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N wie Ninive
Erzählungen

In metaphorisch einprägsamen Stil  werden verschiedene Schicksale erzählt, die ihren Haupthelden alles abverlangen, sie an ihre Grenzen bringen. Bei der Frage nach der Schuld, nach Gerechtigkeit und Gott verstricken sich Zukunft und Vergangenheit. 

"Er hat einen eigenen Ton, ein bisschen mecklenburgisch erdenschwer, aber dann auch wieder sehr poetisch"

Frankfurter Allgemeine 07.10.2014 Nr. 232 S. 10 

Bruno Apitz

Bruno Apitz

Prof. Dr. habil. Wolfgang Brekle
Dipl.-Päd. Ursula Brekle
Ausschnitt aus dem Buchenwald-Denkmal, Bildhauer Fritz Cremer. Via Wikimedia, gemeinfrei.
Ausschnitt aus dem Buchenwald-Denkmal, Bildhauer Fritz Cremer. Via Wikimedia, gemeinfrei.

Der 115. Geburtstag des Leipziger Ehrenbürgers Bruno Apitz und der 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald waren der Anlass für das Syposium „Verfolgt - bejubelt - vergessen. Zum Leben und Werk von Bruno Apitz", das die Rosa-Luxemberg-Stiftung Sachsen zusammen mit der Stadt Leipzig veranstaltet hat. Die Neuverfilmung von Apitz' Buch „Nackt unter Wölfen" 2014 bringt in Erinnerung, dass dieses Buch eines der meistverkauften Bücher der DDR war.

Bruno Apitz wurde am 28. April 1900 in der Elisabethstraße 15 in Leipzig-Volkmarsdorf als 12. Kind der Familie geboren. Der Vater war Wachstuchdrucker, die Mutter Waschfrau. Bruno Apitz besuchte eine Volksschule in Leipzig- Connewitz. Nach der Schulzeit trat er der Sozialistischen Arbeiterjugend bei. Er lernte Stempelschneider und arbeitete in verschiedenen Buchhandlungen in Leipzig. Als er am 13. August 1917 anlässlich einer Streikversammlung von Munitionsarbeitern zu den Arbeitern gesprochen hatte, wurde er am gleichen Tag verhaftet und nach 9monatiger Untersuchungshaft vom Reichsgericht wegen Landesverrats zu 1 Jahr und 7 Monaten Gefängnis verurteilt. In der Haft schrieb er sein erstes Gedicht, und zwar „Das Blümchen im Gefängnishof", das in der Leipziger satirischen Wochenschrift „Der Drache" 1921 veröffentlicht worden ist. Nach der vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis im Oktober 1918 war er in verschiedenen Buchhandlungen beschäftigt, bis er sich entschlossen hatte, Schauspieler zu werden. Er erhielt einige Engagements, so im Alten Theater Leipzig.

Apitz trat 1927 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und wurde ein vielbeschäftigter Funktionär. Von 1930 bis 1933 war er Bezirksvorsitzender des Bundes proletarischer-revolutionärer Schriftsteller in Leipzig. Er war einer der ersten, der von den Nationalsozialisten verhaftet wurde. Zunächst wurde er 1933 in die Lager Colditz und später Sachsenburg eingewiesen. Kurzzeitig entlassen wurde er erneut 1934 verhaftet und in das Zuchthaus Waldheim gebracht. Zu den Ursachen seiner zweiten Verhaftung äußerte er sich 1973 in einem Interview: „Nach der 1. Entlassung fand ich mich wieder mit meinen Genossen zusammen, und wir bauten in Leipzig die zerschlagenen Ortsgruppen der KPD wieder auf. Wir stellten Propagandamaterial her, Flugblätter, Klebezettel, Zeitungen, Betriebszeitungen. Wir vertrieben das Braunbuch. Wir waren eine sehr rege Gruppe, die dann im Oktober/November 1934 von der Gestapo wieder verhaftet wurde." (1) Nach Verbüßug einer Haftstrafe von 2 Jahren und 7 Monaten wurde Apitz 1937 übergangslos in das KZ Buchenwald überführt, wo er bis 1945 gefangen gehalten wurde.

Künstlerische Tätigkeit von Bruno Apitz im KZ Buchenwald

Von links: F. Beyer, H. Köfer und B. Apitz bei Dreharbeiten der DEFA "Nackt unter Wölfen". Foto: Bundesarchiv, Bild 183-A0816-0001-001 / Eva Brüggmann / CC-BY-SA 3.0
Von links: F. Beyer, H. Köfer und B. Apitz bei Dreharbeiten der DEFA "Nackt unter Wölfen". Foto: Bundesarchiv, Bild 183-A0816-0001-001 / Eva Brüggmann / CC-BY-SA 3.0

Die literarische, musikalische oder bildkünstlerische Betätigung der Häftlinge erfolgte trotz drohender Bestrafung und unter Gefährdung ihres Lebens. Apitz äußerte 1976 über das Wesen und den Sinn dieser Kunstausübungen:

„Was war es anders als eine Selbstbefreiung des Menschen, als eine Bejahung des eigenen Menschentums, denn: Sie konnten uns den Kopf scheren, sie konnten uns den Namen nehmen und uns dafür eine Nummer geben, aber sie konnten doch den Menschen in uns nicht töten... Künstlerische Betätigung war ein Bedürfnis, weil wir gegen das Elend und die Not und den Hunger im Lager uns in uns selbst ein Gegengewicht schaffen mussten. Und das war schlicht gesagt der Mensch, den sie nicht haben vernichten können."(2)

Es gab aber auch neben den geheimen k&uumuuml;nstlerischen Aktivitäten von Aufsehern genehmigte oder geduldete künstlerische Arbeit. Da im Laufe des Krieges die Buchenwald-Häftlinge immer mehr zur Arbeit in den Rüstungsbetrieben eingesetzt wurden, konnten die SS-Aufseher dazu gebracht werden, dass Kino und musikalische Darbietungen erlaubt wurden. Ab 1943 fanden alle 6 bis 8 Wochen in der Kinobaracke legale Veranstaltungen mit Musik, Gesang, Rezitationen und kleinen Theateraufführungen statt. Hieran beteiligten sich auch andere ausländische Häftlinge. Wie überhaupt nicht vergessen werden darf, dass es unter den ausländischen Häftlingen, besonders den Franzosen, eine große Zahl an Künstlern gab. (3)

Mehrfach fanden daneben geheime Veranstaltungen statt. Der 1. Mai 1944 wurde besonders feierlich begangen. Um 4.00 Uhr morgens begaben sich die Häftlinge der Effekten-Kammer und 72 Genossen der illegalen Kommunistischen Partei in den Kofferraum. Leise und nur im dunklen Keller hörbar, spielten zwei Geiger - einer von ihnen war Bruno Apitz - das alte Arbeiterlied „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit". Zum Abschluss sangen alle die Internationale.

Durch seine vielfältigen künstlerischen Fähigkeiten und seine nicht erlahmende Aktivität hatte Apitz großen Anteil an der Erhaltung der Widerstandskraft der Häftlinge. Nachdem er nach seiner Einlieferung in Buchenwald zunächst in einem Schachtkommando arbeiten musste, rieten ihm die Kameraden wegen seiner körperlichen Schwäche zu dem Versuch, in den sogenannten Künstlerwerkstätten unter zu kommen. Da er zeichnen und modellieren konnte, kam er in der Bildhauerwerkstatt unter, in der Häftlinge im Auftrag der Wachmannschaften künstlerische Arbeiten ausführten. Zum Beispiel dienten die Erzeugnisse zur Ausgestaltung der SS-Räume oder als Geschenke für die SS.

Bruno Apitz: Holzplastik "Das letzte Gesicht", geschnitzt im KZ Buchenwald.
Bruno Apitz: Holzplastik "Das letzte Gesicht", geschnitzt im KZ Buchenwald.

Das eindrucksvollste Beispiel von Apitz' illegalen künstlerischen Arbeit ist die Holzplastik „Das letzte Gesicht", die sich im Deutschen Historischen Museum in Berlin befindet. Sie ruft bei den Betrachtern immer wieder Bewunderung und Erschütterung hervor. Um die Gefahren einer solchen illegalen Arbeit deutlich zu machen, sei noch einmal Apitz selbst zitiert: „Im August 1944 vernichteten amerikanische Bomber die Rüstungsanlagen, die sich außerhalb des Lagers befanden. Übergreifende Brände beschädigten die im Lager unter Naturschutz stehende Goethe-Eiche...Ihre Rinde war auf einer Seite angekohlt. Auf Befehl der faschistischen Lagerleitung wurde der Baum gefällt und auf dem Holzhof des Lagers zu Feuerholz zersägt. Ein Stück des Holzes nahm ich an mich und verbarg es in der Baracke meines damaligen Kommandos Pathologie. In einer gesicherten Ecke der Baracke schlug ich dann die Totenmaske aus dem Holz...hätte man mich erwischt, wäre ich unweigerlich „hochgegangen". Das bedeutete Bunker und Tod. Häftlinge des Kommandos sicherten mich ständig ab. Ein anderer Häftling stand ständig neben mir und fegte die abfallenden Holzspäne weg, während wiederum andere Häftlinge auf den Sprung standen, das Holzstück und das Werkzeug bei Gefahr sofort zu verstecken. Da die Gefahr der Entdeckung ständig vorhanden war, wurde die Plastik aus dem Lager geschmuggelt." (4) Das gelang einem Häftling, der für die SS Lebensmittel einkaufen musste und so das KZ verlassen konnte. Über Umwege gelangte die wertvolle Holzplastik nach Appolda, wo sie von einer zuverlässigen Familie bis zur Befreiung versteckt werden konnte.

Neben der Holzplastik „Das letzte Gesicht" gehören zu Apitz' gelungenen Arbeiten die Muschelkalkplastik „Arbeiter", die Holzplastik „Der Clown" und die Graphik mit dem Selbstporträt beim Vortrag der „Na ja!"-Szene.

Apitz war in vielen Funktionen an illegalen und legalen musikalischen und literarischen Veranstaltungen beteiligt: als Geiger, Textautor, Rezitator, Schauspieler, Conférencier und Komponist. Er verfasste und spielte drei Sketche, er komponierte zu Schnogs „Klagelied eines Häftlings" die Melodie und schrieb den Text des Liedes „Kopf hoch!"

Das wichtigste Zeugnis von Apitz' literarischem Schaffen im KZ Buchenwald ist die Novelle „Esther", die er 1944 entworfen hatte. Ihr liegt das Erlebnis eines Häftlings im KZ Netzweiler zu Grunde. Esther ist eine von Hundert griechischen Jüdinnen, die in ein für Männer bestimmtes KZ überführt wurden, um dem Lagerarzt für rassebiologische Untersuchungen zu dienen. Danach sollten die Jüdinnen vergast werden. Die Novelle konzentriert sich in ihren 8 Abchnitten auf sechs Begegnungen Esthers mit dem Kapo des Häftlingsreviers, Oswald. Der Autor verknüpft feinfühlig und taktvoll das Aufkeimen der ersten Liebe Oswalds sowie das „Liebesfest" mit der Ahnung des Todes der Esther. Obwohl diese tragische Liebe mit der Ermordung des Mädchens endet, vermochte Apitz eine Perspektive zu gestalten: Esther wehrt sich, Owald überlebt und das Nahen einer besseren Zukunft klingt an. (5)

Die Zeit nach der Befreiung aus dem KZ

Nach der Befreiung ging Apitz verschiedenen Tätigkeiten in seiner Partei, der KPD, später SED nach. Er lebte in Leipzig, zunächst als Redakteur bei der LVZ, später war er als Verwaltungsdirektor der städtischen Bühne Leipzigs tätig. Er leitete auch Laienspielgruppen und arbeitete zeitweise als Dramaturg bei der DEFA, (sie war ein volkseigenes Filmunternehmen der DDR mit Sitz in Potsdam-Babelsberg).

Apitz schrieb mehrfach Erinnerungen an seine Haftzeit im KZ Buchenwald, so die Dokumentationen „Das war Buchenwald" (1946) und „Laienkünstler im KZ Buchenwald" (1950). Er verfasste Erzählungen und Gedichte sowie die Romane „Der Regenbogen" und „Schwelbrand".

Von 1955 bis 1958 arbeitete er an seinem später berühmt gewordenen Roman „Nackt unter Wölfen". Dabei erhielt er kritische Hinweise von seiner Partei, so zur Haltung der kommunistischen Häftlinge im KZ. Auch die Mentoren des Verlages drängten ihn zu Änderungen. Der im Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale) 1958 erschienene Roman wurde aufgrund der großen Nachfrage in vielen Verlagen, nicht nur in der DDR und in der BRD, sondern auch im Ausland in einer Auflage von 2 Millionen veröffentlicht. Großen Erfolg hatte auch 1963 die DEFA-Verfilmung unter der Regie von Frank Beyer. (1960 war er schon einmal für das Fernsehen verfilmt worden.) In den Hauptrollen agierten Armin Mueller-Stahl, Erwin Geschonneck, Fred Delmare und Gerry Wolff, alle waren erstklassige Schauspieler. Apitz hatte das Drehbuch geschrieben und eine kleine Rolle im Film übernommen. Er erhielt für seine Leistung den Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur. In den folgenden Jahren erhielt er weitere Ehrungen und Auszeichnungen.

Der Schriftsteller Bruno Apitz starb 1979 kurz vor seinem 79. Geburtstag in Berlin. Seine Urne wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, Berlin-Lichtenberg beigesetzt.

Nachbetrachtung

Kammergebäude im KZ Buchenwald. Foto: de:Benutzer:Stern.
Kammergebäude im KZ Buchenwald. Foto: de:Benutzer:Stern.

In den letzten Jahren erschienen bedeutende Veröffentlichungen über Leben und Werk von Bruno Apitz, im Besonderen über die Entstehungsgeschichte seines Romans „Nackt unter Wölfen", wobei auch die Gespräche mit der Witwe, Marlis Apitz, eine große Rolle spielen. Eine Neuauflage des Romans „Nackt unter Wölfen" wurde im Aufbau Verlag, Berlin 2012 verlegt. Die Neuauflage enthält ein ausführliches Nachwort und zusätzliche Dokumente, die die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Romans neu und historisch kritisch bewerten. Dazu gehören die wissenschaftlichen Untersuchungen von Susanne Hantke.

Weiterhin sind die Untersuchungen von Lars Förster in seinem Buch „Bruno Apitz. Eine politische Biographie", Berlin 1915, publiziert.


Der Roman wurde über 50 Jahre später 2014 ein zweites Mal verfilmt, diesmal unter der Regie von Philipp Kadelbach. Der Film folgt der gnadenlos realistischen Erzählweise des heutigen Kinos. Er zeigt das tiefe Leiden der Männer in der Effektenkammer, die den kleinen jüdischen Jungen versteckten. Die Rettung des dreijährigen Kindes wird zur Metapher für Menschlichkeit unter unsagbar brutalen Lebensbedingungen. In dieser Film-Version gibt Sylvester Groth als Lagerältester Krämer einen ruhigen, nachdenklichen und zweifelnden Mann. Er nimmt Krämer das Heldische. Sylvester Groth gelingt das wunderbar. Differenziert zeigt der Film die Gefährdung der Menschlichkeit eines jeden Häftlings und wie seelischen Kräfte freigesetzt werden können. Er zeigt auch Verrat, Folter und Mord. Im Vergleich zur DEFA-Verfilmung fehlen die Glorifizierung der Partei und überhöhtes Pathos, dafür hält die Kamera auf die Härte des Lagerlebens voll drauf. Dank der umfassenden historischen Recherchen und des differenzierten Drehbuches von Stefan Kolditz werden die historischen Ereignisse nachvollziehbar.

Quellen

(1) Josef-Hermann Sauter: Interview mit Bruno Apitz. In: Weimarer Beiträge, 1/1973, S. 31

(2) Kunst im Widerstand. Gespräch mit Bruno Apitz. In: NDL, 11/1976, S. 26

(3) Apitz bei Dreharbeiten zum 1. Film der DEFABundesarchiv, Bild 183-A0816-0001-001 / Eva Brüggmann / CC-BY-SA 3.0 

(4) Vergleiche dazu: Der gefesselte Wald. Gedichte aus Buchenwald. Herausgegeben von Wulf Kirsten und
      und Annette Seemann. Wallstein Verlag, Göttingen2013

(5)  Bruno Apitz: Laienkünstler im KZ Buchenwald. In: Volkskunst, 12/1954, S. 32 f.

(6) Vergleiche dazu: Wolfgang Brekle. Schriftsteller im antifaschistischen Widerstand 1933 bis 1945 in Deutschland. Berlin und Weimar 1990, S. 251 ff.

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