Lebenslang wurde ihm Goethe zu seinem Zentral-Gestirn. Fand er doch bei ihm das wortgewordene Wunder im Gedicht u n d, auf die gleiche Höhe gehoben, die Schwesternkunst: die Musik.
Noch in den letzten Jahren seines Lebens notierte Schumann in seinen „Dichter-Garten“ - es sollte eine Anthologie von Äußerungen über Musik in der Weltliteratur seit der Antike werden – diese Goethe-Worte aus dem Eckermann vom 6.März 1831:
In der Poesie ist durchaus etwas Dämonisches, und zwar vorzüglich in der unbewussten, bei der aller Verstand und alle Vernunft zu kurz kommt und die daher auch so über alle Begriffe wirkt. Dergleichen ist es in der Musik im höchsten Grade, denn sie steht so hoch, dass kein Verstand ihr beikommen kann, und es geht von ihr eine Wirkung aus, die alles beherrscht und von niemand imstande ist, sich Rechenschaft zu geben…, sie ist eines der Mittel, um auf die Menschen wunderbar zu wirken.
Als Thomas Mann 1948 in einer Zeitungs-Rundfrage nach seinem „Lieblings-Gedicht“ gefragt wurde, vermochte er nicht, sich sogleich auf e i n e s festzulegen – wem ginge es nicht so? - Doch dann spendete er zwei Eichendorff-Gedichten die Krone und – unser Thema – bindet sie an ihre Vertonung: Die Gedichte Zwielicht und Mondnacht. Sagt zu ersterem: „ Vielleicht würde ich es nicht so lieben, wenn Schumann es nicht so unglaublich genial vertont hätte“, und nennt das zweite: „Die Perle der Perlen“.
Hier der Text von Zwielicht:
Dämmrung
will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die
Bäume,
Wolken zieh’n wie schwere Träume -
Was will
dieses Grau´n bedeuten?
Hast ein Reh du lieb vor
andern,
Laß es nicht alleine grasen,
Jäger zieh’n im
Wald’ und blasen,
Stimmen hin und wider wandern.
Hast
du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser
Stunde,
Freundlich wohl mit Aug’ und Munde,
Sinnt er
Krieg im tück’schen Frieden.
Was heut müde gehet
unter,
Hebt sich morgen neu geboren.
Manches bleibt in
Nacht verloren -
Hüte dich, bleib’ wach und munter!
Dem Klischee-Bild deutscher Romantik – das Gedicht erschien 1815 – entsprechen diese Verse gewiss nicht. Sie sprechen vielmehr die dunklen Seiten menschlicher Existenz an. Die es immer gab, die heute jedoch noch bedrängender geworden sind. Das macht die Modernität der Strophen aus. Thomas Mann empfand es so im Jahre 1948. Nur scheinbar verspricht die 4. Strophe Versöhnendes: Was heut müde gehet unter,/Hebt sich morgen neu geboren./ Manches geht in Nacht verloren… - wie einfach, wie gültig gesagt!-- Allein, die letzte Zeile: Hüte dich, sei wach und munter! reißt zurück ins Zwielicht, gar ins Grauen.
Die Einleitung des Klavierparts umfasst schon das ganze Lied, und der Schlussvers ist unheimlich in der Vertonung. Ein Rezitativ, bedrohlich ins Verstummen leitend.
Nun der Text von Mondnacht:
Mondnacht.
Es war, als hätt’
der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im
Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt’.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Aehren
wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar
war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre
Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie
nach Haus.
Man kann das eigentlich nur hören, in einer bildlichen Vorstellung aufnehmen, sodann einzig noch schweigen. Schumann gibt dem Lied keine Tempobezeichnung, sondern stellt allein die Worte „Zart, heimlich“ voran.
Mir waren seit der ersten Begegnung mit diesem Gedicht immer die letzten Worte, dieses: Als flöge sie nach Haus, der Assoziationsraum: Das Vertraute, Schützende, Gemiensame. Für den frommen Eichendorff zieht das Wort wohl „in eine mystische Vereinigung mit der Natur“.
„Die Perle der Perlen“, so Thomas Mann.
Es muss Robert Schumann eine schönste Bestätigung seines Schaffens sein, als er im Januar 1847 in Wien, nach einer Matinee, auf der einige seiner Eichendorff-Lieder vorgetragen wurden, vom anwesenden Dichter – auch Grillparzer und Stifter waren zugegen – gesagt bekam: Er habe seinen Liedern erst Leben gegeben. Auch schrieb er beiden Schumanns ins Stammbuch:
„Es träumt ein jedes Herz / Vom fernen Land des Schönen./ Dorthin, durch Lust und Schmerz / Schwingt wunderbar aus Tönen / Manch‘ brücke eine Fey --/ O holde Zauberei! Wien, den 20. Januar 1847. / Zur gütigen Erinnerung an Ihren / gantz ergebenen / Joseph Freiherrn v. Eichendorff.“