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Das verlassene Krankenhaus bei Tschernobyl

Nic

Heft, 28 Seiten, 2020 - ab 23 Nov. erhältlich

Die Stadt Prypjat liegt nur 3 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Im hiesigen Krankenhaus wurden unmittelbar nach der Explosion des Atomreaktors die ersten stark verstrahlten Opfer behandelt. Viele von Ihnen sind an der massiven Strahlenbelastung gestorben.

Am 27. April 1986, einen Tag nach der Nuklearkatastrophe, wurde die Prypjat evakuiert. Seither ist die Stadt, wie auch das hier gezeigte Krankenhaus verwaist. 30 Jahre Leerstand hinterlassen Ihre Spuren. Nic führt uns auf einem Rundgang durch verlassene Gänge vorbei an verfallenen OP-Sälen und Behandlungszimmern.

Für alle Fans von Lost Places.

Ab 4 Heften versenden wir versandkostenfrei.

Hermann Burchardt (1857 – 1909)

Hermann Burchardt (1857 – 1909)

Friedrich Ekkehard Vollbach

Privatier, Forschungsreisender, Fotograf

Faszinierendes Bild der Grabungen am Tell Halaf von Max von Oppenheim 1912 (1)
Faszinierendes Bild der Grabungen am Tell Halaf von Max von Oppenheim 1912 (1)

Im 19. Jahrhundert gab es eine ganze Reihe von jüdischen Forschungsreisenden, die Erstaunliches geleistet haben. Der Bekannteste unter ihnen ist (oder besser war) Eduard Schnitzer, der sich Emin Pascha nannte und 1892 von Sklavenhändlern in Afrika ermordet wurde. Nicht minder bekannt war der Orientreisende und Hobbyarchäologe Freiherr Max von Oppenheim, der 1899 die hethitische Palastanlage am Tell Halaf entdeckte und freilegte. Zu nennen wäre auch der Alpinist Gottfried Merzbacher. Er leitete die außeralpine Hochgebirgsforschung ein.

Der Forschungsreisende und Fotograf Hermann Burchardt „war einer jener seltenen Männer, die der Wissenschaft dienen, ohne irgendwelchen Anspruch zu erheben, genannt und gefeiert zu werden". 1

Über seine Kindheit und Jugend weiß man fast nichts. Bekannt ist nur, dass der Vater eine Firma, einen Betrieb, ein Geschäft oder Ähnliches besaß und Hermann Burchardt die Handelsschule besuchte, um in das väterliche Unternehmen einsteigen zu können. Als Hermann 30 Jahre alt war, starb der Vater. Für den Sohn war das die Gelegenheit, dem ungeliebten kaufmännischen Beruf zu entkommen. Durch den Verkauf der väterlichen Firma besaß er genügend Kapital, um nun als „Privatier“ zu leben. Sein Fernweh führte ihn zunächst nach Italien, Spanien, Marokko,Tunis, Ägypten, Palästina , Indien, Island, Lappland, Amerika und Australien. Das heißt, er reiste in verhältnismäßig kurzer Zeit in fünf Erdteilen. 2

Hermann Burchardt (2)
Hermann Burchardt (2)

Hermann Burchardt war ein stiller und bescheidener Mann, der es nicht liebte, im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen. „Wer ihn nicht näher kannte, musste ihn für einen wortkargen, verschlossenen Sonderling halten: So viel er auch gesehen und erlebt hat, er war schwer zu bewegen, im größeren Kreis davon zu sprechen.“ 3

Im Verlauf seiner Reisen reifte in ihm der Plan, die islamischen Länder zu studieren. Er wusste aber schon, dass dies ohne entsprechende Sprachkenntnisse unmöglich ist. Darum besucht der 33jährige das Seminar für Orientalische Sprachen (SOS) zu Berlin. Burchardts Lehrer war der Orientalist Martin Hartmann (1851 -1918), der nach seinem Studium in Leipzig Hauslehrer in Konstantinopel wurde, ab 1875 Dolmetscher am Generalkonsulat in Beirut war und 1887 als Lehrer für Arabisch ans Seminar für Orientalische Sprachen kam. Hartmann war in Deutschland der erste und lange Zeit der Einzige, der die staatliche Gestaltung, die politischen Kämpfe, die kulturellen Verhältnisse des modernen Orients in den Bereich seiner Studien einbezog. 6
Hermann Burchardt dagegen lernte fleißig Arabisch, Türkisch und die Grundlagen des Swaheli und des Persischen. 1892 verließ er Berlin, um von nun an – abgesehen von den Besuchen, die ihn alle zwei bis drei Jahre nach Deutschland führten – in der arabischen Welt zu leben. Von den 52 Jahren seines Lebens hat er die Hälfte in fernen Ländern verbracht. Sein Judentum hat Burchardt - im Gegensatz zu manch anderem – nie geleugnet, auch die Religion seiner Väter nicht verlassen. Im Gegenteil, er schenkte dem Judentum und den Judenquartieren (vor allem im Jemen) große Aufmerksamkeit und versuchte, den in oft sehr ärmlichen Verhältnissen lebenden Juden zu helfen. Er selbst hatte im Allgemeinen nicht darunter zu leiden, dass er Jude war. Nur „bei der Durchreise durch Russland“ erlebte er „ in seiner Eigenschaft als Israelit Widerwärtigkeiten, die dem Weitgereisten weder bei den Eskimos noch bei den Australnegern passiert sind.“ 8

Lage der Oase Siwa (3)
Lage der Oase Siwa (3)

Seine erste Reise in der islamischen Welt führt ihn 1893 in die Oase Siwa (ägypgtisch: sekhetam =Palmland) im Nordwesten Ägyptens. Die Oase – 800 km von Kairo entfernt – befindet sich inmitten der Libyschen Wüste und umfasst eine Fläche von 72000 qkm. Im Süden der Oase liegt das ägyptische Sandmeer, eine Wüste mit über 100 Meter hohen Dünen. Bereits in der Antike war der dortige Amuntempel als eine neben Delphi bedeutende Orakelstätte bekannt. Kein geringerer als Alexander der Große soll hier Rat gesucht haben. Als erster Europäer gelangte bereits 1664 (!) der Gothaer Orientalist Joh. Michael Wansleben an diesen Ort.

Nach seiner Rückkehr aus Ägypten mietet sich Hermann Burchardt eine Wohnung in der Altstadt von Damaskus. Hier fand er quasi seine zweite Heimat. Von Damsakus aus unternimmt er Reisen in alle Teile Syriens, nach Mesopotamien, Persien, dem östlichen Afrika, nach Ostarabien und dem Jemen. Hermann Burchardts ständiger Begleiter wurde der Syrer Abu Ibrahim.

Die Millionenstadt Damaskus gilt übrigens als die älteste kontinuierlich bewohnte Stadt der Welt. Mark Twain, der 1867 den Ort besuchte, schrieb bewundernd: „Damaskus mißt die Zeit nicht nach Tagen, Monaten und Jahren, sondern nach den Reichen, die es hat erstarken, aufblühen und verfallen sehen. Es ist ein Urbild der Unsterblichkeit.“ 9 Die Stadt mit den sieben Toren und der langen und wechselhaften Geschichte gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO. Hier hatte übrigens der Apostel Paulus sein Bekehrungserlebnis. 10

Damaskus. Blick auf die Umayyaden – Moschee ca. 1895 (4)
Damaskus. Blick auf die Umayyaden – Moschee ca. 1895 (4)

Zur Blüte gelangte Damaskus zur Zeit der Umayyaden. Um das Jahre 705 begann man mit dem Bau der berühmten Umayyaden – Moschee, der ersten Moschee in solch gewaltiger Größe. Als Burchardt hier lebte, gehörte die Metropole zum osmanischen Reich. Dreimal besuchte Burchardt den Jemen. Es gelang, ihn zu zwei Vorträgen über seine ersten beiden Reisen vor einem interessierten Zuhörerkreis in Berlin zu bewegen. Beide Vorträge wurden in der Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde veröffentlicht. Buchardts Vorträge zeichnen sich durch große Sachlichkeit aus. Von atemberaubenden Abenteuern oder spektakulären Erlebnissen ist darin nicht die Rede. Nur am Rande erwähnt er unangenehme Beschwerlichkeiten und gefährliche Situationen. Aber manchmal erzählt er mit feiner Ironie von dem, was er erlebte. So in seinem Vortrag am 3. Februar 1906 mit dem Titel „Ost – Arabien von Basra bis Maskat auf Grund eigener Reisen“:
„Nach dem üblichen Salam und Kaffee – und Teetrinken begann das Ausfragen. Es sind überall die gleichen Fragen, die gestellt werden. „Wie heißt Du, woher kommst Du, weshalb reist Du, erhältst Du Geld von Deiner Regierung, hast Du ein Amt“ ... „Daß ich zum Vergnügen reise, glaubt mir kein Araber. Man kann ihrer Ansicht nach nur reisen, um Geld zu verdienen oder ihr Land auszuspionieren. Gewöhnlich beantwortete mein Diener derartige Fragen, ohne sich gerade zu sehr an die Wahrheit zu halten.“11 (S. 314)

1903 /04 reiste der „Privatier“ Burchardt von Basra am Persischen Golf über Kuwait, Abu Dhabi und Dubai nach Oman, dem Sultanat im Osten der Arabischen Halbinsel. Dass Burchardt nicht nur am Leben und Agieren der Scheichs und Offiziere, sondern auch an dem der nicht so vom Glück begünstigten Menschen interessiert war, zeigt folgende Passage, die aus seinem Vortrag am 3. Februar 1906 stammt: „Ich benutze deshalb zur Reise nach Quet, Bahrein und Adjer eine Bum, ein kleines offenes Segelschiff. Der Reisende muß zwar auf jedwelche Bequemlichkeit verzichten, wird aber hinreichend entschädigt durch das interessante Leben an Bord, das sich seit Sinbads Zeiten wohl kaum verändert hat.“ 12
"Das Leben spielt sich an Bord ungefähr folgendermaßen ab. Beim ersten Schein der Morgenröte ertönt die Stimme des Reis“ 1. Steuermann , er ruft zum Gebet. „Gott ist groß, auf zum Gebet, das Gebet ist besser als Schlaf“. Alle verrichten die nicht gerade appetitlichen religiösen Waschungen und das vorgeschriebene Gebet. Waschungen und Gebet wiederholen sich fünfmal am Tag. Bei gutem Wetter und günstigem Wind wird die übrige Zeit mit Kaffeetrinken, Ausbessern der Kleider und Segel und Ungeziefer - Absuchen ausgefüllt. Bei schlechtem Wetter bietet das Umsetzen der Segel und Ausschöpfen des Seewassers vollauf Beschäftigung. Das Leben der Schiffer scheint sehr aufreibend zu sein; die Hitze am Tage, abwechselnd mit oft recht fühlbarer Kälte nachts, die blendende Sonne scheinen ihren Einfluß zu üben. Alle hatten irgendwelche Gebrechen, schlechte Zähne und hauptsächlich Augenkrankheiten sind häufig; auf zwei Schiffen, die ich benutzte, befand sich je ein blinder Matrose.“ 13

Schreiben war nicht gerade Burchardts Ding. Er verzichtete darauf, seine Erlebnisse und Entdeckungen „schriftlich zum Ausdruck zu bringen und der Allgemeinheit zugänglich zu machen“ 14, obwohl ihm dafür genug Stoff zur Verfügung stand. Sein Metier war die Fotographie. Auf seinen Reisen hatte er immer die komplette Fotoausrüstung dabei. Zwar hatte die Erfindung der sog. Trockenplatte durch den Engländer Richard Learch Maddox (1816 – 1903) im Jahr 1871 das Fotografieren erheblich erleichtert, aber Stativ, Kamera, Fotoplatten (10 Stück wogen 12 Kg) und Chemikalien mussten doch irgendwie befördert werden. Die Plattenfotografie ermöglichte übrigens gestochen scharfe Bilder. Burchardt fertigte jeweils am Abend sog. Kontaktabzüge (dabei wird das Negativ direkt auf das Fotopapier gelegt und kurz belichtet) an, die er dann an Ort und Stelle zeigen konnte. 1911 überließ Burchardts Neffe Max Ginsberg dem Berliner Völkerkundemuseum (heute Ethnologisches Museum) 2000 Photo-Negative, Glas- und Zelluloidplatten im Format 13x18 und Glasplatten im Format 8x12. - Zeugen einer längst vergangenen Zeit.
Wie war es Burchardt eigentlich möglich, in den muslimischen Ländern, die er bereiste, fotografieren zu können. Befolgen Muslime nicht ein Bilderverbot? Alle Fachleute sind sich einig: es gibt im Koran kein Verbot von bildlichen Darstellungen. Eine Verurteilung von Bildern findet sich nur in der Hadith - Literatur. (In den Ahadith [Plural von Hadith] wurden Aussagen und Handlungen des Propheten Mohammed aufgeschrieben.) Dort sind einige Worte des Propheten gegen Bilder und Skulpturen überliefert, wie: „Die schlimmste Strafe beim Jüngsten Gericht werden jene erleiden, die die Schöpfung nachgeahmt haben." 15

Emir Hadschi Ab del-Kader (1808 – 1889) (5)
Emir Hadschi Ab del-Kader (1808 – 1889) (5)

Trotz Mohammeds Abneigung gegen Bilder hat es im Islam, vor allem im sunnitischen Bereich, immer sehr schöne bildliche Darstellungen gegeben. Mithin kann man eher von einem Bildervermeidungsgebot sprechen als von einem Bilderverbot. 16
Burchardt konnte sich auf den Gelehrten und Freiheitskämpfer Emir Hadschi Ab del-Kader (1808 – 1889) in Damaskus berufen, der bereits 1860 schrieb, dass das Foto nur durch göttliches Licht ermöglicht wird und als Resultat einer Art allein technischen, spiegelbildlichen Wiedergabe von Menschen anzusehen ist. Somit stellt die Fotografie nur ein Abbild ohne eigentliche Seele dar. Und weil es keine Wiedergabe des menschlichen Wesens ist, sei die Fotografie erlaubt. 17 Dieser Theorie schloss sich die islamische Oberschicht an. Ihre Angehörigen ließen sich von Burchardt gern fotografieren. In den ländlichen Gebieten war es für ihn allerdings nicht so leicht, Menschen vor die Kamera zu bekommen. Seine liebenswürdige, zurückhaltende und ruhige Art verschaffte ihm aber Kontakt zu Bewohnern der Länder und Orte, die er besuchte. Er konnte immer wieder Menschen dafür gewinnen, sich von ihm fotografieren zu lassen. Da er am gleichen Tage noch Kontaktabzüge anfertigte, konnte er das Ergebnis denen zeigen, die sich von ihm ablichten ließen. Oft hat er seine Fotos verschenkt. Burchardts Bilder sind völlig frei von den damals gängigen Orientfantasien. Sein Interesse galt den alltäglichen Dingen und nicht den sensationellen, dem normalen Tagesgeschehen und nicht den Ausnahmen. Es sind „leise Bilder“18., so Andreas Pflitsch, die den nüchternen Charakter des Fotografen wiederspiegeln. Man muss die Fotos lange anschauen und auf sich wirken lassen, um das Besondere und Erstaunliche zu erkennen, was sie zeigen. Buchardt fotografierte Städte und deren Leben am Hafen, das Treiben auf den Märkten, aber auch Landschaften, archäologische Stätten und alte Inschriften. Sowohl den wohlhabenden Scheichs als auch den armen Bauern galt sein Interesse. Interessant ist, dass sich keine Fotos von Frauen und Kindern in seinem Nachlass finden. Das könnte daran liegen, dass es in den Ländern, die er besuchte, als unschicklich galt, wenn sich Frauen fotografieren lassen. Burchardt war nicht nur ein Meister der fotografischen Techniken, er verfügte auch über einen speziellen Blick für das Typische des Landes, der Stadt, der Bewohner. Er hatte eine gutes Gespür für das „Größte und für das Kleinste“. 19 Annegret Nippa und Peter Herbstreuth 20 berichten vom Versprechen Prof. Sachaus, das Seminar für Orientalische Sprachen würde eine Zeitschrift für die Bilder und Berichte der Reisen Burchardts herausgeben. Auf dieses Versprechen vertraute Burchardt, doch die Zeitschrift erschien nie. Für populäre Veröffentlichungen waren seine Bilder nicht medienwirksam genug. Auf Unterstützung durch Universitäten und Sponsoren konnte er nicht hoffen, und für eine Veröffentlichung im Selbstverlag fehlten ihm die nötigen Gelder.

Dr. Freiherr Max von Oppenheim mit Ibrahim Pasha 1899 (6)
Dr. Freiherr Max von Oppenheim mit Ibrahim Pasha 1899 (6)


Anders der clevere und betuchte Dr. Freiherr Max von Oppenheim (Hobbyarchäologe, Reisender, Diplomat, Dandy), dessen Buch „Vom Mittelmeer zum Persischen Golf“ ein Bestseller wurde. Für die darin verwendeten Fotos benennt er pauschal fünf Fotografen, denen er die Bilder verdankt, doch eine intensive Recherche von Dr. Annegret Nippa offenbarte, dass mehr als ein Drittel der Fotos von Burchardt stammen. Burchardts Aufzeichnungen und Notizen galten lange Zeit als verschollen. Eugen Mittwoch (1876 – 1942), Professor am Seminar für Orientalische Sprachen, hatte in den 1920er Jahren die Jemen – Papiere Burchardts gesichtet und ausgewertet. In Mittwochs Nachlass, der sich inzwischen im Nationalarchiv in Jerusalem befindet, fand man schließlich einen Teil der Burchardtschen Hinterlassenschaft. Mit seinen wiedergefundenen Tagebüchern, Briefen, Listen und Bildtiteln konnten 90% seiner Fotografien lokalisiert und datiert werden. 21

Nachdem Burchardt bereits zweimal in den Jemen gereist war, weilte er im Jahr 1909 längere Zeit in diesem Lande. Mit seinem Lehrer und Sekretär ACHMED IBN MUHAMAD AL-GARADI trieb Hermann Burchardt in Sana’a. Sprachstudien. Über diese Stadt berichtet Burchardt unter anderem: „Sanaa, die Hauptstadt des Yemen, soll die älteste Stadt der Welt und von Noah gegründet sein. Sie liegt etwa 200 km von der Küste entfernt..., in einer Höhe von 2250 m, weshalb, trotz der Nähe des Äquators, das Klima dem von Mittel – Italien gleicht. In den Gärten gibt es noch einige Dattelpalmen, aber ihre Früchte reifen nicht, ebenso finden sich alle Früchte und Gemüse der gemäßigten Zone...“
„Auf Grund einer kaiserlichen Irade“ (Sultanserlass) „ ist zwar die Einfuhr und Bereitung berauschender Getränke im Yemen verboten, doch wird von Juden ein ganz leidlicher Wein und ein sehr guter Arak hergestellt und auch von Andersgläubigen gern vertilgt. Die Stadt zählt wohl 50000 Einwohner...“ 22

Am 9. November verlässt Burchardt mit seiner Begleitung Sana’a , um über Ta’izz nach Mokka am Roten Meer zu gelangen. Zu Scheich JAHJA b. Muhammad Hamid ed –Din , der trotz osmanischer Besetzung der eigentliche Herrscher des Landes war, hatte Burchardt ein freundschaftliches Verhältnis. Der billigt das Unternehmen ausdrücklich. Es sollte Burchardts letzte Reise werden. Sein Sekretär ACHMED IBN MUHAMAD AL - GARADI verfasste über den Tod Hermann Burchardts einen ausführlichen Bericht, aus dem hier ein kurzer Ausschnitt wiedergegeben wird: „Am folgenden Tag (19. Dezember) stand der hochgeehrte Herr auf, befahl den Dienern, die Tiere zu beladen und suchte seinen Sekretär, damit er mit ihm gehe. Man teilte ihm mit, dass er Fieber habe, er glaubte aber ihrer Rede nicht. So ging er selbst zu seinem Sekretär hinauf und fand ihn zu Bette liegen. Da fühlte er ihm den Puls und merkte, dass er Fieber habe. Er gab ihm fünf (Chinin)sulfattabletten. Der Herr brach auf in Begleitung des Konsuls Benzoni und von vier Mann Bedeckung... Sie alle brachen auf und gelangten nach Maiswara. Die Menschen waren dort von allen Plätzen aus zu Markt. Der Herr nahm e - Uden von der höchsten Stelle des Negel auf. Hierauf gingen sie vom Negel hinunter und passierten das Wadi ed – Dor. Da griffen die Banditen sie mit Flinten an, töteten die Herren...“ Ein Reiter, der von Ibb kam, sagte uns, „dass die Banditen uns bei es - Sahal erwarteten, dass es ihr Glaube sei, die Herren hätten viel Gold bei sich gehabt.“ 23
Nach seinem Tod gab es Stimmen, die behaupteten, Burchardt hätte durch schlechte Behandlung die Eingeborenen zur Verzweiflung gebracht, außerdem sei er politischer Agent gewesen. Professor Sachau, der Direktor des Seminars für Orientalische Sprachen in Berlin, hat diese Anwürfe entschieden zurückgewiesen und sie als plump und gemein bezeichnet.24 Der italienische Kaufmann Caprotti in Sana’a, ein Freund Burchardts seit seinem 1. Besuch im Jemen, schließt seine Mittelung an die Angehörigen Burchardts vom 23. 12. 1909 mit den Worten: „Unser armer, unglücklicher Freund war von allen, die ihn kannten, geliebt. Die Armen von Sanaa beweinen gewiß seinen tragischen Tod. Gott wird seiner Herzensgüte und Mildtätigkeit gedenken. Ich weiß wohl, was er getan hat, um die Armen zu trösten.“25
Und Prof. Sachau beendete seinen Nachruf mit dem Satz: „Mit ihm ist allzufrüh einer der würdigsten Vertreter der deutschen Forschung heimgegangen.“ 26

Anmerkungen

1 Max Grunwald, Anteil der Juden an den geographischen Entdeckungen, in: Menorah: Jüdisches Familienblatt für Wissenschaft, Kunst und Literatur, Heft 8, August 1926, S. 435

2 Aus dem Jemen, Hermann Burchardts letzte Reise durch Südarabien, bearbeitet von Eugen Mittwoch, Festgabe für den vierten Deutschen Orientalistentag in Hamburg, Brockhaus, Leipzig, S. 2

3 ebenda

4 Gebietsverhandlungen nach dem Frieden von San Stefano, der den türkisch – russischen Krieg von 1787 beendete

5 Sabine Mangold, Eine „weltbürgerliche Wissenschaft“ – die deutsche Orientalistik im 19. Jahrhundert, Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2004, S, 238 -245

6 Carl Heinrich Becker, Islamstudien - Vom Werden und Wesen der islamisch3n Welt, Band 2, 1924

7 Sabine Mangold, Ein „weltbürgerliche Wissenschaft“ 2

8 M. Friedländer, Hermann Burchardt, Mitteilungen aus seinen letzten Briefen, in: Ost und West, illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum, Berlin, 1910, S. 107

9 M. Twain, Die Arglosen, 1869, S. 484f

10 Neues Testament, Apostelgeschichte 9, 3ff

11 Ost – Arabien von Basra bis Maskat auf Grund eigener Reisen, Vortrag von Hermann Burchardt in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde, 1906, S. 314

12 Ost – Arabien von Basra bis Maskat..., S. 365

13 Ost – Arabien von Basra bis Maskat..., S. 307

14 Eugen Mittwoch, Aus dem Jemen, S. 2

15 J. Christoph Bürgel, Das Bilderverbot im Islam, S. 134

16 Maria Haarmann (Hersg), Der Iszlam, ein Lesebuch, Beck, 2002

17 M. Friedländer, Hermann Burchardt, Mitteilungen aus seinen letzten Briefen, Compact Memory, 1910

18 A. Pflitsch, Orientfotografien von Hermann Burchardt, in: Quantara.de

19 A. Pflitsch, Orientfotografien von Hermann Burchardt, in: Quantara .de

20 A. Nippa, P. Herbstreuth (Hrsg) Unterwegs am Golf - von Basra nach Maskat, Photographien von Hermann Buchardt, 2006, S. 42

21 Seite 1 – Google Books A. Nippa & P. Herbstreuth, Unterwegs am Golf – Along the Gulf, Schile, Berlin, S.4,

22 Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde 1902, Nr. 7, Reiseskizzen aus dem Jemen, S, 599

23 Eugen Mittwoch. Aus dem Jemen, S. 37ff

24 Full text of „Juden als Erfinder und Entdecker", Veröffentlichung der Henriette Becker Stiftung, Berlin, S. 77

25 M. Friedländer, Hermann Buchardt – Mitteilungen aus seinen letzten Briefen, S. 110

26 Max Grunwald, a.a. O.

Bildnachweis: Alle Abb. sind Wikimedia Commons entnommen, sie sind gemeinfrei.

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