Leipzig-Lese

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Bernhard Beskow/Übersetzung Nadine Erler

Erinnerungen an Goethes Weimar

Ein Reisebericht aus dem 19. Jahrhundert

Der schwedische Historiker und Dramatiker Bernhard Beskow besuchte in jungen Jahren Weimar. In seinen Reiseberichten schildert er seine Eindrücke und Erlebnisse. Die Bekanntschaft mit Goethe beeindruckte ihn am meisten. Die deutsche Übersetzung wurde von Nadine Erler vorgenommen. 

Annekatrin Brandl

Annekatrin Brandl

Carolin Eberhardt

Das Sein als Chance zur persönlichen Entwicklung begreifen

Seit mittlerweile 10 Jahren ist sie in dem Leipziger Stadtteil Lindenau ansässig. Doch der Weg zur freischaffenden Künstlerin war & ist, wie sie uns im Interview verraten hat, nicht immer leicht.

Der Weg zur freischaffenden Künstlerin -Stationen in Leipzig - Dresden -Osnabrück und die Rückkehr nach Leipzig

Geboren wurde Annekatrin Brandl 1981 in Schkeuditz. Nach ihrem Abitur 2000 am Martin-Rinckart Gymnasium in Eilenburg folgte eine zweijährige Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin an der Gutenbergschule in Leipzig. In dieser konnte sie in den verschiedenen künstlerischen Bereiche erste Erfahrungen sammeln. Der Plan, nach ihrem Abschluss 2002 Kommunikationsdesign zu studieren, ging nicht auf, so dass sie sich für das Studium der Landespflege an der HTW Dresden entschied. Ihre Motivation zu dieser Entscheidung: laut Studienbeschreibung spielte hier auch das Zeichnen eine wesentliche Rolle. Das Schicksal forderte sie in dieser Zeit sehr heraus. Die Frage, das Studium in Dresden fortzusetzen, oder dem Herzen Richtung Norden zu folgen, stellte sie vor eine große Herausforderung.

Nach zwei Semestern entschied sie sich für den Abbruch des Studiums in Dresden und zog 2003 nach Vechta (Niedersachsen). Dort begann sie 2003 ein Magisterstudium (1. Hauptfach Geschichte - 1. Nebenfach Neuere- und Neuste Geschichte - 2. Nebenfach Volkswirtschaftslehre) an der Universität Osnabrück. In unserem Gespräch wird deutlich, dass dies keine einfache Zeit für sie gewesen sein muss. Große Zweifel, ob der Weggang aus Dresden richtig war, begleiteten sie. Auch der Wunsch, sich in irgendeiner Form wieder künstlerisch auszudrücken, reifte in ihr. In einem Geschichtsseminar, so berichtet uns Annekatrin Brandl, musste sie einem Vortrag über ,Das kommunistische Manifest‘ von Karl Marx halten. Zur besseren Veranschaulichung illustrierte sie dazu eine Folie. Der Dozent zeigte sich überrascht und erkundigte sich noch während des Vortrags danach, ob sie diese Arbeit selbst angefertigt hätte. Sie bejahte dies und ergänzte spontan, dass sie lieber Kunst studiert hätte. Nach dem Vortrag wurde sie von einem ebenfalls am Seminar teilnehmenden Kommilitonen angesprochen, sie solle sich doch für das Fach Kunstpädagogik in Osnabrück bewerben. Dass es auch dort diese Möglichkeit gab, wusste Bandl bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Nach bestandenem Eignungstest begann sie 2004 ihr Studium, 2008 schloss sie dieses mit dem M.A. Kunst|Kunstpädagogik und Geschichte ab. Ihre Erfahrungen in Osnbabrück nahm die Künstlerin sehr intensiv war, insbesondere weil sie in dieser Lebensphase Voruteile abbauen konnte, welche sich aus der Nachwendezeit heraus manifestiert hatten. Ein großer Freundeskreis aus den verschiedensten Regionen Deutschlands und Europas bereicherte ihr Studentenleben in Osnabrück. Reisen nach Wien und Paris, organisiert von dem Fachbereich Kunst, hinterließen posiitve bleibende Erinnerungen.

Nach dem Studium entschied sich Annekatrin Brandl zur Rückkehr nach Leipzig. Es war die Zeit der ‚Generation Praktikum‘. Um ihre grafischen Fähigkeiten zu vertiefen, absolvierte sie 2009 zwei mehrmonatige Praktika in Werbeagenturen in Leipzig und Halle. Die äußeren gesellschaftlichen Erwartungen und der innere Kampf erzeugten ein Spannungsfeld, welches 2010 in absolutem Stillstand gipfelte. Sie beschreibt diese Zeit als eine der härtesten ihrer bisherigen Existenz. Und wieder war es das Zeichnen, welches ihr den Weg aus einer tiefen inneren Krise ebnete. 2011 begann Bandl ein Zweitstudium an der Universität Leipzig und schloss dieses 2014 mit dem Bachelor Lehramt in den Fächern Kunst/Rehabilitations- und Integrationspädagogik ab. 2012 bekam die damalige Seminargruppe unter Leitung von Prof. Ines Seumel die Möglichkeit mit verschiedenen didaktischen, künstlerischen Konzepten an der Documenta 13 teilzunehmen. Annekatrin Brandl beschreibt diese Zeit als sehr wichtig für sie. Zu lernen, komplexe Inhalte didaktisch runter zu brechen, bereiteten ihr eine große Freude. Auch war es für sie eine gute Möglichkeit, das schwierige Thema ‚Umgang mit Kritik‘ zu händeln. Schwerpunkte dabei waren: das Aushalten von Kritik, die Differenzierung zwischen Sach- und persönlicher Ebene, die Kritik als Chance zur Verbesserung sehen und das Ausformulieren von kritischen Gedanken. Nach ihrem Abschluss fühlte sie sich innerlich gefestigt, um ‚allein‘ ihren weiteren Weg beschreiten zu können. Im Sommer 2015 folgte die feierliche Eröffnung ihres kleinen, beschaulichen Ateliers am Gellertplatz im Leipziger Stadtteil Lindenau.

Das Atelier

Das kleine Atelier befindet sich auf einer ehemaligen Ladenfläche eines Eckhauses. Ganz früher, so zeigen es alte Aufnahmen, befand sich eine Konditorei darin. Ein großes Fenster ermöglicht den Blick auf dem Gellertplatz - einen sogenannten Schmuckplatz, wie sie an vielen Stellen in Leipzig zu finden sind. Brandl genoss es die ersten Jahre sehr, so sagt sie, während der Arbeit aus dem großen Fenster zu schauen und ihre Blicke auf die alten Kastanienbäume zu richten. An ihnen sind fortwährend die Jahreszeiten ablesbar, und durch diese Sichtbarkeit stellte sich lange Zeit für Annekatrin Brandl das Gefühl von Zu-Haus-Sein ein. Außerdem bot es ihr die Möglichkeit die Nachbarschaft besser kennenzulernen. Die Kinder und Jugendlichen aus dem Kiez kamen manchmal spontan zum Malen vorbei. Auch veranstaltete Brandl für die Bewohner des Hauses eine Zeit lang Abende, wo sie gemeinsam im Atelier Tatort schauten. Und tatsächlich saß einmal nach dem Tatort ein Fahrraddieb vor dem Atelier. Sie sprach ihn an und ein aufmerksamer Mitbewohner verständigte die Polizei. Einige schöne Projekte konnten im Stadtteil realisiert werden, so zum Beispiele in den Jahren 2016 und 2017 die Teilnahme an ‚Leipzig liest‘, Zeichentreffs, Vernissagen und Diskoabende.

Im Herbst 2022 änderte sich die Situation. Unangenehme Zeitgenossen hatten über Monate hinweg das Bedürfnis, Brandls Atelier und Wohnung zu zerstören. In dieser Zeit musste sie einen Großteil ihrer Arbeiten fortschaffen, um diese vor der Zerstörungswut zu schützen. Diese Erfahrungen veränderten ihren anfänglichen offenen Umgang mit dem Stadtteil. Die Unbefangenheit verschwand, sie wurde vorsichtiger und zeigte sich nur noch sehr selten am Fenster. Die Gardinen waren oft zu. Ungefähr zweimal im Jahr öffnete sie ihren Raum, um aktuelle Arbeiten an der Wand zu präsentieren. Im Nachhinein war es gut, nicht zu wissen, was auf sie zukommen würde, berichtet sie uns. Trotz allem überwiegen die positiven Erfahrungen. Die Möglichkeit ganz unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Milieus kennenlernen, ließen sie toleranter werden.

Schaffen und Wirken - Wirken & Schaffen - wandelndes Subjekt

Brandl agiere nicht im ‚luftleeren Raum‘, erläutert sie uns. Die Begegnungen mit Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit sind für sie die Grundvoraussetzung, um überhaupt in den Schaffensprozess zu gehen. Sie vertritt die Ansicht, dass das Leben ein fortwährender Lernprozess ist. Theoretisch liegt in jeder einzelnen Begegnung das Potenzial für Lernprozesse. Neben der geistigen Bildung ist für sie die Herzensbildung von elementarer Bedeutung. Diese gewonnenen Erkenntnisse und Sinneserfahrungen werden dann in Form von Bildern (meist Zyklen) dokumentiert. Im Zuge der Nachbearbeitung stieß sie auf den Heidelberger Philosophen Hans-Georg Gadamer, der diese Wechselwirkung anschaulich beschreibt.

„Für den Heidelberger Philosophen Hans-Georg Gadamer ist Kunstwerk kein statisches Objekt, sondern ein sich wandelndes Subjekt, das uns dialogisch gegenübertritt. Kunstwerke sieht Gadamer in ihrem prozesshaften Wesen bestimmt, die im Vollzug überhaupt erst zu ihrem vollen Sein gelangen - der Sinn von Kunst geschieht. Das "Bild als Ereignis" bezeichnet somit viel mehr als nur einen materiellen Bildträger und einen darüber vermittelten geistigen Gehalt, sondern ein dynamisches Sinngeschehen zwischen Werk und Betrachter.“

(Delarue, Dominic E., Schulz, Johann und Sobez, Laura (Hrsg.): Das Bild als Ereignis: Zur Lesbarkeit spätmittelalterlicher Kunst mit Hans-Georg Gadamer, Heidelberg: arthistoricum.net, 2016 (Das Bild als Ereignis).

https://books.ub.uni-heidelberg.de//arthistoricum/catalog/book/80 

Eine besondere Begegnung

Eine wichtige Begegnung fand 2018 bei einer von dem Leipziger Bildhauer Christoph Hundhammer ins Leben gerufene Ausstellungsreihe unter dem Titel ‚Garten der Lust‘ statt. Das ehemalige Blockstellwerk Elsteraue - unter Einheimischen ein Geheimtipp - verwandelte der Bildhauer in eine Oase. In seinem schönen Garten stellte er seine Skulpturen aus. Annekatrin Brandl hegte schon lange den Wunsch, einen Philosophen kennenzulernen, wie sie im Intertiew verriet. Im Rahmen dieser Ausstellungsreihe begegnete sie dem Philosophen und Wissenschaftsjournalisten Dr. Konrad Lindner, der in seiner Freizeit gerne aquarelliert & malt. Sein umfangreiches Wissen imponierte ihr sehr, in den letzten Jahren fand ein reger Gedankenaustausch zwischen den beiden statt. Sprache und Bilder konnten zueinander finden. Für Brandl ist Konrad Lindner ein ganz besonderer Mensch, weil er als Philosoph keine Scheu in der Aufhebung akademischer Grenzen kennt und sich gegenüber den Menschen offen und neugierig zeigt. Er eröffnete in ihr neue gedankliche Räume, wofür sie ihm sehr dankbar ist. 

Der ‚richtige‘ Weg?

Stetiges Zweifeln und Infragestellen, ob der gegangene Weg der ‚richtige ist‘, gehöre für Brandl dazu. Momente des Innehaltens helfen ihr in der Ausbalancierung der inneren und äußeren Widerstände. Bisher ist die Künstlerin immer wieder an den Punkt gekommen, an dem sie feststellte, dass der gegangene Weg sich für sie gut anfühlte. Ein Indikator dafür sei, wenn sich nach einer langen Zeit (meist nach dem Abschluss eines Bildzyklus) an einem stillen Ort (oft in der Natur) in ihr das Zweifeln und das Abwägen in Zufriedenheit umwandelt.

Was ist Kunst für Annekatrin Brandl und weswegen malt sie?

Eine Antwort auf diese Frage fiel Brandl zunächst nicht ganz so leicht. Sie verwies auf die verschiedenen Etappen ihres Lebens. In ihrer schulischen und akademischen Lehrzeit hätte sie darauf keine Antwort gegen können. Heute würde sie u.a. eine Antwort unter vielen möglichen in dem menschlichen Bedürfnis nach ‚angenehmen subjektiv empfundenen Sinneserfahrung‘ sehen. In den verschiedenen Ausbildungsstätten gaben die Lehrer und Dozenten in der Aufgabenformulierung Orientierungshilfen für geistige und persönliche Entwicklungsprozesse. Im Nachhinein war ihre Arbeit früher von Intuition geleitet, aber auch mehr von Ängsten geprägt, da auch ein gewisser Notendruck spürbar war. Das Ringen um ein einigermaßen gelungenes Bild (für sie ist das der ‚eigentliche’ Lernprozess), die Freude, die Dankbarkeit und die Zufriedenheit, die nach Fertigstellung erfahrbar werden, würde sie immer wieder als Grund nennen, warum sie das tiefe Bedürfnis zu malen und zu zeichnen in sich verspüre. Auch in der Feier (meist in Form einer Vernissage), wo Familie, Freunde und Weggefährten zusammenkommen, ist ein schöne Motivation, um Bilder anzufertigen.

Gefragt nach ihrem ‚Lieblingsbild’ oder ‚Lieblingszyklus‘?

An dieser Stelle ist sich Brandl ganz sicher und die Antwort folgt sofort: der Zyklus ‚Krieg/Frieden‘ (https://www.annekatrin-brandl.de/krieg-i-frieden-schlüsselwerk-2014/2014/), der am Ende ihres Studiums 2014 als Abschlussarbeit entstand, ist für sie ihre wichtigste Arbeit. Es war damals keine einfache Zeit für sie in Leipzig. Ihr war es ein inneres Bedürfnis, Leipzig zu verlassen, und so fuhr sie mit dem Zug quer durch Südosteuropa und fertige in ihrem kleinen Heft Skizzen und Texte an. Zurück in der Heimat entstanden 45 Kohlezeichnungen sowie ein Text, der die äußere und innere Reise begleitete. Mit dieser Arbeit konnte Brandl auch einige ihrer Kritiker überzeugen. Erst viele Jahre später  verstand sie, dass diese Arbeit für ihr persönliches Weiterkommen eine wichtige Rolle spielen würde. 2018 stellte sie diese Arbeit in Dresden aus. Wie  ihr im Anschluss die leitende Kuratorin berichtete, besuchten Schüler(innen) vom Dresdener Kreuzgymnasium die Ausstellung und diskutierten anschließend über die Werke.

Wie geht es weiter?

Gerade arbeitet Brandl an einem Katalog, der ihren künstlerischen Schaffensprozess in den Jahren von 2007 bis 2024 dokumentiert. 2007, weil in diesem Jahr das erste öffentliche Zeigen ihrer frühen Grafiken stattfand. Im Atelier, das sich ab April zur ‚Mondscheingalerie‘ verwandelt, können zwischen 20:00 - 23:00 Uhr Bilder aus einem kleinen Zyklus (‚Mondraumlicht‘) betrachtet werden. Im Sommer möchte sie mit einem Fest ihr 10-jähriges Atelierbestehen feiern. Das Leben, so verrät sie uns, hielt bisher viele Überraschungen bereit, und so wird sie stetig mit einem lachenden und einem weinenden  Auge vorwärtsgehen.

Vielen Dank, liebe Annekatrin Brandl für dieses interessante Interview.

 

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Fotos: bereitgestellt von Annekatrin Brandl.

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