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Das verlassene Krankenhaus bei Tschernobyl

Nic

Heft, 28 Seiten, 2020 - ab 23 Nov. erhältlich

Die Stadt Prypjat liegt nur 3 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Im hiesigen Krankenhaus wurden unmittelbar nach der Explosion des Atomreaktors die ersten stark verstrahlten Opfer behandelt. Viele von Ihnen sind an der massiven Strahlenbelastung gestorben.

Am 27. April 1986, einen Tag nach der Nuklearkatastrophe, wurde die Prypjat evakuiert. Seither ist die Stadt, wie auch das hier gezeigte Krankenhaus verwaist. 30 Jahre Leerstand hinterlassen Ihre Spuren. Nic führt uns auf einem Rundgang durch verlassene Gänge vorbei an verfallenen OP-Sälen und Behandlungszimmern.

Für alle Fans von Lost Places.

Ab 4 Heften versenden wir versandkostenfrei.

Werner Ihmels zum 60. Todestag

Werner Ihmels zum 60. Todestag

Prof. Dr. habil. Gerald Wiemers

Als der sächsische Pfarrer i.R. Hans-Georg Günzel vor 12  Jahren das Bundesverdienstkreuz erhielt,  sagte er: "Ich denke in dieser Stunde an meinen Haftkameraden Werner Ihmels. Er war ein Sohn des Leipziger Missionsdirektors und Enkel des ersten sächsischen Landesbischofs. Werner starb noch 1949, als das große Sterben in Bautzen eigentlich schon vorbei war ."  Günzel will seine Ehrung verstanden wissen als Ehrung für die vielen Opfer, die auch in der Sowjetzone nach dem Ende der Nazi-Diktatur "eine demokratische Ordnung aufbauen wollten, die verhaftet wurden und dann viele Jahre in den russischen Lagern oder später in den Gefängnissen der DDR zubringen mußten."

1926  wurde Werner Ihmels als viertes von sechs Kindern  in Leipzig geboren. Sein Leben endete viel zu früh. Sein Drang nach einer christlich geprägten, freiheitlichen Staatsordnung hat sich nicht  erfüllt. Erst begehrte er in seinen Möglichkeiten  gegen das nationalsozialistische System auf, empfand die Befreiung als einen wirklichen Neuanfang ohne Repressionen und hatte  keinerlei Verständnis für Opportunisten: "Es zeigt sich jetzt erbärmliche Charakterschwäche bei vielen. Fast niemand will jetzt mehr in der Partei gewesen sein. Alle waren nur gezwungen ... keiner aus Überzeugung."

Ihmels übernahm Verantwortung für mehrere  kirchliche Jugendgruppen, wohl wissend , dass er mit den kommunistisch gelenkten Jugendausschüssen in Konflikt geraten würde. Der Leiter des sächsischen Landesjugendausschusses Hermann Axen, später im Politbüro der SED,  erklärte Ende November 1945, "jede Betätigung" kirchlicher Jugendgruppen außerhalb des Gottesdienstes, des Konfirmations- bzw. Kommunionsunterrichts sowie des Religionsunterrichts für "illegal". 

In dieser Zeit wird Ihmels Mitglied der CDU. Neben der Kirche sollte das seine politische Heimat werden. Auf Wunsch der CDU  hielt er im November 1946 den programmatischen Vortrag "Was hat die Kirche mit der Politik zu tun ? " Die christliche Kirche, so sein Credo, sollte nicht schweigen zu den Verbrechen in der Welt, sondern  sich durchaus in die Politik einbringen, als eine "Hüterin der Wahrheit". Unter Anspielung auf die jüngste Vergangenheit mahnt Ihmels "Wir haben Hass gepredigt , Völkerhass und Rassenhass, und werden heute selbst in aller Welt gehasst." Er sprach zur Jugend,  vor einer FDJ-Gruppe , der er seit 1946 angehörte und für die er warb. Noch glaubte Ihmels die FDJ sei  eine freie, demokratische Organisation in der auch aktive Christen ihren Platz finden können.  So trat er im Juni 1947 bei der Landesleitung Sachsen der FDJ als Verbindungsmann des Landeskirchenamtes an. Inzwischen gelang es der  SED  in zunehmenden Maße mit Unterstützung der SMAD die FDJ zu ihrer Massenorganisation umzubilden.  Nach einer öffentlichen Auseinandersetzung   mit Erich Honecker, dem damaligen  1.Sekretär der FDJ, zog Werner Ihmels die Konsequenzen : für Christen war in dieser Organisation kein Platz  mehr. Zusammen mit Freunden suchte er wichtige Mitteilungen über die Entwicklung in der Sowjetzone im Westen publik zu machen. Zu  seiner Gruppe gehörten der Oberschüler Horst Krüger, der Jurastudent Wolfgang Weinoldt und der hauptamtliche Jugend-Sekretär der LDP Manfred Gerlach. Für ihn selbst, der sein unterbrochenes Theologiestudium wieder aufgenommen hatte, bestand die ernsthafte Gefahr einer Verhaftung. So beschloss die Familie,  Werner möge sein Studium in Tübingen fortsetzen.

Dazu kam es nicht. Der NKWD schlug unmittelbar vor Antritt der Reise am Leipziger Hauptbahnhof zu und verhaftete ihn am 11.September 1947. Für seine Familie blieb er lange spurlos verschwunden. Nur wenige Tage später nahm  der sowjetische Geheimdienst auch Horst Krüger und Wolfgang Weinoldt fest. In Dresden verurteilte am 2.Dezember 1947 ein sowjetisches Militärtribunal Ihmels und den erst 16-jährigen  Krüger zu 25 Jahren sowie Weinoldt zu 15 Jahren Arbeitslager. Etwa zur gleichen Zeit wird Manfred Gerlach Bürgermeister in Leipzig. [Ein Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlichen Denunzianten und letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR  zog sich seit 1994 hin und ist nach dem 3.Oktober 2000 gegenstandslos geworden.]

Am 25.Juni 1949  - vor 60 Jahren - starb Werner Ihmels im "Gelben Elend" in Bautzen nach einem missglückten medizinischen Eingriff, der Füllung  eines Pneumotoraxes.  1995 wurde er  durch den russischen Militärstaatsanwalt rehabilitiert.

Freunde und Kameraden haben das kurze, intensive Leben von Werner Ihmels zu unterschiedlichen Zeiten und in sehr verschiedenen Situationen begleitet und reflektiert. Die Leipziger Thomasschüler  und Klassenkameraden Dieter Ramin und Norbert Müller schildern den lebensfrohen, unbeschwerten jungen Mann. Über die letzten  militärischen Einsätze bei Flak und Wehrmacht erzählen  Horst Richter und der Deutsch-Däne Gert Heine.  Ihmels war ein Kriegsgegner und dachte über die  Zeit  nach dem Kriege hinaus. Die Germanistikstudentin Maria Tannert, geb. Sommerlatt erlebte den christdemokratisch, rastlosen Studenten, der sich für eine freiheitliche Ordnung  einsetzte. Dann kam der Bruch. Der Physiker Ernst Krebs (1914-2000) und der damals 19jährige Horst Lange, politische Gefangene, berichten, wie er  "im Frühjahr 1948 verstört, mit kahlgeschorenem Kopf und ohne Brille, in die mit drei Mann bereits überfüllte Zelle im NKWD-Gefängnis am Münchner Platz in Dresden gestoßen wurde." Sie erlebten einen schweigsamen , in sich gekehrten Mann, der seine Umwelt nur unscharf wahrnahm und durch  Beten  Kraft schöpfte. Nach Ostern traf er seine Freunde in Bautzen wieder: Horst Krüger und Wolfgang Weinoldt. In stillen , heimlichen Andachten fanden sie Trost und Stärkung.

Mit Ihmels hat die damalige christliche  Jugend einen ihrer begabtesten  Funktionäre verloren. Die von seinem Bruder Folkert 1997 herausgegebenen Vorträge, Tagebuchnotizen  und Briefe "Im Räderwerk zweier Diktaturen" lassen ahnen, was auch die Nachgeborenen an ihm verloren haben.

Eine kleine Straße in dem Stadtteil Anger - Crottendorf erinnert in Leipzig an Werner Ihmels.

 

Der Bertuch - Verlag  dankt Herrn Dr. Folkert Ihmels für die Photos von Werner Ihmels und für die Nutzungsrechte in diesem Artikel.
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