Nr. 1182) mit Insel-Bücherei (S. 252-54, Nr. 1184-1201)

 

Eugen Diederichs Verlag Florenz, Leipzig, Jena

 

Malik Verlag Berlin

 

Spezielle Gebiete

(Abb. 7)
(Abb. 7)

Freidenker-Literatur der Weimarer Republik

Literatur des Austromarxismus

 

28 Hefte der Reihe „Die Blauen Bände“, Verlag Karl Robert Langewiesche, Königstein im Taunus & Leipzig 1917-1943, großformatige populäre Architektur und Zeitgeschichte mit zahlreichen Abb.

Ca. 80 Ausgaben des SWA-Verlages Berlin/Leipzig 1945-1949, war der Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, informierte in populär geschriebenen Broschüren über die UdSSR, zeitgeschichtlich interessant, auch zeitgeschichtlich wichtige Einzeltitel, z. B. Konstantin Simonw: Ich sah das Vernichtungslager, 1946 [über das KZ Majdanek bei Lublin, Polen]

 

Umfangreiche juristische Fachliteratur, vorwiegend 1920er Jahre, das entsprechende Verzeichnis hat einen Umfang von 20 S.

 

15 Wörterbücher verschiedener europäischer Sprachen

Bücher der Familienangehörigen Erich Zeignes

Erich Zeigners Exlibris

Bibliografische Angaben

Sozialistica und andere Bücherschätze in der Bibliothek Erich Zeigners. Kommentiertes Verzeichnis der Bücher, Noten und Schallplatten, Hrsg. von Erich-Zeigner-Haus e. V. Leipzig, Autor Manfred Hötzel, Mitarbeit Henry Lewkowitz, Passage-Verlag Leipzig 2020

Festband, Format 8°, 360 S., 156 meist farbige Abb., Preis: 25 €, ISBN 978-3-95415-107-3

Zu beziehen über den Verein Erich-Zeigner-Haus e. V., den Passage Verlag Leipzig und den Buchhandel.

Die Bibliographie enthält ein ausführliches bibliographisches Verzeichnis der Bibliothek Erich Zeigners mit Personen-Register sowie eine Einleitung zur Geschichte und Struktur der Bibliothek, eine Kurzbiografie Erich Zeigners und einen Beitrag zur Arbeit des Vereins Erich-Zeigner-Haus e. V. Leipzig.v

Bildnachweis

 

Kopfbild, Abb. 2 bis 4 und 6,7. Quelle: Erich-Zeigner-Haus e. V. Fotos: Dr. Manfred Hötzel.

 

Abb. 1

Portrait Erich Zeigners bei 1. Mai-Feier 1948. Deutsche Fotothek. Renate und Roger Rössing.

 

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