Der Kriegsgegner Christian Fürchtegott Gellert missbilligt die „Preußischen Kriegslieder..." des Dichters Johann Wilhelm Gleim (1719 - 1803) und antwortete darauf mit der Herausgabe seiner geistlichen Oden und Lieder. In ihnen formuliert er keine dogmatischen Grundsätze, reflektiert aber theologische Wahrheiten. Doch im Grunde sind seine Lieder Gebete, die jeder Christ, wer er auch sein mag und wie gebildet er auch ist, mitbeten kann. Choräauml;le wie „Jesus lebt, mit ihm auch ich..." (EG 115), „Mein erst Gefühl sei Preis und Dank,..." (EG 451) oder„Wenn ich o Schöpfer, deine Macht, ...-(EG 506) werden noch heute im Gottesdienst gern gesungen. Im März 1758 erfolgte die erste Vertonung der Lieder durch keinen geringeren als den Komponisten Philipp Emanuel Bach (1714- 1788). Und wie viele Chöre sangen einst und singen noch heute die von Beethoven vertonte Ode „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre".
Nach einer dreiwöchigen Kur in Bad Lauchstädt kehrte Gellert 1757 nicht wieder nach Leipzig zurück, sondern versucht in Bonau (heute OT von Teuchern in Sachsen-Anhalt) den Kriegswirren zu entkommen. Doch das gelingt ihm nicht, denn auch Bonau wird von den Kampfhandlungen tangiert. Gellert hört den Kanonendonner der Geschütze, die in der Schlacht bei Roßbach zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu sehr vielen anderen Deutschen ist Gellert schockiert, als er vom Sieg der Preußen über die Franzosen und das Reichsexekutionsheer hört.
Erst im Mai 1758 ist er wieder in Leipzig und nimmt dort seine Lehrtätigkeit auf. Doch in dem von Preußen besetzten Leipzig will er nicht bleiben, er zieht sich lieber auf die Güter der Familie Vitztum in Wölkau und Störmthal zurück. Von einem unbekannten Gönner am Warschauer Hof erhält Gellert überraschend eine Jahrespension in Höhe von 150 Talern.
Am 11.Dezember 1760 kommt es zu dem denkwürdigen Gespräch zwischen Gellert und dem preußischen König Friedrich II. Der hatte Leipzig nach der verlustreichen Schlacht bei Torgau zu seinem Hauptquartier gemacht. Er residiert im „Könighaus" am Leipziger Markt.
An Moritz Wilhelm zu Dohna schreibt Gellert: „Die Unruhen des Krieges, ja, liebster Graf, sie sind groß, und ich beklage Sie und uns und bitte Gott, o möchte er ihn uns bald geben, um Frieden, um Frieden. Seit gestern habe ich ein Lazaret zur Rechten und eins zur Linken, und das eine stößt unmittelbar an mein Kammerfenster. Welche angstvolle Nachbarschaft! Ich kann sie nicht aushalten, das sehe ich."
Das Gespräch mit Gellert kam zustande, nicht weil Friedrich II. sehr großes Interesse daran hatte, sondern weil der englische Gesandte bei Hofe, Sir Andrew Mitchell es dem König dringlich empfohlen hatte.
Gellert hat vor dem etwas exzentrischen und ruhmsüchtigen Spötter aus Potsdam keine Furcht, wie er in einem Brief an Johanna Erdmuth von Schönfeld betont, mit der er befreundet ist. Den Dialog mit dem König hielt Gellert in einem „Gedankenprotokoll" in diesem Brief fest:
Er (Friedrich II.) „mag wohl schon wissen, dass ich geistliche Lieder gemacht habe; u. das ist mir sehr lieb. Wenn er spotten will, so werde ich ihm sagen: Sire, diese Lieder werden bey Ihren Armeen gesungen und gebetet und die christlichen Gedichte machen gute Bürger und treue Soldaten."
Gellert macht in dem Gespräch mit dem Preußenkönig auch kein Hehl aus seiner Ablehnung des Krieges. Er bittet den König, dass er „uns bessere Zeiten geben" möge.
„Der König: Sind itzt böse Zeiten?
Ich (Gellert): das werden Ew. Majestät besser bestimmen können, als ich. Ich wünsche ruhige Zeiten. Geben Sie uns Frieden, Sire.
Der König: Kann ich denn, wenn Drey gegen Einen sind?
Ich: Das weis ich nicht zu beantworten. Wenn ich König wäre, so hätten die Deutschen bald Frieden."
In dem zweistündigen Gespräch versucht Gellert auch, Friedrich II. die Besonderheit der deutschsprachigen Literatur zu verdeutlichen:
Als der Adjutant dem König zuflüstert, dass man Gellert in Frankreich den deutschen La Fontaine nennt, fragte der König provokativ: „Hat er den La Fontaine nachgeahmt?" Darauf Gellert ohne Scheu und stolz: „Nein, Sire, ich bin ein Original..."
"Der König: Wie alt ist er?
Ich: Fünf und Vierzig Jahre.
Der König: Das ist kein Alter. Er muß noch schreiben‚ für die Welt leben...
Der König: Weis er keine von seinen Fabeln auswendig?
...
Ich: Nunmehr kann ich Ihrer Majestät eine sagen. Ich sagt ihm die Fabel vom Maler in Athen...
Der König: Das ist gut; das ist sehr gut! Ich muß ihn loben. Das habe ich nicht gedacht; nein, das ist sehr schön, natürlich, gut und kurz. Wo hat er so schreiben lernen? Es klingt fein; sonst hasse ich die deutsche Sprache.
Ich: Das ist ein Unglück für uns, wenn Sie die Deutschen Schriften hassen.
Der König: Nein, ihn lobe ich.!"
Gellerts Tagebucheintragungen vom Jahr 1761 offenbaren ihn als Skrupelanten, als einen am Heil seiner Seele zweifelnden Sünder. Statt satirischer Fabeln und geistlicher Lieder verfasst er „Selbstbefragungen und Gewissenserkundigungen‚ die er als Gebetstexte zur Vorbereitung auf die Beichte oder das Abendmahl niederschreibt. Ab 1761 erhält Gellert nun endlich eine lebenslängliche Pension in Höhe von 484 Reichstalern. Und in den 60erJahren überhäuft ihn der sächsische Hof mit Auszeichnungen. Am 5. Dezember 1769 ist der Dichtere und Professor bei seinem Bruder Leberecht. Während der Mahlzeit erleidet er einen Ohnmachtsanfall. Trotz aller ärztlichen Bemühungen stirbt Christian Fürchtegott Gellert am 13. Dezember gegen 23.00 Uhr.
Er wird auf dem Leipziger Johannisfriedhof beigesetzt. Die Zahl derer, die in den folgenden Tagen seine letzte Ruhestätte besuchen, ist so groß, dass der Rat der Stadt den Besuch des Grabes verbietet. Freunde und Gönner sorgen für ein Epitaph in der Johanniskirche mit einem Relief Gellerts und der Aufschrift:
„Christian Fürchtegott Gellert. Diesem Lehrer und Beyspiele der Tugend und Religion widmete dieses Denckmaal eine Gesellschaft seiner Freunde und Zeitgenossen, welche von seinen Verdiensten Augen Zeugen waren"
1790 wurden seine Gebeine und die Johann Sebastian Bachs in die Johanniskirche umgebettet. Die Kirche wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört, der Sarkophag Gellerts jedoch blieb erhalten.
Alte Leipziger erzählen, dass der Maurermeister Malecki 1949 mit seinem zweirädrigen Karren, auf dem sich die Särge Bachs und Gellerts befanden, quer durch die InnenstadtLeipzigs zur Thomaskirche fuhr, damit sie dort beigesetzt würden. Malecki begrüßte den dortigen Superintendenten mit den Worten „Tach‚ wir bringen Bach'n". Superintendent Dr. Schumann veranlasst, dass die Gebeine Gellerts in die Universitätskirche St. Pauli verbracht wurden. Dort fand Gellert erneut eine Ruhestätte. Doch wenige Tage vor der Sprengung der UniversitätsKirche (30. Mai 1968) wurde Gellerts Sarg ohne den Sarkophag aus der Kirche geholt und auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt.Zum 300. Geburtstag wurde das Grab neu gestaltet und geweiht.