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Horst Nalewski
Kennst du Rainer Maria Rilke?
Der schwere Weg zum großen Dichter

Der junge Rilke wächst in Prag auf undentwächst den bürgerlichen Vorstellungen seiner familiären Umgebung. Auf der stetigen Suche nach sich selbst, findet er Halt im Schreiben und schreibt viel. "Der schwere Weg zum großen Dichter" ist hier verständlich und interessant dargestellt.

Rudolf Große, Geburtstage - Jahrestage

Rudolf Große, Geburtstage - Jahrestage

Rudolf Große Foto: Rudolf Große
Rudolf Große Foto: Rudolf Große

Jahrgang 1924  

Die Dekadenschritte im Leben können Markierungen abgeben, die Abschnitte des Erlebten mit den großen Zusammenhängen wie in den per­sönlichen Bin­dungen eindrücklich charakterisieren. Im Rückblick ist es erstaunlich zu sehen, wie sich das Bild verschiebt sowohl durch die eigene Entwicklung als auch durch die Vielfalt der Beziehungen, in die man mehr oder weniger eng einbezogen war. Die Geburtstage als Bezugspunkte erscheinen doch recht geeignet. Sei es versucht!  

1954: Nach den Unsicherheiten der Nachkriegszeit ist 1954 mit der Promotion die Ausbildungsphase beendet, wobei uns Ludwig Erich Schmitt schon gleich nach dem Staatsexamen 1952 mittelhochdeutsche Proseminare halten ließ. Peter von Polenz war dabei, als ich mir 1950 von Halle kommend solide philologische Grundlagen erworben hatte, nun in Leipzig aufs Examen zu­steuerte und bei Schmitt nach einem dialektologischen Thema fragte. Peter, schon mit seiner altenburgischen Sprachlandschaft beschäftigt, lenkte mich auf seine Nachbarschaft, die Rochlitzer Pflege hin, von wo aus ich dann bis zur Elbe das ganze Meißnische erkunden musste. Daraus ist eine feste Freundschaft er­wachsen, die auch die räumliche (und politische) Trennung nach seinem Weggang nach Marburg im Februar1952, zusammen mit Schmitt, und nach seinem Aufstieg in Heidel­berg und Trier nicht geschmälert wurde...Zu seinem 50. Doktorjubiläum haben wir ihn im Jahr 2002 mit dem Ehren­doktorat ge­schmückt. Die Feier im „Coffee-Baum", an seinem „Goldenen Polterabend", war eine allseits gelungene Sache.

Nach dem Weggang von Schmitt hat Frings uns, die zurückgebliebenen Dokto­randen, ohne die geringsten Vorbehalte übernommen und die Promotionen abge­wickelt.

Viele Freunde und Kollegen trafen 1952/54 meist im Zimmer 11 im I. Geschoss des alten Uni­versitätsgebäudes, hinten mit Blick auf das Leibniz-Denkmal, zusammen, wo Gerhard Worgt und ich unseren Arbeitsplatz hatten und wo Gerhard oft auch seine Niederländisch-Seminare abhielt, bei denen ich, über meine Dialektkarten gebeugt, „subkutan" etwas Niederländisch mitbekam. Frings schaute öfter vorbei, weil Gerhard so schöne mysogyne Wochensprüche an der Tür aushängte, über die der Herr Professor so herzlich lachen konnte.

Von denen, die mir damals 1954 zum Geburtstag und zum Doktorhut gra­tulierten, sind nur wenige übrig geblieben, die beiden Nordisten, Ernst Walter und Rolf Heller, Hans Walther in der Arbeitsstelle der Namenforscher am Petersteinweg (damals wohl noch nicht Ernst Eichler) und Helmut Protze.

 

Prof. Theodor Frings Quelle: Rudolf Große
Prof. Theodor Frings Quelle: Rudolf Große

1964: Die Habilitation ist bewältigt. Frings hatte von einer Monumenta-Sitzung in München die Aufgabe mitgebracht, für den Druck in der Reihe FONTES IVRIS GERMANICI ANTIQUVI einen mitteldeutsch-nieder­deutschen Über­lieferungs­zweig vom Schwabenspiegel zu untersuchen, der ins Vorharz­gebiet führte und damit ins Sachsenspiegelland, für Fachleute eine reizvolle Aufgabe, für den Sprachhistoriker freilich ein Randgebiet, und mit viel Mühe und Fleißarbeit verbunden, sogar die Ehefrau hat mit helfen müssen bei der aufwändigen Zettelarbeit (mehr als 33000!).

Frings war weiterhin (sieben Jahr nach seiner Emeritierung) kommissarischer Institutsdirektor, und das war gut so, konnte er doch manche politische Zumutung abwehren, notfalls indem er „die besten Leute" nach Berlin an die Akademie abzog, so 1959 Frl. Schieb, Frl. Linke, Flämig und Kramer, weil die Parteileitung Schwierigkeiten wegen Flämig machte. Mir wurde der Weg offen gehalten, aber ich wurde Bewährungsproben ausgesetzt, so als Prodekan der neuen Philologischen Fakultät. Im Übrigen war die Zusammenarbeit mit Eberhard Brüning als Dekan recht sachlich und persönlich freundschaftlich.

Im Institut stand die Ausbildung im Mittelpunkt, durchaus auch in Proseminaren mit 50-60 Teilnehmern, wie es die Anwesenheitslisten ab 1957 ausweisen, die in einem Heft erhalten geblieben sind. Jetzt nahm Wolfgang Fleischer die Oberassistenten-Geschäfte wahr, gründlich, aber unaufdringlich.

Seit 1961 ist die DDR abgeriegelt. Wir haben es nie tiefgreifend als nachteilig empfunden, da meine Frau und ich uns mit dem Hauskauf schon 1955 festgelegt hatten, auch die Kontakte mit den Weggegangenen ohne Schwierigkeiten aufrecht erhalten konnten, mir sogar Dienstreisen möglich waren, so zu einer Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim 1965, mit dem Auftrag, über die Forschungen in der DDR zur deutschen Gegenwartssprache zu berichten, was in Mannheim mit Interesse aufgenommen wurde. 1966 durfte sogar eine ganze Delegation von Fachleuten unter Leitung von Dr. Ising am Internationalen Dialektologen - Kongress teilnehmen und dort eine Broschüre über unsere ein­schlägigen Arbeiten vorlegen.

Nach dem 11.Plenum des ZK der SED 1967 wehte dann freilich ein anderer Wind. Da war es gut, dass der Schutzschirm von Frings noch wirkte. Sein 75. Geburtstag in Bad Elster, an dem ich von Brambach aus teilnehmen konnte, war eine letzte große Sache, mit Be­such von Wolfgang Steinitz, der die Grüße von Regierung und Berliner Aka­demie überbrachte. Die Trauerfeier nach seinem Tod am 6.Juli 1968 hat  Frings dann im engsten Kreis gewünscht; Frau Frings hat mich gebeten, die Trauerrede zu halten, was mir nicht leicht gefallen ist.

1974: Mit 50 Jahren Großvater ist auch eine Leistung! Janka wurde vor einem Monat geboren.

Das Germanistische Institut ist im Universitätshochhaus im 11. Stock, wo Fleischer und ich zusammen ein Zimmerchen haben; die meiste Arbeit spielt sich in dem großen Raum der Assistenten ab. Träger hat es bei der Hoch­schul­reform als Sektions­chef erreicht, dass die Germanistik zusam­menbleibt, nicht wie die anderen Philologien auf die Sektionen Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft aufgeteilt wird. Er lässt uns viel Spielraum und regiert uns nicht ideologisch herein. Frau Kändler als Dozentin für Stilistik bei uns tut nur das Nötigste in dieser Richtung. Unter den Mitarbeitern herrscht Einmütigkeit, nicht Drangsaliererei.

Auf Zabrockis Anregung hin ist eine deutsch-polnische Germanistenkommis­sion gebildet worden, Aleksander Szulc und ich als Vorsitzende, jedes Jahr mindestens eine Veranstaltung bei uns oder in Polen. So entstehen enge, freund­schaftliche Kontakte. Eine Herder-Tagung in Mohrungen, von Walter Dietze in Weimar organisiert, war eine schöne Sache.

Mehrere Vortragsreisen ins sozialistische Ausland: Ungarn, Bulgarien, Rumä­nien; am interessantsten Usbekistan, mit vier Wochen in Taschkent auf Einlad­ung von Frau Raschidowa. Bei ihrer Kollegin Isbekowa das heimische Leben kennen gelernt: ein Berg Plow (Reis mit Hammelfleisch drin) in der Mitte auf dem Tisch, und die Runde der Teilnehmer greift mit den Fingern zu: „Nur so schmeckt es richtig!"

1984: Zur Feier des 60. Geburtstages Stehkonvent im Hotel International. Viel Beteiligung, besonders gefreut hat mich die Gratulation von Fräulein Stohmann, unsere früheren Sekretärin, und Fräulein Schieb. Aber auch sonst nur Freundlichkeit, auch von der SED-Parteileitung der Sektion. Die Söhne haben es mit nicht geringem Staunen miterlebt.

Im Institut nun vor allem Spezialseminare. Schon eine beträchtliche Zahl von Doktoren zum Ziel geführt; auch Uta Störmer ist darunter, recht selbständig schon jetzt mit dem Zugriff zu einer Handschrift in Gotha. Ihren Weg hat sie nachher über Göttingen und Erlangen ge­macht mit einer tüchtigen Habilarbeit über das Gewissen in der Mittelalter-Literatur, einschließlich der lateinischen. Mein Anstoß, die vorlutherische Kate­chetik aufzuarbeiten, hatte einen großen Wurf veranlasst.

Der Europäische Dialektatlas, den Antonius Weijnen aus Nimwegen angeregt hatte, ist mit einer international besetzten Redaktion ins Laufen gekommen und tagt jedes Jahr in einem der beteiligten Länder. So waren sie auch schon bei uns in Leipzig in der Akademie, und ich bin auf diese Weise etwas herum­gekommen, habe Edinburgh und Kopenhagen kennen gelernt und sogar in Italien Bardonecchia in den Westalpen.

1994: Fünf Jahre nach der Wende, die uns mit der Einheit Deutschlands manche Vorteile gebracht hat. Auch die DDR-Rente ist nach einigem Hinundher akzep­tiert worden. Noch im September davor feierliche Emeritierung im großen Saal des Gewandhauses während der Immatrikulationsfeier für die neuen Studenten.

Den Wendeprozess haben wir nur passiv miterlebt, ohnehin nicht an Straßen­kund­gebungen interessiert; aber bewegend war natürlich das ganze Geschehen durchaus. Wenn man auch mehr an der Wissenschaft als an der Politik beteiligt war, so war es eigentlich bei der wirtschaftlichen Entwicklung auch für den Laien voraus­zusehen, dass das gesellschaftliche System der DDR mit seinem gut gemeinten, aber nicht finanzierbaren Ware-Nichtware-Prinzip einfach auf eine Implosion hinsteuerte.

2004: Rentnerdasein, aber mit der Freude, dass es den Söhnen und den Enkeln gut geht.

Rudolf Große Quelle: Rudolf Große
Rudolf Große Quelle: Rudolf Große

Den Herausgebern der Leipzig-Lese sei gestattet, Rudolf Großes hier mit seinem Einverständnis wiedergegebenen Aufzeichnungen einige Sätze aus der Festschrift hinzuzufügen, die anlässlich seines 65. Geburtstags am 28. Juli 1989 in der Reihe „Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik" erschienen war. Die Verfasser der Festschrift schrieben:

In der Tat: Rudolf Große verkörpert in seinem Wirken in der neueren Entwicklung der germanistischen Linguistik wie kaum eine andere Gelehrtenpersönlichkeit die lebensvolle Einheit von wissenschaftsgeschichtlichem Erbe und aktuellen Erfordernissen, ... von Kontinuität und Innovation. Sie heben Großes weit gespannte Konzeption der Forschungen hervor, die gegenwartssprachliche und sprachgeschichtliche Prozesse zu ganzheitlicher Betrachtung verbindet...

Vielfältig sind die Ehrungen, die R. Große für sein wissenschaftliches und wissenschaftsorganisatorisches Wirken zuteil geworden sind, die - um nur das Wichtigste zu nennen - ordentliche Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften der DDR und in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, die ehrenvolle Berufung in nationale und internationale wissenschaftliche Gremien und deren Leitung, die Auszeichnung mit dem Grimm-Preis der DDR.

Der Jubilar ist jedoch nicht nur einer der erfolgreichsten germanistischen Forscher der DDR, sondern auch ein außerordentlich geschätzter Hochschullehrer. Sie betonen seine menschliche, zurückhaltend-freundliche Art des Umgangs mit Kollegen und Studenten, was wir, die Herausgeber dieser Leipzig-Lese, nur bestätigen können, da wir dies in den 50er und 60er Jahren als seine Studenten selbst erleben durften.

Die Zählung der bis 1989 erfolgreich zur Promotion und Habilitation geführten Nachwuchswissenschaftler ergab die Zahl 60.

Am 08.01.2017 ist Rudolf Große in Leipzig verstorben. Er wurde im Kreise seiner Familie in einem Friedwald bestattet.

Der Bertuch-Verlag dankt dem Autor für das Recht, seine Fotos in diesem Artikel zu nutzen.
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