Als der Autor im Frühjahr 2016 durch das nördliche Areal der III. Abteilung des Südfriedhofes Leipzig wanderte, entdeckte er eine prächtige marmorne Urne in neoklassizistischer Manier, umschlossen von tiefhängenden, schön gearbeiteten Lorbeergirlanden über einem runden, profilierten Sockel.
Die Urne thront auf einem wohlproportionierten Sand steinernen Unterbau, der sich im oberen Drittel vierseitig verjüngt und sich dadurch ästhetisch glücklich mit dem prächtigen Aufbau vereinigt.
Ein unterer Sandsteinquader soll allein dazu dienen, das eigentliche Bildhauerwerk empor zu heben, um es einer wirkungsvolleren öffentlichen Wahrnehmung zuzuführen.
Es war keine gute Idee, dieses Grabmal des bedeutenden Leipziger Kunstmalers Professor Eugen Urban von seinem in der XIX. Abteilung des Südfriedhofes gelegenen Grabe zu entfernen, über dem man es im Jahre 1930 zu seinem Gedenken errichtet hatte.
Der am 21. Oktober 1868 in Leipzig als Sohn eines Rittergutsbesitzers geborene Eugen Marius Carl Urban brachte es nach dem Studium an der Kunstakademie Leipzig und München sowie an der Kunstschule Weimar, wo so herausragende Künstlerpersönlichkeiten wie Carl von Marr (1858-1936) oder der Norweger Carl Fritjof Smith (1859-1917) seine Lehrer waren, zu einem der gefragtesten sächsischen Porträtmaler seiner Zeit. Neben so prominenten Leipziger Persönlichkeiten wie den Oberbürgermeister Bruno Tröndlin und seinem Amtsnachfolger Rudolf Dittrich, den Stadtbaurat Otto Wilhelm Scharenberg oder den Museumsdirektor Hofrat Theodor Schreiber porträtierte er dutzende andere verdienstvolle Leipziger Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Selbst das gesamte Leipziger Ratskollegium malte er im Jahre 1903 auf einem monumentalen Bildwerk für den Ratsplenarsaal des Neuen Rathauses.
Das im 500-jährigen
Jubiläumsjahr der Leipziger Universität entstandene große Gemälde
„Rektor und Dekane“ dürfen wir heute wohl als das Hauptwerk
Urbans ansehen.
Eugen
Urban war als Bildnismaler weit über die Grenzen des Königreiches
Sachsen bekannt und geschätzt. Seiner Hand entstammen auch
zahlreiche repräsentative Bildnisse von Mitgliedern deutscher
Herrscherhäuser wie zum Beispiel das im Jahre 1898 entstandene
Gemälde des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar.
Mit
15 Kolossalgemälden zur thüringischen Sagenwelt schmückte Eugen
Urban einst die Orangerie des nahen Friedrichroda gelegenen Schlosses
Reinhardsbrunn.
Aber
auch auf dem Leipziger Südfriedhof war Urban im Rahmen der
Errichtung der gewaltigen neoromanischen Kapellenanlage mit seinen
Entwürfen maßgeblich beteiligt an der Ausmalung der dreischiffigen
Basilika samt der Chorkuppel sowie der östlichen und westlichen
Kapelle. Eine ganz besondere Aura hatten seine Entwürfe für die
Kuppelausmalung der Einäscherungshalle des Krematoriums.
Der erste Weltkrieg bedeutete auch für den Künstler Eugen Urban einen deutlichen Einschnitt in seinem Werkschaffen, bevor ihn schließlich auch ernste gesundheitliche Beschwerden bald nach dem Zusammenbruch der Monarchien des deutschen Kaiserreichs in seinem künstlerischen Schaffen behinderten.
„An den Folgen langjährigen Leidens ist gestern früh mein geliebter Mann, unser treuer Vater und Schwiegervater
Herr Kunstmaler Professor Eugen Urban
im vollendeten 61. Lebensjahr entschlafen.“
So
vermeldet seine Witwe Frieda Urban, geb. Seidel, in den „Leipziger
Neuesten Nachrichten“ am 22. Oktober 1929 den Tod des Künstlers,
der genau an seinem 61. Geburtstag gestorben war. Sein
Leichnam wurde am 24. Oktober 1929 unmittelbar nach der Trauerfeier
in der Hauptkapelle im angrenzenden Krematorium eingeäschert.
Die
Familie hatte auf dem Südfriedhof in der XIX. Abt. eine aus drei
Rabattengräbern No. 264-266 bestehende Grabstätte erworben. Im
Grab No. 264 erfolgte dann die Beisetzung der Urne mit der Asche von
Eugen Urban. Aber
schon einige Wochen später beschloss die Familie die Aufgabe der
umfänglichen Grabstätte, wofür sicherlich langfristige
Unterhaltungskosten eine Rolle spielten, und erwarb das unmittelbar
links daneben gelegene einzelne Rabattengrab No. 143. Darin
bettete man am 10. Dezember 1929, also reichlich sechs Wochen später,
die Urne von Eugen Urban neu ein.
In den folgenden 65 Jahren wurden weitere neun Urnen mit den Aschen engster Familienmitglieder in dieses Grab gesenkt...80 Jahre nach Urbans Tod haben Nachgeborene diese letzte Ruhestätte aufgekündigt. Über einen Erhalt dieser kulturgeschichtlich bewahrenswerten Grabstätte mit seinem schutzwürdigen Grabmal hat dann offenbar niemand ernsthaft nachgedacht, so dass deren Authentizität und schließlich auch der öffentlich erkennbare Grabesort des Kunstmalers Professor Eugen Urban verloren ging. Während man Urbans Grabstätte nicht erhalten hat, wurde sein Grabmal zur unpassenden Dekoration eines neuzeitlichen Grabfeldes degradiert, auf dem es fortan wie ein Fremdkörper inmitten einer wenig anspruchsvollen, banalen Grabmallandschaft wirken wird.
Quelle
Alfred E. Otto Paul: "Kunst im Stillen". Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen No 06