Leipzig-Lese

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Horst Nalewski: Kennst du Rainer Maria Rilke?

Horst Nalewski: Kennst du Rainer Maria Rilke?
Der Autor ist ein bedeutender Rilke-Kenner. Es ist ihm gelungen, den konfliktreichen Weg des Dichters für Leser ab etwa 15 Jahren in verständlicher Sprache darzustellen und solche Texte Rilkes auszuwählen, die auch für junge Menschen von Bedeutung sind. Durch die Verknüpfung von Biografie und ungekürzten Texten, ergänzt durch viele Fotos, wird den Lesern ein anschauliches Bild des großen Künstlers vermittelt. Obwohl in erster Linie für junge Leser gedacht, ist das auf hohem Niveau und in vorbildlicher Diktion geschriebene Werk Nalewskis für alle Rilke-Freunde eine Bereicherung.

Zu bestellen: http://bertuch-verlag.de/69-0-Kennst-du-Rainer-Maria-Rilke.html

Rainer Maria Rilke und sein Leipziger Verlag

Rainer Maria Rilke und sein Leipziger Verlag

Prof. Dr. habil. Horst Nalewski

 

Erinnert sei: Diese Stadt Leipzig wurde von der Zeit an, da der Buchdruck erfunden, 1455, über fünf Jahrhunderte zu einem, schließlich zu dem Zentrum der Buchherstellung, des Buchhandels, der Buchkultur. Vergleichbar mit keiner anderen europäischen Stadt. Man liest die Namen von Verlagen, zurückreichend bis ins 18. Jahrhundert - auch wenn sie heute nicht mehr oder nicht mehr hier existieren - , auf Leipziger Straßenschildern: Breitkopf, Göschen, Kippenberg, Brockhaus, Reclam, Seemann, Baedeker, Tauchnitz u.a.       

Porträt des Rainer Maria Rilke von Paula Modersohn-Becker
Porträt des Rainer Maria Rilke von Paula Modersohn-Becker

Und nun: Da lebt also jemand, gerade 20 Jahre alt, auf der deutschen Sprachinsel Prag, im tschechischen Böhmen, will ein Dichter sein oder es mit aller Macht werden, nennt sich in Brief-Unterschriften: Rene Maria Caesar Rilke oder Rene Maria Rilke, Schriftsteller, und bombardiert Zeitschriften und Verlage in Österreich und vor allem in Deutschland mit den Früchten seiner frühen Produktion.
Wichtigster Zielort seiner hektischen Aktivitäten ist ihm Leipzig. Zunächst sind es kleinste Verlage wie Kattentidt und Friesenhahn - letzterer verlangte für den Gedichtband Traumgekrönt, 1896, 300 RM Druckkostenzuschuss. Das gab es also damals schon! - ; doch dann sind es Velhagen und Klasing und der gerade 1900 entstehende Insel-Verlag. Hier erscheint in jenem Jahr das lange Zeit populärste Büchlein Rilkes Vom lieben Gott und anderes; übertroffen nur noch von dem Erfolg des Cornet. Der Weise von Liebe und Tod .. , der 1912 die Insel-Bücherei eröffnete und heute, wie kein anderes Büchlein dieser Reihe, eine Auflagenhöhe von über einer Million erreicht hat.

Im Nachhinein möchte man das Jahr 1905 ein "Schicksalsjahr" nennen: Für den Dichter, für den Verleger, für Rainer Maria Rilke, für Anton Kippenberg. In eben jenem Jahr übernahm er die Leitung des in großen finanziellen Schwierigkeiten steckenden Insel-Verlags und brachte Rilkes ersten bedeutenden Gedichtband heraus: Das Stunden-Buch. Seitdem hatte Rilke eine Verlags-Heimat und Kippenberg seinen schließlich berühmtesten Autor gefunden.

Anton Kippenberg
Anton Kippenberg

Persönlich begegneten sich beide erst 1910: Da war Rilke aus Paris nach Leipzig gekommen, wohnte bei Kippenbergs in der schönen Villa, Richterstr.27 (im Februar 1945 total zerbommt), und diktierte im "Turm" des Hauses aus Taschenbüchern den Text seines Prosa-Buches Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge der Sekretärin in die Maschine. Sechs Jahre hatte er sich um das Werk gemüht. Rilke war ein außerordentlich gewissenhafter Autor geworden.

Rilke dankte dem Hausherrn wie ein endlich Befreiter: "Sie glauben nicht, wie sicher und ruhig mich die Erfahrung Ihrer Gastfreundschaft macht." (1.2.1910)

Doch nun trat etwas ein, was beide wohl nie für möglich gehalten hatten: Rilke geriet in eine Schaffenskrise, die über ein Jahrzehnt andauerte. Allein der höchsten Bewunderung wert muß uns der anhaltende Beistand des Verlegers für seinen Autor sein, der Glaube an die wie auch immer geartete Kreativität des Künstlers, der sich mit Werken ja bewiesen hatte. Kippenberg verbürgte sich fur die materielle Existenz seines Autors, über die Vorkriegszeit, die Zeit des Krieges und der Revolution, die ersten Jahre in der Schweiz, wohin Rilke emigriert war. Er kehrte nie wieder nach Deutschland zurück.

Doch als ihm im Februar 1922, wie in einem Wunder, in einem unvergleichlichen schöpferischen Ansturm die Vollendung seiner Elegien-Dichtung gelang - Duineser Elegien -, und dann auch noch ganz unerwartet eine reiche Sonetten-Sammlung - Die Sonette an Orpheus - , da schrieb er an seinen Verleger nach Leipzig: "Mein lieber Freund, spät, und ob ich gleich kaum mehr die Feder halten kann ... es muß .. .Ihnen muß es noch heute, jetzt noch, ehe ich zu schlafen versuche, gesagt sein: ich bin überm Berg! Die 'Elegien' sind da. Endlich! ... Und: mein lieber Freund: dies, daß Sie mirs gewährt haben, mirs geduldet haben: zehn Jahre! Dank! Und immer geglaubt: Dank!"(9.2.1922)*

Rilkes Dichtung und die weit über zehntausend hinterlassenen Briefe gehören bis in die Gegenwart hinein zu den Säulen des Insel Verlags, der heute seinen Sitz in Frankfurt a.M. und Leipzig hat. 

Quellen:

* Schnack, Ingeburg und Scharffenberg, Renate. Hg.: Rainer Maria Rilke. Briefwechsel mit Anton Kippenberg. 
  Insel Verlag Leipzig/ Frankfurt/M 1995, S. 255 f.

Nalewski, Horst: Rainer Maria Rilke in seiner Zeit. Insel Verlag Leipzig/ Frankfurt/M 1992

Nalewski, Horst: Kennst du Rainer Maria Rilke? Bertuch-Verlag. Weimar 2005  
              

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