Leipzig-Lese

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Ein Buch, das zu Herzen geht

Klinikclown Knuddel erinnert an die vielen Kindern und Jugendlichen, die er begleiten durfte, und in seinen Geschichten lässt er ihr Wesen und ihre Persönlichkeit nochmals aufleben. Geschichten über die Liebe und einen Clown im Sterbezimmer.

Rudolf Hildebrand erlebt in Leipzig die 48er Revolution

Rudolf Hildebrand erlebt in Leipzig die 48er Revolution

Prof. Dr. habil. Wolfgang Brekle

Medaillon Hildebrands von Seffner aus Wikipedia gemeinfrei
Medaillon Hildebrands von Seffner aus Wikipedia gemeinfrei

Der am 13.3.1824 in Leipzig geborene und 1894 in seiner Geburtsstadt auch gestorbene Wissenschaftler wirkte zeit seines Lebens in seiner Hei­matstadt: nach Schulbesuch und Studium zu­erst kurzzeitig am Brockhaus-Verlag, dann 20 Jahre als Lehrer an der Thomasschule und schließlich als Professor für Germanistik an der Universität. Er erzielte allerdings Wirkungen weit über seine Heimatstadt hinaus, besonders durch seine zeitweise leitende Mitarbeit am Grimmschen Deut­schen Wörterbuch sowie durch mehrere Auflagen seines pädagogischen Hauptwerkes "Vom deutschen Sprachunterricht in der Schule und von deutscher Erziehung und Bildung überhaupt".

Rudolf Hildebrand wurde als zweites von fünf Kindern geboren. Der Vater war ein bildungsbeflissener Schriftsetzer im Brockhaus- Ver1ag Leipzig. Vom   12. Lebensjahr an war er Schüler der Thomasschule, wo ihm aufgrund seiner Leistungen und des niedrigen Einkommens seines Vaters das Schulgeld erlassen wurde. Auf diesem humanistischen, also altsprachlichen Gymna­sium vermisste er Unterricht über die klassische und zeitgenössische deut­sche Literatur. Auf Wunsch seines Vaters begann er 1843 das Theologiestudium, wechselte aber nach einem Jahr zum Philologiestudium. Prüfungen legte er in Philosophie, Geschichte, Althochdeutsch, Latein, Griechisch, Französisch, Mathematik und Pädagogik inklusive einer prakti­schen Lehrprobe ab. Er erhielt das Prädikat 'ausgezeichnet'. Die Prüfungen fanden l848 zeitgleich mit den Revolutionstagen in Paris, Wien und Berlin statt. Hier einige Auszüge aus seinem Tagebuch, das sich im handschriftlichen Nachlass in der Leipziger Universitätsbibliothek befin­det:

 "29. febr. dienstag (1848). In Frankreich ist revolution ... , republik prokla­miert, provisorische regierung, nationalversammlung berufen ... constitu­tion mit preß freiheit und ministerverantwortlichkeit, die welt scheint sich umwenden zu wollen, die Italiener haben in einem sprunge von 14 Tagen erlangt, was wir in 30 jahren nicht, und wir Deutschen sitzen wieder da in hypochondrie, philosophie, weltschmerz, staubaufwühlen ... Und an diesem vorabend des jüngsten gerichts des modernen geistes will ich mein philosophisches examen machen und soll mein gedächtnis in verfaulte zeiten versenken und mit gemüthsruhe auf die fragen der geistigen inquisatoren antworten - du lieber himmel! Mit stürmen möchte ich ...

4. merz. ... Ich kann gar nicht sagen, wie ich die Franzosen beneide um ihre jetzige politische und soziale wiedergeburt ...

5. merz. Hoffnung! hoffnung! der deutsche genius lebt noch; laßt ihn nur erst ein bischen noch zu sich selbst kommen und er wird sich dem französi­schen würdig an die Seite stellen ... und bei uns hier in Leipzig ... stadtrat und stadtverordnete sind einig ... , und das volk ist warm und entrüstet ge­nug ... und was das herrlichste von allem, der gelehrtenstand wird deutsch und politisch, er der bisher in Sachsen noch am meisten in dem alten ge­lehrtenkosmopolitismus ... stak.

Freilich bis zur republik haben wir noch weit, und doch sehe ich jetzt sie als einzige vernünftige consequenz der modernen prinzipien und bedürf­nisse: denn wir müssen frei werden von allem, was über uns steht.

freitag, 10. merz. Preßfreiheit!

montag, 13. m. Die welt wird anders, Deutschland wird anders; die deut­sche nation zieht den schlafrock aus, es geht die zeit des ringens und schaf­fens, der größe und des ruhmes an. ...

sonntag 26. merz. Eben bin ich mit meiner deutschen examensarbeit fertig geworden, mitten unter den stürmen der revolution - sie ist über Walther von der Vogelweide, meinen leibdichter nach Shakespeare, meinen deut­schen Liebling ...

donnerstag 30. merz. Heute geht in Frankfurt der deutsche bundestag los, der die reichsverfassung constituiert ... und dann innigere verschmelzung der deutschen stämme - das wird herrlicher, als es in der ganzen deutschen geschichte noch gewesen ist. Wenn nur der preußische König erst ganz ge­demüthigt wäre!

Montag, 10. juli. Deutsche Fahnen, eichengewinde, communalgarde über­all: der neue reichsverweser über Deutschland: Erzherzog Johann von Ös­terreich kommt mittag hier durch auf seinem zuge nach Frankfurt!

Hoch mein Deutschland!

Hoch mein theures vaterland! ...

Kein Österreich, kein Preußen! ein einiges Deutschland! ... "                                         "7

Nach seinem Studium wurde Hildebrand Korrektor an der in Leipzig herausgegebenen liberalen Allgemeinen Deutschen Zei­tung, aber schon nach 1/2 Jahr durch Vermittlung seines ehemaligen Rektors Lehrer an der Thomasschule. Von 1852-1890 arbeitete er - z. T. neben seiner beruflichen Tätigkeit -  am Grimmschen Wörterbuch mit. Am 23.4.1874 wurde Rudolf Hildebrand zum ordentlichen Professor für neuere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Leipzig berufen. Hildebrand war in seinen letzten Lebensjahren durch Rheumaleiden gelähmt  und durch seine Tag- und Nachtarbeit am Grimmschen Wörterbuch fast erblindet. Er starb am 18.10.1894; eine Trauerfeier fand in der Leipziger Universitätskirche statt. Die Trauerrede hielt der bekannte Leipziger Germanist Eduard Sievers. Ein Jahr später (am 13.10.1895) wurde auf dem Leipziger Johannisfriedhof ein Grabmal ent­hüllt, geschaffen von Karl Seffner mit Hildebrands Bildnis in Form eines Medaillons und der Inschrift:

Rudolf Hildebrand (1824 - 1894)

Zum Dank für deutsche Gesinnung, Forschung und Lehre.

Gewidmet von Schülern und Freunden.

Leider ist diese Grabstätte auf dem Johannisfriedhof m. E. nicht mehr vorhanden. Rudolf Hildebrand bleibt unter anderem in Erinnerung durch mehrere nach ihm benannte Schulen, so auch durch die Rudolf-Hildebrand-Schule (Gymnasium mit Internat) in Markkleeberg, das vor allem durch seine vorbildliche musische Bildung schon seit Jahrzehnten weit über Leipzig hinaus bekannt geworden ist.

 

 

Literatur:

Rudolf Hildebrand: Tagebuch 1844-1849. Nachlass Nr. 158: 1.10, S. 80 ff., Universitätsbibliothek Leipzig (handschr.)

Brekle, Wolfgang: Leben und Werk des Leipziger Pädagogen und Germanisten Rudolf Hildebrand. In: Brekle, Wolfgang / Polz, Marianne: Die Diskussion geht weiter. Bertuch Verlag Weimar 2005                                                                                                                         &nnbsp;                          Antje Leike:  Heinrich Rudolf Hildebrand (1824-1894) - ein Vorläufer der Reformpädagogik. Neuwied 1992

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