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Erzählungen

In metaphorisch einprägsamen Stil  werden verschiedene Schicksale erzählt, die ihren Haupthelden alles abverlangen, sie an ihre Grenzen bringen. Bei der Frage nach der Schuld, nach Gerechtigkeit und Gott verstricken sich Zukunft und Vergangenheit. 

"Er hat einen eigenen Ton, ein bisschen mecklenburgisch erdenschwer, aber dann auch wieder sehr poetisch"

Frankfurter Allgemeine 07.10.2014 Nr. 232 S. 10 

Physik der Krebszellen

Physik der Krebszellen

Verena Müller

Einzelzellen in einer Suspensionskultur formieren sich zu Zellclustern. Dabei handelt es sich um eine Modellkrebszelllinie, bei der die Zellmembran mit einem fluoreszenten Farbstoff angefärbt wurde. (Foto: Steve Pawlizak/Universität Leipzig)
Einzelzellen in einer Suspensionskultur formieren sich zu Zellclustern. Dabei handelt es sich um eine Modellkrebszelllinie, bei der die Zellmembran mit einem fluoreszenten Farbstoff angefärbt wurde. (Foto: Steve Pawlizak/Universität Leipzig)


Josef Käs lässt den Blick durch sein Büro schweifen: Der Schreibtisch aus Holz, der Stuhl aus Plastik, die Fensterscheibe aus Glas, die Wand aus Mörtel. „Beinahe alles um uns herum besteht aus weicher Materie“, erklärt der Professor für Physik der weichen Materie. Rund 95 Prozent der direkten Welt bestünden daraus, mit Ausnahme etwa von Elektrokabeln und Computerchip. Der Begriff der weichen Materie lässt sich am besten über seinen Gegenpart, die harte Materie, erklären. Deren Teilchen halten so stark zusammen, dass sie bei Raumtemperatur immer im gleichen Zustand bleiben - das gilt für die Siliziumkristalle des Computerchips genauso wie für das Metall der Elektrokabel. Anders der Mensch. „Wir selbst sind natürlich auch aus veränderlicher, also weicher Materie aufgebaut“, erklärt Käs. Damit könnten viele Modelle aus der Physik aktiver weicher Materie auch genutzt werden, um die Beweglichkeit biologischer Zellen zu berechnen.

Physiker Käs forscht zum Beispiel mit Tumorzellen. Diese Zellen sind gefährlich, denn sie drängen darauf, sich zu bewegen und vor allem sich auszubreiten. „Ein örtlich begrenzter einzelner Tumor ist eigentlich noch nicht gefährlich“, weiß Käs. Bedrohlich werde er erst, wenn sich seine physikalischen Eigenschaften änderten. Der Physik der Krebszellen wollen Käs und sein Team auf den Grund gehen und so neue Denkansätze in die Krebsforschung bringen.

Ein Tumor ist zunächst eine feste Masse innerhalb des befallenen Organs. Darin sind die mutierten Zellen fest miteinander verbunden und teilen sich unendlich oft. Eine Hülle um das Organ bildet dabei eine natürliche Barriere, die Tumorzellen daran hindert, sich in alle anderen Bereiche des Körpers auszubreiten. „Werden jedoch immer mehr mutierte Zellen gebildet, durchbrechen sie irgendwann diese natürliche Grenze. Gleichzeitig verändern sich immer mehr Krebszellen innerhalb des Tumors, um auswandern zu können“, beschreibt Käs die Erkenntnisse seiner Forschung. Einigen Zellen würde dies über kleine Ströme aus dem Tumor heraus gelingen, indem sie die Bindungen zu ihren Zellnachbarn kappten. Einige besonders aggressive Zellen würden zusätzlich besonders weich und verformbar werden, um sich so noch besser aus dem Zellverband lösen zu können. Die entflohenen Zellen könnten zu Lymph- und Blutgefäßen und damit in alle Teile des Körpers wandern — ein erster Schritt zur Metastase. Um für diese physikalischen Eigenschaften ein molekulares Verständnis zu bekommen, arbeitet Käs eng mit Ralf Seidel zusammen, der im April dieses Jahres als Professor für molekulare Biophysik an der Universität Leipzig berufen wurde. „Um beispielsweise die Anziehungskräfte zwischen Zellen zu messen, entwickeln wir gemeinsam aus DNA - Bausteinen eine Art winziges Messgerät, das wir zwischen die Zellen klemmen“, sagt Seidel. „Wenn die Zellen dann aneinander ziehen, erfahren wir an dem Punkt, an dem die DNA - Struktur zerreißt, wie stark die Kräfte sind.“ Denn man wisse vorher, wie sehr die DNA - Bausteine zusammenhalten.

Die Physiker Josef Käs (links) und Ralf Seidel betrachten einen künstlich hergestellten Tumor, um darin die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Krebszellen zu untersuchen.(Foto: Christian Hüller)
Die Physiker Josef Käs (links) und Ralf Seidel betrachten einen künstlich hergestellten Tumor, um darin die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Krebszellen zu untersuchen.(Foto: Christian Hüller)


Tatsächlich könnten die Erkenntnisse der beiden Biophysiker Inspiration für neue Krebstherapien liefern. Bisher gelang es Ärzten oft nur ungenau, anhand von Größe und Struktur des entnommenen Tumors einzuschätzen, wie weit die Krankheit schon vorangeschritten ist und wie stark damit die eingesetzten Wirkstoffe sein müssen. „Wie aggressiv ein Tumor ist, könnte sich in Zukunft anhand des Verhältnisses zwischen schon weichen und noch harten Zellen herausfinden lassen“, sagt Käs. Und tatsächlich deuten erste Ergebnisse daraufhin, dass die Menge der veränderten, weichen Krebszellen im Tumor mit dem Stadium der Krankheit korreliert. „Vielleicht hilft unsere Arbeit sogar einen Wirkstoff zu entwickeln, der weiche Zellen wieder in harte umwandelt, so dass der Tumor als Ganzes entfernt werden kann“, betont Seidel zuversichtlich. Denn jede entflohene Krebszelle könne die Krankheit erneut ausbrechen lassen.

Mehr Informationen unter: www.uni-leipzig.de/-physik/expl.html

Quelle: LUMAG Forschung - 02/2015

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