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Geschichten und Sagen über das mittelalterliche Erfurt

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Prof. Dr. Ingo Bechmann über eine elementare Erfahrung im Medizinstudium

Prof. Dr. Ingo Bechmann über eine elementare Erfahrung im Medizinstudium

Diana Smikalla

A wie aller Anfang oder Anatomie

Gleich zu Beginn des Studiums sehen sich die angehenden Mediziner - Faust gleich - mit einer elementaren Frage konfrontiert: Was hält den Menschen im Innersten zusammen? Nicht ohne Grund wird die Anatomie als Königsdisziplin bezeichnet. Damit einher geht das Thema Tod, für viele die allererste Berührung in ihren jungen Leben. Ausgestattet mit Kittel, Anatomie-Atlas und Präp-Kasten, darin Skalpell und Pinzetten, verbringen Human- wie Zahnmedizinstudierende ihre ersten beiden Semester im Präpariersaal des Anatomischen Instituts. In kleinen Gruppen arbeiten sie an „ihrer" Leiche, an Menschen, die sich zu Lebzeiten als Körperspender für die Ausbildung bereit erklärt haben, um den Aufbau des menschlichen Körpers bis ins kleinste Detail im wahrsten Sinne zu begreifen. Dazu müssen die Studierenden eine eigene Sprache lernen mit vielen tausend Vokabeln. Faszien, Nervenstränge und Arterien in präziser Feinarbeit freilegen oder sehen, wie komplex die Organe angeordnet sind - kein Modell kann diese Erfahrung ersetzen. Es ist die Kernwissenschaft der Medizin, deshalb verstehen sich Anatomen in einem besonderen Maß der Ausbildung verp?ichtet, nicht nur der studentischen. Mehrere hundert Kliniker, vor allem aus den chirurgischen Fächern, bilden sich jährlich in rund 40 Spezialkursen im Leipziger Institut fort.

Ein Interview mit seinem Leiter Professor Ingo Bechmann:

Fernsehserien mit drastischen Leichenuntersuchungen sind zahlreich geworden. Ein gewisser Schauderfaktor ist der realen Anatomie trotzdem erhalten geblieben?

Das wird man nicht verhindern können. Wir arbeiten nun mal mit Toten. Wer dem Tod nicht regelmäßig begegnet, den schaudert es. Der Erfolg der „Körperweltenausstellungen" belegt ein großes öffentliches Interesse an Anatomie. Wir kommen dem nach, zum Beispiel indem wir uns zur Langen Nacht der Wissenschaften öffnen. Dabei soll allerdings das Wunder der menschlichen Biologie im Vordergrund stehen, nicht der Kitzel mit dem Tod. Theoretisch kann jeder verunfallte Leipziger unter die Hände eines Arztes gelangen, der hier geübt hat. Die Mitarbeiter sind sehr engagiert und das Institut von innen - ich kenne keins, das so schön ist. Da kann die ganze Stadt stolz sein!

Welche Stellung hat die Anatomie im Studium?

Begreifend lernen: Prof.-Dr. Bechmann schätzt die intensive Lehrsituation im Präpariersaal und den regen Austausch mit den Studierenden. Foto: Christian Hüller.
Begreifend lernen: Prof.-Dr. Bechmann schätzt die intensive Lehrsituation im Präpariersaal und den regen Austausch mit den Studierenden. Foto: Christian Hüller.

Das Studium in Deutschland ist sehr, sehr gut organisiert. Das habe ich selbst im Ausland bestätigt bekommen. Der Aufbau am Anfang mit Physiologie, Biochemie, Anatomie als gleich bedeutsame Fächer ist unverzichtbar. Letztere ist eine Art Propädeutikum. Wenn der Thorax offen ist, redet man eben gleich über bestimmte Krankheiten. Es gibt ja immer den Vorwurf, unser erster Patient ist eine Leiche. An ihr lässt sich jedoch am besten lernen. Der Körper ist einfach viel komplexer als im Modell darstellbar. Und die meisten Studierenden sind froh, es gemacht zu haben, wenn man nicht zu sehr übertreibt mit dem auswendig zu Lernenden.

Was gehört zur Anatomieausbildung?

Die Anatomie hat eine Tradition als Qual-Fach. Im ersten Semester machen wir ein Seminar, dann über zwei Semester einen Präparier-Kurs zu Organsystemen und Hirn. Dazu klinische Anatomie und Vorlesungen über die Semester hinweg. Der Histologie-Kurs zur allgemeinen Gewebelehre läuft begleitend im ersten und zweiten Semester. Das System ist anstrengend für die Studenten, weil sie umdenken müssen. Aber wir haben es ja mit einer Klientel zu tun, die gute Schulen besucht hat, das merkt man.

Steht man als Anatom automatisch in der Kategorie Sonderling?

Ich glaube, dass jeder, den man an einer Fakultät näher kennenlernt, sich früher oder später als arger Sonderling entpuppt, weil eine Form von Opferbereitschaft und Arbeitswut einfach nötig ist, um sich dahin zu bewegen. Mein anatomischer Lehrer Professor Heiko Braak hat in jahrelanger Arbeit beschrieben, wie sich die Alzheimersche Erkrankung durch das Gehirn ausbreitet. Die Krankheit wird jetzt auf der ganzen Welt in „Braak-Stadien" eingeteilt. Bestimmt haben ihn viele als Sonderling erlebt, wenn sie ihn jahraus, jahrein am Mikroskop haben sitzen sehen. Aber wen stört das schon? Für mich ist er ein großartiges Vorbild.

Vermittelt der Umgang mit dem Tod und den Körperspendern auch so etwas wie Demut?

Ja. Und Dankbarkeit! Wenn Professor Höckel, der Direktor der Universitätsfrauenklinik, an einer weiblichen Leiche zehn Chirurgen, die aus der ganzen Welt anreisen, in seiner erfolgreichen Operationsmethode nach anatomischen Kompartimenten ausbildet, überleben alleine dadurch unzählige Patientinnen ihre Krebserkrankung, indem die Chirurgen ihr neues Wissen bei ihrer Arbeit anwenden. Körperspende ist ein Akt der Liebe über den eigenen Tod hinaus. Das beeindruckt uns alle und verp?ichtet uns, das Bestmögliche aus dem sehr besonderen Geschenk zu machen.


Quelle

Der Bertuch Verlag dankt der Pressestelle der Universität Leipzig, den Artikel aus dem Alumni-Journal der Universität Leipzig 1/2015 übernehmen zu dürfen.

Kopfbild: Die Anatomie der Universität Leipzig ist von Wolfgang Brekle fotografiert.

 

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