Der Ackerpflug ist sicher einer der bedeutendsten Produktionsmittel in der Menschheitsgeschichte. Max Eyth hat es am Ende seines Buches „Der Kampf um die Cheopspyramide" etwas schwülstig so formuliert: "Ehe vor Jahrtausenden dort drüben die Pyramide stand, ging ein Pflug auf diesem Felde- und wenn sie einst verschwunden sein wird, nach Jahrtausenden, wird noch ein Pflug hier gehen. Ist das kleine Ding nicht fast so ehrwürdig als der stolzeste Bau der Erde?"
Sicher hat sich der Pflug vom ägyptischen Hakenpflug aus Holz bis zu den verschiedenen Formen im 19. Jahrhundert, insbesondere in England, erheblich weiterentwickelt. Umso erstaunlicher war es, dass gerade in der sächsischen Provinz, südlich von Leipzig, eine Pflugentwicklung vorangetrieben wurde, die von einem Landwirt Rudolph Sack ausging. Sein Intellekt ermöglichte ihm die Analyse der Pflugarbeit und mündete letztendlich im handwerklichen Bau des sogenannten „Löbener" Pfluges aus Eisen etwa um das Jahr 1850. Dieser war selbstführend, das heißt die Reaktionskräfte des Wendens des Bodenbalkens waren in sich geschlossen, was für den Pflüger bedeutet, nicht vom Pflug hin und her geworfen zu werden. Die verbesserte Arbeitsqualität des Pflügens, die Leichtzügigkeit und das verbesserte Handhaben des Gespannpfluges führten zu einer Popularität des „Löbener" Pfluges in der Umgebung. Wie der ukrainische Fürst Bobrinsky aus Kiew auf diesen Pflug aufmerksam wurde ist nicht bekannt. Er bestellte 1857 120 solcher Pflüge für seine Güter in der Ukraine. Sicher hat er einen Vergleich mit den englischen Howard-Pflügen angestellt, der zwar auch ein Karrenpflug aus Eisen, aber in der Qualität des Pflügens dem „Löbener" Pflug scheinbar unterlegen war. Diese Zahl von Pflügen war in einer Dorfschmiede nicht zu fertigen und so nahm R. Sack den Vorschlag von Fürst Bobrinsky an, nahm Wörterbuch, Zeichnungen und Modelle in sein Reisegepäck und reiste nach England. Unter seiner Leitung produzierte er seine 1. Pflugserie bei Garett & Sons in Leisten unter industriellen Bedingungen. Welchen Eindruck musste der Landwirt aus der sächsischen Provinz in dem hochindustrialisierten England erhalten haben? Er hatte erstmals eine Maschinenfabrik gesehen und konnte sich sicher gut vorstellen, etwas ähnliches in seiner Heimat aufzubauen.
Nach Vertragserfüllung verkauft er auf Anraten von Karl Heine seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Löben, siedelte 1863 nach Leipzig Plagwitz um, um sich hier gemäß seiner Vision zur Verbesserung der Ackerkultur nur noch mit der Entwicklung und Fertigung von Bodenbearbeitungstechnik zu befassen, und gründete das Unternehmen „Rud. Sack". Neben Pflügen in unterschiedlichen Varianten entwickelte er Grubber, Häufelgeräte und Drillmaschinen. Das „Einstiegskapital" für seine neu gegründete Fabrik hatte er mit dem Know-how seines Loebener Pfluges bereits geschaffen. Jetzt kam es aber darauf an, die industrielle Fertigung und den Vertrieb nebst Service zu organisieren. Bemerkenswert ist, dass sich ein Landwirt im Selbststudium zum Konstrukteur für Ackergeräte entwickelte und nun in der neuen Aufgabe des Firmeninhabers technologisch und betriebswirtschaftlich kreativ, ohne Einstellung von fremden Spezialisten, aber mit den Erfahrungen aus England das Unternehmen zum Erfolg führte. Er blieb sein eigener Geräteentwickler, formulierte die Gerätebeschreibungen und Einsatzempfehlungen selbst und gestaltete sie mit Skizzen. In diesem Material waren auch Pflege- und einfache Reparaturhinweise vorhanden. Diese Beschreibungen waren so exakt und vom landwirtschaftlichen Einfühlungsvermögen geprägt, dass sie als Lehr- und Schulungsmaterial an landwirtschaftlichen Schulen Verwendung fanden.
Die Technische Revolution war nun auch in Mitteldeutschland angekommen. Die Qualität der Erzeugnisse, ihre effektive Herstellung und Erprobung auf eigenem Versuchsgut sowie die Vertriebsstrategie weltweit (Europa, Russland, Afrika, USA) führten zu einer rasanten Entwicklung des Unternehmens „Rud. Sack", zur Jahrhundertwende mit etwa 1000 Mitarbeitern. Bis 1900 wurden insgesamt gefertigt und verkauft:
708.127 Pflüge
58.629 Drill und Sämaschinen
8380 Hackgeräte
188.170 verschiedene Umrüstsätze,
wobei davon 52% ins Ausland exportiert wurden.
Zu dieser Zeit sind eine Stahl- und Graugießerei, eine Schmiede mit 8 Dampfhämmern, ein Walzwerk, eine hydraulische 600t-Presse, eine Schlosserei mit Metallstanzen, Fräs-, Dreh-und Hobelmaschinen vorhanden. Als Kraftanlage dienten sechs Dampfmaschinen mit 500 PS und zwei Dynamomaschinen.
Im Todesjahr von R. Sack 1900 erhält sein Gespannpflug auf der Pariser Weltausstellung den Grand. Prix.
Dampfpfluglokomotive etwa 1890 von „Rud. Sack" mit zugehörigem Pflug
Zu dieser Zeit sind eine Stahl- und Graugießerei, eine Schmiede mit 8 Dampfhämmern, ein Walzwerk, eine hydraulische 600t-Presse, eine Schlosserei mit Metallstanzen, Fräs-, Dreh-und Hobelmaschinen vorhanden. Als Kraftanlage dienten sechs Dampfmaschinen mit 500 PS und zwei Dynamomaschinen.
Im Todesjahr von R. Sack 1900 erhält sein Gespannpflug auf der Pariser Weltausstellung den Grand. Prix.
Rudolph Sack war Unternehmer des 19. Jahrhunderts, einer Zeit des technischen Aufbruches in Deutschland und konnte die Reformen von Bismarcks Reichseinigung vorteilhaft nutzen. Die Regularien im Kapitalismus wie verkaufsfähige Produkte, ein ausreichender Markt und ein Reservoir an Arbeitskräften waren vorhanden. Sein komplexes Agieren von der Konstruktion der Geräte, der Fertigung und der Vertrieb waren sein Erfolgsrezept. Da seine Geräte aus Stahl hergestellt wurden, war er sehr vom Stahlpreis abhängig. Ihm gelang es, die Einkaufspreisschwankungen durch bessere Konstruktion der Geräte (beginnender Leichtbau), Durchsetzung des Baukastenprinzips bei den Geräten (verschiedene Werkzeuge für einen Rahmen, der Universalpflug) und verbesserte Technologie (Gründelherstellung) auszugleichen. Er nutzte diese Tatsache in der Werbung mit Erfolg. So kostete ein 2-spänniger Pflug gleicher Ausrüstung:
1854 45 Taler, 18 Neugroschen, 6 Pfennig
1866 38 Taler
1876 30 Taler oder 90Mk.
Im Gegensatz dazu stiegen die durchschnittlichen Arbeitslöhne von 20 Pf/h 1866 auf 34 Pf/h 1876, bei einer Arbeitszeit von 72h in der Woche.
Zur Ökonomie eines Unternehmens gehört es auch auf Marktschwankungen zu reagieren. In der Krise 1883 wurden 260 von 500 Arbeiter entlassen und damit das Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt - ein Vorgang damals wie heute. Um die Jahrhundertwende waren dann wieder etwa 950 Arbeiter (ohne Beamte) im Unternehmen tätig.
Rudolph Sack hat nie fremdes technisches Personal (Ingenieure, Techniker und Meister) eingestellt. Er entwickelte diese Spezialisten aus seinem Personalbestand. Auf diese Weise hat er die Führungsschicht des Unternehmens erfolgreich an sich und seine Ziele gebunden, was sich sicher auch ökonomisch auswirkte.
Insgesamt hat Rudolph Sack sein Unternehmen ökonomisch sehr erfolgreich geführt. Außer dem Anlagenwert des Unternehmens von etwa 4,5 Mio. M im Jahre 1897 beträgt das Privatvermögen von Rudolph Sack einschließlich seiner Wohnvilla 6,4 Mio. M. Dieser Betrag ist sehr hoch. Wenn man aber bedenkt, dass er ein persönlich haftender Gesellschafter ist, relativiert sich diese Frage, zumal er 1868 eine eigene Krankenkasse für seine Arbeiter und Beamten, eine Stiftung zur Unterstützung bedürftiger Arbeiter und Beamter im Umfang von 500.000 M sowie eine Urlaubsstiftung von 170.000 M geschaffen hat.
Rudolph Sack arbeitete und lebte in einem gesunden Spannungsverhältnis zwischen dem gewinnstrebenden Unternehmer, der Befriedigung der Bauern und den sozialen Erfordernissen seiner Arbeiter und Beamten. Dafür waren für ihn 12h am Tag nicht ausreichend.
Sein wesentlicher Verdienst ist jedoch die Schaffung eines Bodenbearbeitungssystems einschließlich der Aussaattechnik und dieses in industriemäßiger Fertigung erstmalig in Deutschland bereitzustellen. Im Prinzip benutzen wir heute noch die Wirkprinzipien, nur mit einem erheblichen Unterschied - einer wesentlich vergrößerten energetischen Basis. Baukastensysteme, Gerätereihen und Gerätekombinationen, wie er sie geschaffen hat, setzen wir heute noch ein.
Sein Sohn Paul führt das Unternehmen zu Deutschlands größtem Hersteller von Bodenbearbeitungsgeräten. 1904 wurde der 1-Millionste und 1911 der 2-Millionste Pflug ausgeliefert. 1912 fertigten etwa 2000 Arbeiter täglich 1000 Pflüge und 40 Drillmaschinen.
Ab 1923 übernehmen die Enkel Otto und Hans nach dem Tod ihres Vaters Paul die Leitung des Unternehmens und bauen dieses weiter aus.
Auch die Firma „Rud. Sack" war während der Zeit des Nationalsozialismus in die Kriegsproduktion eingebunden und beschäftigte im Februar 1945 1258 Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich zu katastrophalen Bedingungen. Dabei waren die Lebensumstände der „Ostarbeiter" noch schlechter als die der französischen Fremdarbeiter. Aus diesem Grunde wurde das Unternehmen 1945 von den amerikanischen Truppen stillgelegt und nach Volksentscheid 1946 in Sachsen 1948 enteignet und als VEB Bodenbearbeitungsgerätewerk (BBG) Leipzig mit gleichem landwirtschaftlichen Produktionsprofil weitergeführt. Nach mehreren strukturellen Veränderungen im Landmaschinenbau der DDR ging BBG als verantwortliches Unternehmen für Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflege, Pflanzenschutz und Rübenproduktion in das Kombinat „Fortschritt Landmaschinen" ein. Nach 1990 erfolgte in den Wirren der Wende eine mehrfache Umfirmierung, bis das Unternehmen letztlich erfolgreich 1999 im Unternehmensverbund von Amazone eingegangen ist.
In dem geschichtsträchtigen Jubiläumsjahr 2013 kann Leipzig auch auf eine 150-jährige Fertigung von Landmaschinen in ihren Mauern zurückblicken - vom Gründungsunternehmen „Rud. Sack" über den VEB Bodenbearbeitungsgeräte Leipzig (BBG) bis zu Amazone / BBG Leipzig.
Zur Zeit des VEB BBG wurde der Firmengründer Rudolph Sack nicht seiner Bedeutung entsprechend bewertet und so fand sich niemand, der sein Andenken z.B. in Form der Pflege seines Grabmals förderte. Senioren des ehem. VEB BBG haben dem abgeholfen. Durch ihre Initiative und Spenden sowie weitere Spenden des Nachfolgeunternehmens Amazone / BBG, von Mitgliedern der Familie Sack und mit Unterstützung des Amtes für Denkmalpflege konnte das Grabmal auf dem Friedhof Leipzig-Plagwitz restauriert werden. Im Rahmen der 150-Jahrfeier von Amazone BBG erfolgte eine Ehrung von Rudolph Sack an seinem Grabmal.
Literatur:
Otto und Hans Sack: Rudolph Sack sein Leben und sein Werk Firma Rud. Sack Leipzig Plagwitz
1925
Manfred Rüstig: BBG, Landmaschinenbau in Leipzig, Mensch und Werk. Schriftenreihe zur Entwicklung der Industrie der Stadt Leipzig. VOKAL 2008
Jürgen Lucius: Rudolph Sack, ein deutscher Pionier der Landtechnik des 19.Jahrhunderts. „Der goldene Pflug" Heft 33 Deutsches Landwirtschaftsmuseum der Universität Hohenheim
A. Engelbrecht: Der Mensch als Rohstoff, sowjetische Zwangsarbeiter in Leipzig am Beispiel der Rudolf Sack KG.
Bachelor-Arbeit. Historisches Seminar, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Leipzig 2010
Bildnachweis:
Die historischen Bilder stammen aus der Veröffentlichung von Otto und Hans Sack: Rudolph Sack sein Leben und sein Werk. Firma Rud. Sack Leipzig Plagwitz 1925.
Das Gemälde von Rudolph Sack befindet sich im Privatbesitz der Urenkelin Frau Dr. Gohla, die dem Autor die Genehmigung zur Veröffentlichung erteilte.
Das Foto des Grabmales für Rudolph Sack ist von Dr. Jürgen Lucius aufgenommen.