Leipzig-Lese

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Johann Joachim Winckelmanns Wirken auf Schloss Nöthnitz und in Dresden

Klaus-Werner Haupt

Nach rastlosen Jahren findet Johann Joachim Winckelmann auf dem nahe Dresden gelegenen Schloss Nöthnitz eine Anstellung als Bibliothekar. Die bünausche Bibliothek und die Kunstsammlungen der nahen Residenzstadt ermöglichen Kontakte mit namhaften Gelehrten. In ihrem Kreise erwirbt der Dreißigjährige das Rüstzeug für seine wissenschaftliche Karriere. Sein epochales Werk „Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“ (1755) lenkt den Blick auf die Kunstsammlungen Augusts III. und ebnet den Weg nach Rom.

Winckelmanns Briefe, von denen mehr als fünfzig aus den sächsischen Jahren überliefert sind, lassen seinen Karrieresprung, aber auch seine persönlichen Nöte vor unseren Augen lebendig werden. Zwei Gastbeiträge über die jüngere Geschichte des Schlosses und die Visionen der Freunde Schloss Nöthnitz e. V. runden den Jubiläumsband ab.

Leipzig als Wiege der deutschen Frauenbewegung

Leipzig als Wiege der deutschen Frauenbewegung

Dipl.-Päd. Ursula Brekle

Was dachten viele Männer über Frauen, bevor der Kampf der starken Frauen in Leipzig begann?


Augusteum Leipzig um 1890.
Augusteum Leipzig um 1890.


Das Augusteum der Universität Leipzig (hier 1890 vor dem Umbau) war, wie andere Universitäten auch, eine Bastion der Männer. Nur Männer konnten studieren. Das gefiel intelligenten und gebildeten Frauen gar nicht. Viele empfanden es als große Ungerechtigkeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Sie kämpften für den Zugang zum Universitätsstudium, was den Zugang zum Besuch der Gymanialklassen für Mädchen und den Abschluss des Abiturs voraussetzte. Darum wurde hart gerungen.

„Im Jahre 1848 spricht man wohl viel von Freiheit für alle, aber man ist gewöhnt unter dem Wort ‚alle’ nur die Männer zu verstehen.“

Das ist ein Zitat von der Frauenrechtlerin Louise Dittmer anlässlich der Wahl zur Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848, bei der keine Frauen, sondern nur besitzende Männer ab 25 Jahren vertreten waren. Vor mehr als 150 Jahren hatten Frauen in Deutschland kein Wahlrecht, kein Recht auf Erwerbstätigkeit oder persönlichen Besitz, sie waren als Ehefrauen sozial und ökonomisch von ihren Ehemännern abhängig. Heirateten sie nicht, blieben sie von ihren Vätern abhängig.

Die Argumente gegen eine höhere Bildung von Frauen hielten sich zäh: Zunächst unter Berufung auf die göttliche Schöpfungsordnung und später mit sogenannten "wissenschaftlichen" Argumenten wurden Frauen Wissensdurst und intellektuelle Begabung abgesprochen. Es herrschte Konsens darüber, dass Frauen nicht nur nicht geeignet, sondern auch nicht berechtigt seien, sich intellektuell zu bilden. Frauen verfügten von Natur aus über weniger Verstand als Männer. Schon Martin Luther (1483-1546) schrieb: "Weibern mangelt es an Stärke und Kräften des Leibes und des Verstandes." Generationen von Männern beriefen sich auf den Reformator. Frauen seien nicht in der Lage, sich kontinuierlich und mit Erfolg intellektuell zu betätigen. Ein öffentliches Amt dürften sie sowieso nicht ausüben, und deshalb sei ein Studium nutzlos. Die "natürliche Bestimmung der Frau" sei die Rolle als Mutter und Ehefrau.

Paul Julius Möbius (1853 - 1907), Doktor der Philosophie und der Medizin, Privatdozent der Neurologie an unserer Alma mater, veröffentlichte 1900 ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Ueber den physiologischen Schwachsinn des Weibes". Wieder wird der Frau die Befähigung für intellektuelle Berufe abgesprochen. Sie habe eine geringere geistige Begabung im Unterschied zum Mann, lerne zwar gut, habe aber keine Kreativität. Die Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau sei von der Natur vorgegeben. Der einzige Beruf der Frau sei Mutterschaft und Kindererziehung, alles andere sei Entartung. Das war ein böses Wort: "Nur durch Abweichung von der Art, durch krankhafte Veränderung, kann das Weib andere Talente, als die zur Geliebten und Mutter befähigenden, erwerben." Möbius wollte kein Weiberfeind sein und erhoffte, dass sein Buch nicht als eine primitive Schmähschrift aufgefasst werden würde. Aber das war nur ein frommer Wunsch.

Jedoch kann man den Autor Max Funke (1879 - 1943) als üblen Antifeministen bezeichnen. Er versuchte in dem 1910 veröffentlichten Buch "Sind Weiber Menschen?" den Nachweis zu führen, dass die Frau nicht als vollwertiger Mensch, sondern als dem Mann unterlegen zu betrachten sei. Er berief sich dabei u.a. wieder auf den biblischen Schöpfungsbericht und die Philosophie des Aristoteles. Aristoteles-Zitat: „Das Weib ist Weib durch das Fehlen gewisser Eigenschaften. Wir müssen das Wesen der Frau als etwas betrachten, was an einer natürlichen Unvollkommenheit leidet.“ Funke vertrat die Auffassung, dass die Frau aufgrund ihres geringeren Schädelvolumens evolutionsgeschichtlich als Bindeglied zwischen Mensch und Menschenaffen einzustufen und ihr die Stellung eines "Halbmenschen" zuzuweisen sei. Tatsächlich haben Männer größere Gehirne als Frauen, das ist auch heute unbestritten. So misst ein durchschnittliches männliches Gehirn etwa 1,4 Liter und ein weibliches Gehirn gut 1,2 Liter. Darauf kommt es aber nicht an, sagen heute die Forscher. Funke sagte wörtlich: "Fragen wir nun: was haben die Weiber in den letzten 3000 Jahren geleistet? So müssen wir antworten: nichts, rein gar nichts…Aber haben Weiber irgendetwas erfunden oder etwas geschaffen auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst? Wieder ein Nein! Denn das Erfinden und Schaffen neuer Methoden ist dem Weibe infolge der schlecht entwickelten Gehirnrinde von Natur aus versagt. Darum kann auch ein Weib kein eigenes Urteil fällen, sein Gesichtskreis ist ziemlich beschränkt, seine Affekte aber heftiger; ihm fehlt das Vermögen zu kombinieren und die schöpferische Phantasie."

Diese überzogene und aggressive Argumentation von Funke wurde schon um 1900 von Frauen und Männern nicht ernst genommen.

Wenn aber ein kluger und berühmter Mann wie der Physiker und Nobelpreisträger Max Planck (1858-1947) eine eher reservierte Haltung zum akademischen Frauenstudium einnahm, wog das schwer. Bekannt ist sein Ausspruch: "Amazonen sind auch auf geistigem Gebiet naturwidrig. Bei einzelnen praktischen Aufgaben, wie z.B. in der Frauenheilkunde, mögen die Verhältnisse anders liegen, im allgemeinen aber kann man nicht stark genug betonen, daß die Natur selbst der Frau ihren Beruf als Mutter und Hausfrau vorgeschrieben hat, und daß Naturgesetze unter keinen Umständen ohne schwere Schädigungen, welche sich im vorliegenden Falle besonders an dem nachwachsenden Geschlechte zeigen würden, ignoriert werden können."

In Leipzig fanden sich vor 1865 zunächst 35 Frauen zusammen, die sich gegen diese Ungerechtigkeiten und Unwahrheiten wehren wollten. Sie gründeten im Februar 1865 in Leipzig zunächst den Leipziger Frauenbildungsverein und wenig später im Oktober 1865 den überregionalen Allgemeinen Deutschen Frauenverein. Es war der Beginn der organisierten deutschen Frauenbewegung. Spiritus rector war die Schriftstellerin Louise Otto-Peters, die zur 1. Vorsitzenden beider Vereine gewählt worden ist. Als Stellvertreterin und rechte Hand fungierte die Lehererin Auguste Schmidt. Beide Frauen übten ihr Amt über Jahrzehnte aus. Die dritte im Bunde war die Fröbel-Pädagogin Henriette Goldschmidt, die von 1867 bis 1906 im Vorstand beider Vereine tätig war. Der Vorstand setzte sich aus lauter Leipzigerinnen zusammen. Als zentraler Ort war Leipzig gewählt worden und er blieb es bis 1902.

Die Frauen leisteten in den folgenden Jahrzehnten harte Arbeit, die als Vereinsarbeit ehrenamtlich geleistet wurde. Sie entwickelten beachtliche Initiativen. Am Ende gelang es, die Gesellschaft im Kaiserreich zugunsten der Frauen zu verändern.

In der Folge werden wir einzelne Artikel über diese großartigen Frauen auf unseren Webseiten veröffentlichen. Am 30. Januar 2020 jährt sich der 100. Todestag von Henriette Goldschmidt, deshalb wird sie zuerst vorgestellt werden.

Quelle der Äußerungen von Männern über Frauen: In Renate Feyls Buch "Sein ist das Weib, Denken der Mann", Union-Verlag Berlin 1984.

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